Projekt zur Desinformationsbekämpfung: Fakten wieder vertrauen
„Desinformation bei der Bundestagswahl erwartet“ „Russland manipuliert Berichterstattung mit KI-Bot-Farmen“. Schlagzeilen wie diese verdeutlichen: Immer wieder wird aufgedeckt, dass nicht allen vermeintlichen Fakten zu trauen ist. Doch mit welchen Maßnahmen geht man gegen Desinformationen vor? Damit beschäftigt sich ein interdisziplinäres Forschungsteam im Projekt DYNAMO, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung bis 2025 mit 1,6 Millionen Euro gefördert wird. Beteiligt sind neben den Universitäten Duisburg-Essen und Kassel, auch die Hochschule der Medien in Stuttgart und das Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie SIT.
Nun legt das Forschungsteam in einem öffentlichen Policy Paper erste Erkenntnisse vor.
Effektive Strategien gegen die Verbreitung von Desinformation braucht es dringend. „Dabei reicht es nicht, nur öffentliche soziale Netzwerke in die Verantwortung zu nehmen“, stellt Prof. Nicole Krämer aus der Sozialpsychologie der Universität Duisburg-Essen klar. „Längst versammeln sich Desinformationsakteur:innen und ihre Anhängerschaft in Messenger-Diensten wie Telegram oder WhatsApp: Sie bieten durch ihre öffentlichen und privaten Kommunikationsfunktionen ideale Bedingungen für die Verbreitung von Desinformation, um gezielt Halbwahrheiten, Verschwörungstheorien oder politische Propaganda zu verbreiten“, so die Expertin für Internetbasierte Kommunikation.
Das Forschungsteam von DYNAMO (Dynamiken der Desinformation Erkennen und Bekämpfen) stellt nun in einer Online-Pressekonferenz* am 23. Oktober um 10 Uhr ein Policy Paper vor, das erste Forschungsergebnisse bündelt und konkrete Handlungsempfehlungen für Politik, Medien und der Wissenschaft bietet. Die Expertise dafür kommt nicht nur aus den beiden Universitäten, sondern auch aus dem Studiengang Crossmedia-Redaktion der Hochschule der Medien und aus dem Fraunhofer SIT, das führend in Cybersicherheit und Privatsphärenschutz ist und bei dem die Projektkoordination liegt.
Im Mittelpunkt des neuen Papiers steht die Analyse und Bewertung eines Ansatzes zur Prävention der Desinformationsverbreitung in Messenger-Diensten, das sogenannte Prebunking, was die Wissenschaftler:innen befürworten. Prebunking kann unter anderem durch spezifische Aufklärung über einzelne Desinformationsinhalte oder durch die generelle Vermittlung von Medienkompetenz und gängigen Manipulationstechniken erfolgen.
Verschwörungstheorien via Telegram und WhatsApp
Dass sich das Forschungsteam auf Messengerdienste konzentriert, hat Gründe: Sie bieten sich für die Verbreitung von sogenannten „Fake News“ an, auch wenn die meisten Kanäle darauf nicht ausgerichtet sind. Trotzdem gelingt es Kanalbetreiber:innen hier eigene und weitergeleitete Inhalte zu mischen und dazu auch Desinformationen einzusetzen. Diese Posts werden dann geteilt und verbreiten sich immer weiter, bis sie „das zentrale Element komplexer alternativer Wirklichkeitskonstruktionen sind“, so Krämer– und für die Wahrheit gehalten werden.
Auf europäischer Ebene wird versucht dagegen vorzugehen, jedoch mit mäßigem Erfolg. Die Wissenschaftler:innen halten die bestehenden Gesetze, wie den Digital Services Act der EU, nicht für ausreichend genug, um die Anbieter von Messenger-Diensten in die Verantwortung zu nehmen. Denn Funktionen, die das Teilen von Desinformation ermöglichen, bestehen weiter, zum Beispiel bei Telegram oder WhatsApp.
Die rechtlich Analyse wurde von Rechtswissenschaftler:innen der Universität Kassel durchgeführt. „In unserem Policy Paper zeigen wir Lücken im rechtlichen Rahmen auf und machen konkrete Vorschläge, diese Probleme anzugehen“, so Prof. Dr. Gerrit Hornung LL.M. vom Fachgebiet Öffentliches Recht der Universität Kassel. Wichtig sei das auch für Deutschland, betont der Experte für Rechtsfragen moderner Informationstechnologien. Im September 2025 sind Bundestagswahlen. Es muss daher frühzeitig über strukturelle Probleme bei der Erkennung und Bekämpfung von Desinformation gesprochen werden. Sonst droht das Vertrauen in demokratische Institutionen und Prozesse weiter zu erodieren“, erklärt Hornung.
*Die Online-PK findet ab 10 Uhr via Zoom statt. Anmeldelink:
https://uni-due.zoom-x.de/j/62862362457?pwd=2L7s07G6ukmJ94Ta4MMrJi9VTsOlVK.1
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Kontakt UDE:
Amancay Ancina, Sozialpsychologie: Medien und Kommunikation, Tel. 0203/37 9-6030, amancay.ancina@uni-due.de
Prof. Dr. Nicole Krämer, Sozialpsychologie: Medien und Kommunikation, nicole.kraemer@uni-due.de
Kontakt Universität Kassel:
Tahireh Panahi, Öffentliches Recht, IT-Recht und Umweltrecht, Tel. 0561/804-2793, t.panahi@uni-kassel.de
Prof. Dr. Gerrit Hornung LL.M., Öffentliches Recht, IT-Recht und Umweltrecht, Tel. 0561 804-7923, gerrit.hornung@uni-kassel.de
Originalpublikation:
https://doi.org/10.17185/duepublico/82406
Weitere Informationen:
https://www.forschung-it-sicherheit-kommunikationssysteme.de/projekte/dynamo