Aktuelle Untersuchungen testen eine Optimierung der Kognitiven Verhaltenstherapie bei Insomnie
Ein- und Durchschlafstörungen (Insomnie) sind mit einer Häufigkeit von 10% in Deutschland eine der am meisten auftretenden Schlaferkrankungen. Für die Behandlung einer Insomnie empfiehlt die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) als beste Option die Kognitive Verhaltenstherapie für Insomnie (KVT-I). Die dabei häufig auftretenden Nebenwirkungen erschweren Patienten oft das Durchhalten. Am Universitätsklinikum Freiburg wird derzeit untersucht, wie eine Kombination mit einer anderen Therapieform die KVT-I in dieser Hinsicht optimieren könnte.
„Die Kognitive Verhaltenstherapie für Insomnie kann in relativ kurzer Zeit zu sehr guten Ergebnissen führen, geht aber häufig mit erheblichen Nebenwirkungen einher“, weiß Dr. Fee Benz von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg, „Die Patienten leiden vorübergehend häufig unter Tagesmüdigkeit und einer reduzierten Lebensqualität.“ Um die Patienten noch besser unterstützen zu können, hat sie gemeinsam mit Dr. Anna Johann und weiteren Kollegen eine klinische Studie durchgeführt. Ziel war es zu untersuchen, ob die Kombination der S3-Leitlinienbehandlung mit der Akzeptanz- und Commitmenttherapie (kurz ACT, gesprochen auch wie das englische Wort act = handeln) den Schlaf noch zusätzlich verbessern und den Patienten helfen könnte, besser mit den Nebenwirkungen der KVT-I umzugehen.
Etwa zwei Drittel der Behandelten beenden die Therapie mit ausreichenden Verbesserungen ihres Schlafes oder leiden nicht mehr unter einer Insomnie. Ein Drittel profitiert jedoch nicht ausreichend. Hier könnte ACT ansetzen, indem vermittelt wird, die Herausforderungen in Bezug auf die Schlafstörungen und die Nebenwirkungen der Behandlung anzunehmen. Ein zentraler Bestandteil der ACT ist es, eine annehmende Haltung gegenüber Dingen, die (vorerst) nicht zu ändern sind, zu entwickeln und ein werteorientiertes Leben zu führen. „Im Prinzip möchten wir den Patienten neben der Behandlung der Insomnie damit ein Werkzeug an die Hand geben, um die Schwierigkeiten im Hier und Jetzt aushalten, sprich die Therapie durchhalten zu können“, erklärt Dr. Anna Johann. Die Auswertung der aktuellen Studie am Freiburger Universitätsklinikum über die Kombination von KVT-I mit ACT steht noch aus. Ergebnisse einer früheren Studie, in der Insomnie-Patienten mit ACT behandelt wurden, zeigten bereits, dass sich die Lebensqualität deutlich verbesserte.
Weil viele Menschen von Ein- und Durchschlafstörungen betroffen sind und diese häufig mit einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität einhergehen, ist es wichtig, Behandlungsstrategien wie die KVT-I weiter zu optimieren. Dieses Thema hat auch für die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) einen hohen Stellenwert.
Der Praxisalltag steht jedoch oft im Gegensatz zu den empfohlenen Behandlungsstandards der Schlafmedizin
Auf der 32. Jahrestagung der Gesellschaft, die vom 14.-16. November 2024 in der Messe Essen stattfindet, findet auch das Thema der aktuellen Versorgungsrealität Raum. In der wissenschaftlichen Sitzung „Ambulante Versorgung – Hochschultheorie versus Realität“ schildern niedergelassene Schlafmediziner die Kontroverse zwischen den empfohlenen Behandlungsstandards und der Realität in ihren Praxen. Wie Dr. med. Corinna Frohn, die seit 10 Jahren als Psychiaterin tätig ist, derzeit im MVZ Bethanien in Solingen, und Insomniker behandelt. „Die Leitlinien stehen im absoluten Gegensatz zur Realität. Die Patienten sollen vordergründig psychotherapeutisch therapiert und nur im äußersten Notfall medikamentös versorgt werden. Die Medikamentengabe wird superkritisch gesehen. Im Behandlungsalltag ist es jedoch so, dass viele Patienten keine Verhaltenstherapie wollen, viele kommen erst nach einem langen Leidensweg beim Schlafmediziner an und sagen dann, dass sie keine weiteren schlafhygienischen Maßnahmen wollen, weil die jahrelang schon mehr oder weniger erfolgreich versucht worden sind. Viele Patienten sind auch bereits derart erschöpft, dass sie weitere therapeutische Maßnahmen gar nicht durchhalten oder abbrechen. Deshalb würde ich sagen, dass ich mindestens der Hälfte meiner Patienten eine medikamentöse Therapie anbiete. Man hat aufgrund der Leitlinien fast ein schlechtes Gewissen dabei, aber die meisten Niedergelassenen, mit denen ich mich austausche, machen es genauso. Es geht in der Versorgung gar nicht anders. Und die Erfolge bei den Patienten sprechen zudem dafür“, berichtet Corinna Frohn.
