Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde in Russland zur „extremistischen Organisation“ erklärt – HRK Statement
Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Prof. Dr. Walter Rosenthal, kritisiert die Entscheidung des russischen Justizministeriums, die Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde (DGO) – eine interdisziplinäre, wissenschaftliche Fachgesellschaft – als „extremistisch“ einzustufen. Damit sei ein neuer Tiefpunkt in den aktuell ohnehin stark eingeschränkten russisch-deutschen Wissenschaftsbeziehungen erreicht, weil nun potenziell jedem nach Russland reisenden DGO-Mitglied willkürliche Kriminalisierung und strafrechtliche Verfolgung drohen. Zudem könne jeder, auch private Austausch von DGO-Mitgliedern mit russischen Wissenschaftler:innen deren Sicherheit gefährden.
„Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ruhen die institutionellen Wissenschaftskooperationen zwischen Deutschland und Russland. Das ist schmerzhaft, aber richtig. Persönliche Kontakte zwischen Wissenschaftler:innen beider Länder blieben grundsätzlich möglich – auch um die Reste einer wertegebundenen, liberalen Wissenschaft und Zivilgesellschaft in Russland zu unterstützen. Dagegen richten sich offenbar verstärkt Maßnahmen des russischen Regimes. Bei der Mehrzahl der DGO-Mitglieder handelt es sich um Angehörige der Hochschulen. Die HRK hat ihre Mitgliedshochschulen daher mit einem Rundschreiben über die ungerechtfertigte Einstufung der DGO als ‚extremistische Organisation‘ und die sich daraus ergebenden Gefahren informiert“, erklärte HRK-Präsident Walter Rosenthal heute.
Nach russischem Recht erfüllt die bloße Mitgliedschaft in und die Zusammenarbeit mit der DGO nunmehr Straftatbestände, die mit Haftstrafen von bis zu zwölf Jahren geahndet werden können. „Das bestätigt ein Gutachten der DGO über die bisherige Rechtspraxis der russischen Strafverfolgungsorgane und der russischen Justiz“, so Rosenthal weiter. Angesichts der gravierenden Folgen, die daraus für Mitglieder der DGO und ihre Kooperationspartner erwachsen, bittet die HRK ihre Mitglieder, alle Hochschulangehörigen entsprechend zu sensibilisieren, um sie vor möglichen Gefahren und Repressalien zu schützen.
„Das Vorgehen der Russischen Föderation fügt sich nahtlos in das seit Jahren aufgebaute Feindbild ein, das grenzüberschreitende Kontakte auch in der Wissenschaft erschweren oder unmöglich machen soll. Bedrohlich ist auch der jüngst bekannt gewordene Hackerangriff auf die DGO, hinter dem mutmaßlich staatliche russische Akteure stehen“, erläuterte der HRK-Präsident. Dahinter stehe die Absicht, wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse über Russland, seine Geschichte, Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur und Politik nachhaltig zu behindern und zu unterbinden.
Hintergrund:
Am 25. Juli 2024 wurde die DGO mit weiteren 54 russischen und ausländischen Organisationen einer sogenannten Antirussländischen separatistischen Bewegung als „strukturelle Unterabteilung“ zugeordnet. Das durch einen Antrag des russischen Justizministeriums vom Obersten Gericht der Russischen Föderation überhaupt erst geschaffene Konstrukt wurde seinerseits bereits im Juni als extremistische Organisation eingestuft und verboten.
Bereits die Erklärung der DGO zur „unerwünschten Organisation“ im März dieses Jahres stellte vor allem für russische Staatsangehörige bei einer Zusammenarbeit mit Mitgliedern der DGO, bei der Teilnahme an Veranstaltungen und auch bei einer Veröffentlichung in der Zeitschrift „Osteuropa“ drastische Strafen in Aussicht.
Mit der neuen Einordnung der DGO in die Kategorie „extremistische Organisation“ kann das Strafmaß erheblich erweitert werden. Ein Rechtsgutachten im Auftrag der DGO bestätigte unlängst eine entsprechende Rechtspraxis und die sich hieraus ergebende Gefährdungslage.
Weitere Informationen:
http://www.hrk.de