Forschende fordern bessere globale Koordinierung der Regeln für den Vorteilsausgleich für die Nutzung von DSI
Braunschweiger Forschende bringen ihre Expertise mit nach Kolumbien zu UN Biodiversity Conference und publizieren Artikel in Nature Communications
„Verschiedene UN-Gremien entwickeln gleichzeitig Regeln für den Vorteilsausgleich von digitalen Sequenzinformationen. Für die Forschung ist es enorm wichtig, eine globale Harmonisierung dieser Regeln zu haben“, informiert Dr. Amber Hartman Scholz. Sie ist korrespondierende Autorin eines Artikels in Nature Communication zur Thematik und Leiterin der Abteilung für Science Policy und Internationalisierung des Leibniz-Instituts DSMZ-Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH. Am 20. Oktober beginnt in Cali, Kolumbien, der 16. United Nations Biodiversity Conference (COP16). Diese Konferenz kann und soll die Federführung für die globale Harmonisierung der unterschiedlichen Regelwerke über digitale Sequenzinformation anstoßen, da ihre Verhandlungen bereits weit fortgeschritten sind. Das Leibniz-Institut DSMZ nimmt an der COP16 mit sieben Forschenden und mehreren internationalen Partnern teil, um diese Botschaft vor Ort zu erläutern. Wie wichtig es ist, global über frei zugängige digitale Sequenzinformationen zu verfügen, hat sich im Kampf gegen das Corona-Virus gezeigt. Nur durch die internationale Zusammenarbeit und den Austausch von genetischen Sequenzinformationen des Virus war es möglich, rasch Diagnoseverfahren und Impfstoffe zu entwickeln.
Forschung darf nicht eingeschränkt werden und muss gerecht sein
Offener und freier Zugang zu digitalen Sequenzinformationen (DSI = digital erfasste Informationen über das Erbmaterial) ist eine Grundlage der lebenswissenschaftlichen Forschung. Die Autoren fordern in ihrem Artikel die Entwicklung von harmonisierten Mechanismen für die Nutzung von DSI, die mit den wissenschaftlichen Praktiken sowie Datenbankstrukturen kompatibel sind. Gleichzeitig sollen dies Mechanismen den gemeinsamen Nutzen maximieren, um die Ziele der rechtlichen Rahmenwerke zu erreichen. „Internationale politische Entscheidungsträger haben das Mandat, die Verhandlungen in ihrem Bereich zu führen. Aber die Wissenschaft kennt keine rechtliche und juristische Grenzen. Forschende nutzen genetische Daten und benötigen einen offenen Zugang zu den großen zentralen öffentlichen Datenbanken auf der ganzen Welt. Wenn Verhandlungsführende neue Regeln für die Nutzung im kommerziellen Bereich mit UN-Instrumenten entwickelt, kollidieren diese Regeln mit der wissenschaftlichen Praxis“, erläutert Dr. Amber Hartman Scholz.
Forschung benötigt Rechtssicherheit
Ein harmonisiertes multilaterales System für Open DSI muss klare und einfache standardisierte Bedingungen für die Nutzung aller öffentlich verfügbaren Daten haben. Die Autoren der Nature Communications-Publikation fordern eine internationale und einheitliche Rechtssicherheit im Sinne des wissenschaftlichen Fortschritts. Die Harmonisierung der bestehenden Rahmenwerke ist eine Herausforderung, da jedes einem anderen Zweck dient: Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt (CBD/NP/BBNJ), Erkennung, Verhütung und Ausrottung von Krankheiten (PIP, WHO CA+) und Ernährungssicherheit (IPTGRFA). Jedes Regelwerk verfügt über unterschiedliche Entscheidungsprozesse, Erfüllungsmaßnahmen und benannte nationale Verhandlungsführer (oft aus verschiedenen Ministerien) mit Mandaten, die sich nicht überschneiden oder sogar um Budgets und politische Prioritäten konkurrieren können. Wenn jedoch der Vorteilsausgleich aus DSI für jedes dieser Foren separat und nicht in einem vernetzten globalen Kontext konzipiert wird, besteht die reale Gefahr, dass der Wert der Daten durch Rechtsunsicherheit und bürokratischem Aufwand sinkt.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Amber Hartman Scholz
Originalpublikation:
Sett, S., Kress, W.J., Halewood, M. et al.: Harmonize rules for digital sequence information benefit-sharing across UN frameworks. Nat Commun 15, 8745 (2024), https://www.nature.com/articles/s41467-024-52994-z