Digitale Therapieprogramme in Form von Apps sollen in dieser Versorgungslücke helfen. Jedoch fehlt jegliche Diagnostik vorab. Patienten lassen die Apps teils direkt bei der Krankenkasse ohne jeglichen Arztkontakt freischalten oder bekommen sie von ihrem Arzt, der jedoch zu wenig schlafmedizinische Erfahrung besitzt, um eine wirkliche Indikation zu erkennen. Corinna Frohn sieht die Wirksamkeit von Apps kritisch und hat eher einen anderen Vorschlag, um die Versorgung zu verbessern: „Die schlafmedizinische Ausbildung sollte dringend Teil des Medizinstudiums werden. Wenn mehr Wissen bei bestimmten Fachrichtungen dazu vorhanden ist, dann wird auch die Patientenversorgung gelingen.“
Ähnlich sieht das auch Dr. med. Michael Feld, niedergelassener Allgemeinarzt und Somnologe aus Frechen-Königsdorf. Auch er sieht es als wichtig an, mehr Schlafmediziner auszubilden, weiter über die Wichtigkeit von Schlaferkrankungen bei Hausärzten und vor allem berufspolitisch aufzuklären. In der Hausarztpraxis sei die schlafmedizinische Diagnostik schon etwas besser geworden als noch vor Jahren, so Feld. In den hausärztlichen Check-up auch die Abklärung von schlafbezogenen Atmungsstörungen, der sogenannten Schlafapnoe, mit aufzunehmen, kann abgerechnet werden, und wird somit auch vermehrt durchgeführt. Zum einen ist das unglaublich wichtig, weil die Schlafapnoe sehr häufig ist, zum anderen ist sie ein hoher Risikofaktor für u.a. Herzinfarkt, Schlaganfall und Demenz.
Es ist also entscheidend, dass schlafbezogene Atmungsstörungen erkannt werden. Dafür spielt die Hausarztpraxis eine Schlüsselrolle. „Die meisten niedergelassenen Kollegen kennen das Krankheitsbild und haben es inzwischen auch bei der Diagnostik auf dem Radar“, sagt Feld. So weit so gut. Verbesserungsbedarf gibt es aber bei den Abrechnungsmodalitäten der Krankenkassen. „Diese haben natürlich immer ein Interesse, dass nicht zu viel diagnostiziert wird, weil daran Folgekosten hängen. Auch ein Grund, warum es nicht mehr Schlaflabore gibt. Das ist aber dumm, weil die schlafmedizinischen Behandlungskosten deutlich günstiger wären, als es die Kosten durch die Folgeerkrankungen von Schlafapnoe sind. Zum Beispiel wenn man aufgrund einer unentdeckten Schlafapnoe Herzprobleme bekommt und dann teure Herzmedikamente und Untersuchungen benötigt“, erklärt Michael Feld. Die DGSM versucht hier seit Jahren gesundheitspolitische Änderungen herbeizuführen, jedoch: „Die Lobby der meisten anderen medizinischen Disziplinen, nehmen wir wiederum das Beispiel der Kardiologie, ist hier zahlenmäßig stärker vertreten und so auf den Priolisten weiter oben als wir Schlafmediziner.“
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Die DGSM lädt im Vorfeld ihrer Jahrestagung am 11. November 2024 um 10 Uhr zu einer Online-Pressekonferenz ein. Insomnieversorgung wird auch dort ein Thema sein. Der Einwahllink zum Onlinemeeting wird nach Anmeldung bei romy.held@conventus.de zugesendet.
Weitere Informationen:
http://www.dgsm.de