Pflanzen-Stammzellen: biologischer Mechanismus der Wachstumssteuerung besser verstanden
Forschende der Universität Freiburg identifizieren das Molekül HAN als wichtigen Regulator, der im Zusammenspiel mit WOX5 das Wachstum von Pflanzen steuert. Das Verständnis dieses Mechanismus ist relevant für die Züchtung widerstandsfähigerer oder ertragreicherer Nutzpflanzen.
Pflanzen bilden neue Blätter, Blüten und Wurzeln in bestimmten Wachstumsregionen an der Spitze von Sprossen und Wurzeln, den sogenannten Meristemen. Diese Meristeme enthalten Stammzellen, die sich nach Bedarf teilen und neue Zellen bilden, aus denen spezialisiertes Gewebe entsteht. Am Beispiel der Pflanzenwurzel konnten Forschende aus Freiburg jetzt entschlüsseln, welche biologischen Mechanismen dafür sorgen, dass das Wachstum im Meristem nicht unkontrolliert geschieht. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Nature Plants erschienen.
Stammzellen sind abhängig von Signalen anderer Zellen
Dass Stammzellen sich kontinuierlich teilen und Vorläuferzellen für spezialisierte Gewebe bilden können, ist keine Selbstverständlichkeit: Signale anderer Zellen sind notwendig, um die Eigenschaften der Stammzellen zu kontrollieren. Diese Abhängigkeit von Signalprozessen ist auch ein Schutzmechanismus. Denn wenn sich Stammzellen unkontrolliert vermehren könnten, würde das, wie bei Krebserkrankungen, zu Wucherungen führen.
WOX5 ist ein wichtiges Signalmolekül, das die Stammzellen im Meristem reguliert. Bisher war aber nicht bekannt, über welchen Mechanismus das geschieht. Einem Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Dr. Thomas Laux, Mitglied des Exzellenzclusters CIBSS – Centre for Integrative Biological Signalling Studies an der Universität Freiburg, ist es jetzt gelungen, diesen zu entschlüsseln. Das Team identifizierte den Regulationsfaktor HAN als essentiellen Faktor, der die Funktion von WOX5 weitervermittelt.
Das Gen-regulierende Molekül HAN ist ein wichtiger Regulator des Pflanzenwachstums
„Wir konnten herausfinden, dass HAN das Signal von WOX5 weiterleitet und dafür sorgt, dass das Gen CDF4 in Stammzellen inaktiv bleibt,“ erklärt Laux. „CDF4 führt sonst dazu, dass Stammzell-Eigenschaften inhibiert werden. Indem CDF4 durch HAN unterdrückt wird, bleiben die Stammzellen im Meristem der Pflanzenwurzel undifferenziert und können sich weiter teilen.“
Das Team setzte neben molekularbiologischen Methoden auch mathematische Modellierungen ein. Diese liefern eine mögliche Erklärung dafür, warum der kompliziert anmutende Mechanismus ein Vorteil für die Pflanze sein könnte: Die Mitwirkung von HAN als Bindeglied zwischen WOX5 und CDF4 scheint die Regulation der Stammzellen unempfindlicher gegenüber Umwelteinflüssen zu machen. „In weiteren Untersuchungen wollen wir jetzt herausfinden, ob die Mehrstufigkeit des Prozesses tatsächlich den Effekt hat, den wir in den Modellierungen sehen “, sagt Laux.
Prozess auch wichtig für Pflanzenzüchtung
Ein genaues Verständnis der Wachstumsprozesse von Pflanzen ist eine wichtige Grundlage für die Züchtung widerstandsfähigerer oder ertragreicherer Nutzpflanzen. Denn dadurch lassen sich gezielt Pflanzen erkennen und auswählen, die auch unter nicht-idealen Bedingungen wie extremem Wetter wachsen und Ertrag bringen können.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Thomas Laux
laux@biologie.uni-freiburg.de
Originalpublikation:
DOI: 10.1038/s41477-024-01810-z
https://www.nature.com/articles/s41477-024-01810-z