Eine Million Euro Förderung - Entwicklungsbiologe erhält NOMIS-Grant
Wie entwickeln wir uns von einer einzelnen Zelle zu einem vielzelligen Organismus mit Darm, Herz und Gehirn? Was sind die Kräfte, die das Leben in Gang setzen? Carl-Philipp Heisenberg, Professor am Institute of Science and Technology Austria (ISTA), versucht, diese Fragen zu beantworten. Für sein neuestes Forschungsprojekt „Zytoplasmatische Selbstorganisation in der frühen Tierentwicklung“ wird er nun mit einer Million Euro von der NOMIS Foundation unterstützt.
Carl-Philipp Heisenberg ist Entwicklungsbiologe. Seit über zwei Jahrzehnten untersucht er, wie sich ein Embryo von einem chaotischen Zellhaufen zu einer dreidimensionalen Struktur entwickelt. Trotz der vielen Jahre, die er dieser Forschung gewidmet hat, ist die Neugierde noch immer sein treibender Faktor. In der Forschung ist es oft der Fall, dass experimentelle Daten nicht dem Vorhergesagten und den vermeintlichen Intuitionen entsprechen. Genau das fasziniert Heisenberg – er versucht das Unerwartete aufzudecken. Diese Eigenschaft hat ihn nun zu einem prestigeträchtigen fünfjährigen Grant der Schweizer NOMIS Foundation verholfen, der mit einer Million Euro dotiert ist.
Wie das Leben beginnt
Die Befruchtung einer einzelligen Eizelle markiert den Beginn des menschlichen Lebens. Nach der Befruchtung beginnt sich die Eizelle (Zygote) zu teilen, woraufhin sich das Blastoderm bildet – das erste embryonale Gewebe, aus dem sich anschließend alle Gewebe und Organe der Tiere entwickeln.
Bei diesen ersten Zellteilungen oder „Spaltungen“, wie Wissenschafter:innen sie nennen, wird das Zytoplasma – die Flüssigkeit innerhalb der Zelle, die alle Bestandteile enthält – gleichmäßig auf zwei Tochterzellen verteilt. Dadurch wird sichergestellt, dass jede Tochterzelle einen Satz von Komponenten erbt, die sie für ihre weitere Entwicklung benötigt. „Dieser Vorgang nennt sich Zytokinese“, erklärt Heisenberg. „Während bei einigen Tieren, wie der Fruchtfliege, die Zytokinese in den ersten Stadien ihrer Entwicklung zu fehlen scheint, findet sie bei anderen Tieren, wie der Maus, gleich zu Beginn ihrer Entwicklung statt.“ In Anbetracht der großen Unterschiede zwischen den Arten stellt sich eine Frage: Welche Rolle spielt die Zytokinese in der Entwicklung? Warum ist sie bei einigen Tieren vorhanden, und bei anderen nicht?
Ein neuer Ansatz
Heisenbergs Forschungsgruppe begann, sich mit dieser Frage zu befassen. Dafür untersuchten die Forscher:innen die Zytokinese in Zebrafischen und Seescheiden. Diese beiden Meeresbewohner:innen werden häufig als Modellorganismen verwendet, um die frühe Embryonalentwicklung bei Wirbeltieren zu untersuchen, zu denen auch wir Menschen gehören.
In ihren Experimenten blockierten die Wissenschafter:innen die Zytokinese in befruchteten Eiern dieser Tiere. Sie zeigten überraschenderweise, dass sich das Zytoplasma in Abwesenheit der Zytokinese spontan in zellähnliche Kompartimente organisierte. Diese Kompartimente waren vergleichbar mit den Zellen, die in normalen Embryonen zu finden sind, und waren sogar in der Lage, mehrere Zellteilungsrunden zu durchlaufen. Laut Heisenberg führte diese erstaunliche Entdeckung dazu, dass die Selbstorganisation eventuell als zentraler Mechanismus der Zellteilung in frühen Embryonen angesehen wird.
