Bonobo ist nicht gleich Bonobo – drei genetisch unterschiedliche Populationen im Kongo
Historisch kleine Population mit erhöhtem Aussterberisiko
Bonobos sind gemeinsam mit Schimpansen unsere nächsten lebenden Verwandten. Die Menschenaffen, die nur in der Demokratischen Republik Kongo vorkommen, sind vom Aussterben bedroht: Insgesamt gibt es nur noch 20.000 Individuen. Forscher*innen der Universität Wien und des University College London konnten nun durch Erbgutanalysen zeigen, dass es sich trotz der geringen Populationszahl dennoch um mindestens drei genetisch verschiedene Gruppen handelt, die sich stammesgeschichtlich bereits vor rund 145.000 Jahren voneinander trennten.
Bonobos sind dem Menschen extrem ähnlich: Nur ein Prozent unserer Gene unterscheidet sich voneinander. Sie gelten als besonders friedlich, da Konflikte in ihren engen sozialen Gruppen auf überraschend harmonische Weise gelöst werden. Insbesondere spielen sexuelle Interaktionen eine Schlüsselrolle in ihrer sozialen Bindung und Allianzen. Obwohl die männlichen Nachkommen am selben Ort bleiben wie ihre Väter, bilden auch Weibchen starke Bündnisse und können eine große soziale Dominanz über die Männchen ausüben.
Nur noch 20.000 Individuen in freier Wildbahn
Bonobos sind vom Aussterben bedroht. Es gibt vermutlich nur noch etwa 20.000 Individuen, die in freier Wildbahn ausschließlich im Kongobecken in der Demokratischen Republik Kongo leben. In der Forschung galt lange Zeit die Vermutung, dass sie eine kleine, gleichförmige Art sind, obwohl ihre DNA, die mütterlicherseits vererbt wird, Hinweise auf unterschiedliche Populationen lieferte.
In der aktuellen Publikation analysierte ein internationales Team der Universität Wien und des University College London das gesamte Erbgut mehrerer Bonobo-Individuen aus Wildreservaten. Die Forscher*innen fanden heraus, dass mehrere – genetisch verschiedene – Gruppen von Bonobos existieren, die wahrscheinlich aus drei unterschiedlichen Regionen des Kongo stammen. "Wir konnten nachweisen, dass die Unterschiede zwischen diesen Populationen ebenso groß sein können wie jene zwischen verschiedenen Unterarten von Schimpansen. Die Daten zeigen, dass sich die verschiedenen Bonobo-Gruppen bereits vor bis zu 145.000 Jahren genetisch voneinander trennten", so Erstautorin Sojung Han vom Department für Evolutionäre Anthropologie der Universität Wien.
Die Forscher*innen konnten auch nachweisen, dass die Populationsgrößen der Bonobos in diesen langen historischen Zeiträumen immer sehr gering waren: Sie gehören zu den kleinsten Gruppen der Menschenaffen. Damit sind Bonobos sogar noch gefährdeter als bisher angenommen. Weitere Forschungsaktivitäten zur Verschiedenheit der Bonobos sollten daher auch in den Maßnahmen zur Arterhaltung berücksichtigt werden, etwa bei der Planung von Lebensraumerhaltung, Auswilderung oder Verlagerung von Individuen.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Sojung Han
Department für Evolutionäre Anthropologie, Universität Wien
1030 Wien, Djerassiplatz 1
so.jung.han@univie.ac.at
www.univie.ac.at
Originalpublikation:
Han et al. (2024). Deep genetic substructure within bonobos. Current Biology 34, 1-8.
DOI: 10.1016/j.cub.2024.09.043
https://doi.org/10.1016/j.cub.2024.09.043