Ängste und Depressionen von Krebskranken infolge der Pandemie
Während der Coronapandemie waren Änderungen der Krebsbehandlung keine Seltenheit, was chirurgische Eingriffe ebenso betraf wie Bestrahlung, medikamentöse Therapien und supportive Angebote. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) sind der Frage nachgegangen, inwieweit Auswirkungen der Pandemie auf die medizinische Versorgung die Patienten psychisch belastet haben. Sie fanden eine hohe Prävalenz von Ängsten und Depressionen.
Die Corona-Pandemie hat die medizinischen Versorgungssysteme für Krebskranke vor große Herausforderungen gestellt. Vor allem Kapazitätsengpässe sowie das Bemühen, Klinikaufenthalte und Arztkontakte wegen der Ansteckungsgefahr zu minimieren, haben dazu geführt, dass – mit den Patienten vorab besprochene – Behandlungsstrategien geändert wurden. Patienten wurden in anderen Kliniken verlegt, chirurgische Eingriffe und Bestrahlungstermine wurden verschoben, medikamentöse Therapien wurden umgestellt.
Hinzu kam die Belastung durch Kontaktbeschränkungen. Für Menschen, die mit einer Krebsdiagnose konfrontiert sind, ist ein verlässliches soziales Umfeld – sprich der Kontakt zu Familie und engen Freunden – besonders wichtig. „Wir wollten wissen, inwieweit neben Änderungen in der medizinischen Versorgung auch der eingeschränkte Austausch während der Pandemie zu einer sozialen Isolation geführt hat, mit in der Folge vermehrten depressiven Störungen und Ängsten, krankheitsbezogenem Stress und Einschränkungen der gesundheitsbezogenen Lebensqualität“, so Studienleiter Volker Arndt.
Gemeinsam mit seiner Arbeitsgruppe brachte Arndt eine Studie über psychosoziale Auswirkungen der Pandemie bei onkologischen Patienteninnen und Patienten auf den Weg. Das Team entwickelte einen detaillierten Fragenbogen, in dem – abgesehen von Fragen zur Person und zur Krebserkrankung – pandemiebedingte Versorgungsänderungen sowie psychische Belastungssymptome (gemäß dem Hospital Anxiety and Depression Scale, HADS) erfasst wurden.
Befragung von mehr als 2.000 Krebskranken
Basierend auf dem Krebsregister Baden-Württemberg konnten mehrere tausend Personen angeschrieben werden, von denen 2.391 einen ausgefüllten Fragenbogen zurückschickten. Die Befragten waren im Mittel 65,5 Jahre alt und seit mindestens 5 Jahren an Lungen-, Prostata-, Brust- bzw. Darmkrebs oder an Leukämien/Lymphomen erkrankt.
Die wichtigsten Ergebnisse der Studie: Die Pandemie hatte erhebliche Auswirkungen auf die onkologische Versorgung, was für die Betroffenen eine relevante psychische Belastung darstellte. Ein Drittel der befragten Patienten zeigten Anzeichen einer Depression oder Angststörung. Als belastend wurden insbesondere Kontaktbeschränkungen sowie Änderungen der geplanten Therapie erlebt. Insgesamt berichteten 22 Prozent der Befragten über eine vom ursprünglichen Plan abweichende medizinische Versorgung, die vor allem Nachsorge und Rehabilitation betraf. Bei 5,8 Prozent der Befragten wurde die aktive Therapie modifiziert.
Ganz wichtig: der Kontakt zum vertrauten Arzt
Solche Änderungen im geplanten Vorgehen in Kombination mit den oft reduzierten Arztkontakten sorgten bei vielen befragten Krebspatienten für Verunsicherung und stellten für sie eine zusätzliche Belastung dar. Das betraf insbesondere Patienten, bei denen die aktive Krebstherapie umgestellt wurde. In dieser Subgruppe hatten 50,5 Prozent subklinische Ängste und 55,4 Prozent subklinische Depressionen. Besonders vulnerabel waren zudem ältere Menschen (über 60), Frauen, Patienten mit Lungenkarzinom, sowie mit aktiver bzw. rezidivierter Erkrankung im Palliativstadium. Auch ein geringer sozioökonomischer Status erwies sich als Risikofaktor für Angst und Depression.
Ganz wichtig für das psychische Wohlbefinden war erwartungsgemäß ein stabiler Kontakt der Krebskranken zu ihren Angehörigen. Und eine sehr bedeutsame Rolle spielte auch der kontinuierliche Austausch der Patienten mit dem Arzt ihres Vertrauens, betont Erstautorin Daniela Doege. Ein guter Arztkontakt sei offenbar in der Lage gewesen, die pandemie-bedingten Belastungen abzupuffern. Dabei dürfte eine adäquate Information etwa über geplante Therapieänderungen ebenso eine Rolle gespielt haben wie das Gefühl des Aufgehobenseins.
Wie die Autoren der Studie betonen, sollte man die psychische Vulnerabilität von Krebspatienten und ihr Bedürfnis nach Verlässlichkeit immer im Hinterkopf haben. Das gilt besonders, aber nicht nur in herausfordernden Zeiten wie der Pandemie. Als alternative Kommunikationsform in Zeiten, in denen persönliche Kontakte eingeschränkt sind, bietet sich u.a. eine telemedizinische Begleitung an.
Doege D et al: Anxiety and depression in cancer patients and survivors in the context of restrictions in contact and oncological care during the COVID-19 pandemic. Int J Cancer 2024. doi:10.1002/ijc.35204
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:
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