Mit dem fünfjährigen NOMIS-Grant will Heisenberg nun tiefer in dieses Thema eintauchen und diese neue Hypothese hinterfragen. „Neben der großzügigen Grundfinanzierung am ISTA sind wir auf Drittmittel angewiesen, um unsere Grundlagenforschungsprojekte zu verfolgen“, erklärt der Entwicklungsbiologe. „Der Zuschuss der NOMIS Foundation ermöglicht uns herauszufinden, wie die zytoplasmatische Selbstorganisation an der Entstehung von mehrzelligen Organismen in der Evolution beteiligt sein könnte.“
Hochriskante Forschung
Selbstorganisation geschieht aber nicht auf magische Weise. Es gibt auch keinen Bildhauer oder Bildhauerin, die alles modelliert. Viel mehr benötigt es physikalische Kräfte wie Spannung oder Druck. Um mehr über Selbstorganisation herauszufinden, ist ein interdisziplinärer Ansatz an der Schnittstelle der Biologie und Physik notwendig.
Für ihr neues Projekt wird die Heisenberg Gruppe experimentelle und theoretische Ansätze Methoden kombinieren. Mit dieser Kombination erhofft sich die Gruppe mehr darüber zu erfahren, wie die zytoplasmatische Selbstorganisation während der frühen Zellspaltungen mechanistisch erreicht wird und wie sie bei der Aufteilung des Zytoplasmas in zwei Tochterzellen funktioniert. Auch wird die Zytokinese während der Zellteilung genauer untersucht.
Die NOMIS-Familie
Das Motto der NOMIS Foundation lautet, Funken zu entzünden. Dafür werden Wissenschafter:innen bei risikoreichen Forschungsprojekten unterstützt. Wie auch schon seine ISTA-Kollegen und Physiker Johannes Fink und Georgios Katsaros vor ihm, wird Heisenberg nun Teil eines weltweiten Netzwerks engagierter Forscher:innen aus verschiedener Disziplinen am Treffpunkt der Wissenschaft und Gesellschaft.
Über den Beitritt in die NOMIS Familie äußert sich Heisenberg: „NOMIS unterstützt risikoreiche und innovative Forschung, die in der Regel nicht von traditionellen Fördereinrichtungen finanziert wird. Die Partnerschaft mit NOMIS wird uns nicht nur die Möglichkeit geben, dieses Forschungsprojekt zu verfolgen, sondern auch Teil der NOMIS-Familie mit ihren vielfältigen und spannenden Forschungsprojekten zu werden.“
Markus Reinhard, Geschäftsführer der NOMIS Foundation, fügt hinzu: „Wir freuen uns, den renommierten Entwicklungsbiologen Carl-Philipp Heisenberg in unserer NOMIS Community begrüßen zu dürfen. Sein Forschungsprojekt hat das Potenzial, unser Verständnis der Entwicklungsbiologie zu erweitern und Einblicke in die Mechanismen zu geben, die komplexe Lebensformen bilden. Wir von NOMIS freuen uns über solche Erkenntnisse in der Grundlagenforschung und sind gespannt auf seine –hoffentlich spannenden – neuen Erkenntnisse.“
"The Forces that Build Us"
Sind Sie neugierig geworden, wie sich ein Embryo entwickelt? Mark Belan, der ISTA-Journalist in Residence des Jahres 2023, hat eine animierte Web-Story kreiert, die die Kräfte, die uns formen, unter die Lupe nimmt und tief in Heisenbergs Forschung eintaucht.
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Medienkontakt
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Über ISTA
Das Institute of Science and Technology Austria (ISTA) ist ein Forschungsinstitut mit eigenem Promotionsrecht. Es beschäftigt Professor:innen nach einem Tenure-Track-Modell, Post-Doktorand:innen und PhD-Student:innen. Die Graduate School des ISTA bietet hochqualifizierten Student:innen mit einem Bachelor- oder Masterabschluss in Biologie, Mathematik, Informatik, Physik, Chemie und verwandten Bereichen voll finanzierte Doktoratsstellen. Neben dem Bekenntnis zum Prinzip der Grundlagenforschung, die rein durch wissenschaftliche Neugier getrieben wird, setzt ISTA darauf, wissenschaftliche Erkenntnisse durch technologischen Transfer und Wissensvermittlung in die Gesellschaft zu tragen. Präsident des Instituts ist Martin Hetzer, renommierter Molekularbiologe und vormals Senior Vice President am The Salk Institute for Biological Studies in Kalifornien, USA.
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