Mehr Ersparnisse durch Mangel in der Kindheit
Italienerinnen und Italiener, die als Kinder den Zweiten Weltkrieg und den damit einhergehenden Fleischmangel erlebt haben, legen später im Leben tendenziell mehr Geld für schlechte Zeiten zur Seite. Das zeigt eine Untersuchung des ZEW Mannheim, der Erasmus-Universität Rotterdam und der Universität Utrecht.
Die Studie analysiert Auswirkungen der Fleischknappheit in Italien in den Jahren 1941 bis 1945 während des Zweiten Weltkriegs auf das spätere Sparverhalten der betroffenen Jahrgänge. Für die Untersuchung wurden Zahlen zur damaligen Fleischverfügbarkeit mit modernen Umfragedaten aus dem italienischen Survey on Household Income and Wealth (SHIW) kombiniert. Das SHIW bietet umfangreiche Informationen über italienische Haushalte, z.B. zu Ersparnissen, Einkommen, Vermögen sowie persönlichen Charakteristika der Haushaltsmitglieder. Mithilfe ökonometrischer Methoden analysieren die Autoren/-innen die langfristigen Effekte von Fleischknappheit auf das Sparverhalten der Menschen.
Kausaler Zusammenhang von Fleischknappheit und Sparen
„Die ersten Lebensjahre sind bekanntermaßen prägend für die Entwicklung. Unsere Forschung zeigt, dass die Lebensumstände in der Kindheit auch bei der Entwicklung von Geduld eine entscheidende Rolle spielen. Besonders Proteinknappheit in Form von kaum verfügbarem Fleisch kann Menschen tief prägen und sie langfristig dazu bewegen, vorsichtiger zu handeln und mehr Geld zur Seite zu legen“, erklärt Efi Adamopoulou, PhD, Ko-Studienautorin aus der ZEW-Forschungsgruppe „Ungleichheit und Verteilungspolitik“.
Dabei haben Mangelerfahrungen auch Auswirkungen auf die Ausprägung von Geduld. Das wurde mithilfe einer Frage im SHIW ermittelt: Angenommen, das Haushaltsoberhaupt gewänne bei einer Lotterie einen Preis in Höhe des Netto-Haushaltsjahreseinkommens. Welchen Anteil des Gewinns wäre es bereit aufzugeben, um das Geld sofort statt nach einem Jahr zu erhalten: 20, zehn, fünf, drei oder zwei Prozent? Wer sich für 20 Prozent entschied, gilt als ungeduldig.
Für Menschen, die im Kleinkindalter in Italien Fleischknappheit erlebt haben, liegt dieser Ungedulds-Wert 2,5 Prozentpunkte niedriger als für Personen, die nach Ende der Knappheit geboren wurden – die Betroffenen sind also geduldiger.
Ein geduldigeres Familienoberhaupt neigt wiederum zu stärker ausgeprägtem Sparverhalten. Hat die Person im kritischen Alter zwischen null und drei Jahren (Geburtsjahre 1942 bis 1945) Fleischmangel im Italien der Jahre 1941 bis 1945 erlebt, steigen die Haushaltsersparnisse bei der untersuchten Gruppe im Alter von 59 bis 62 Jahren (im Jahr 2004) um mehr als fünf Prozent.
„Mangelerfahrungen in den ersten Lebensjahren beeinflussen, wie stark Geduld als Wesenszug ausgeprägt ist. Die italienischen Zahlen legen folgendes nahe: Wer in jungen Jahren Knappheit erlebt, entwickelt offenbar dauerhafte Verhaltensweisen, um mögliche entbehrungsreiche Zeiten im späteren Leben besser bewältigen zu können. Dieser Bewältigungsmechanismus zeigt sich besonders im Sparverhalten der italienischen Untersuchungsgruppe: Die Ersparnisse dienen häufig als Vorsorge für zukünftige Unsicherheiten. Dies unterstreicht die Bedeutung der frühkindlichen Erfahrungen für das gesamte Leben“, betont Adamopoulou.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Efi Adamopoulou, PhD
Wissenschaftlerin in der ZEW-Forschungsgruppe „Ungleichheit und Verteilungspolitik“
Tel.: +49 (0)621 1235-296
E-Mail: Effrosyni.Adamopoulou@zew.de
Originalpublikation:
https://ftp.zew.de/pub/zew-docs/dp/dp24052.pdf