Wie Lebensstrategien und Lebensräume die Regenerationsfähigkeiten von Salamandern beeinflussen
Salamander besitzen als einzige Landwirbeltiere die außergewöhnliche Fähigkeit Gliedmaßen oder Teile des Schwanzes nach dem Verlust zu regenerieren. Der Axolotl ist Modelorganismus für die Regenerationsforschung. Wie aber läuft die Regeneration in den vielen anderen Salamanderarten ab, die andere Lebens- und Fortpflanzungsweise haben? Eine neue Studie von Forschenden des Museums für Naturkunde Berlin, die kürzlich in der Fachzeitschrift Developmental Dynamics veröffentlicht wurde, konnte nun zeigen, dass Daten von Salamanderarten mit unterschiedlichen Lebensmustern und Lebensräumen unerlässlich sind, um die Regenerationsforschung bei Wirbeltieren voranzubringen.
Der Axolotl (Ambystoma mexicanum), ein in Mexiko heimischer Schwanzlurch, ist bekannt für seine eindrucksvolle Fähigkeit, verletzte oder verlorene Organe und Körperteile, wie zum Beispiel Teile des Gehirns, des Auges, der Wirbelsäule und des Herzens, aber auch Teile des Schwanzes und komplette Gliedmaßen immer wieder nachbilden zu können. Die Regenerationsforschung versucht die dafür zu Grunde liegenden Prozesse zu entschlüsseln. Dabei ist der Axolotl in den letzten hundert Jahren zum Wirbeltier-Modellorganismus für die Regenerationsforschung geworden. Allerdings ist der Axolotl ein sehr besonderer Salamander, denn er verbringt sein gesamtes Leben im Wasser und behält dabei viele typische Merkmale von Larven bei, wie z.B. die externen Kiemen und einen paddelförmigen Schwanz. Dies unterscheidet ihn stark von den meisten anderen Salamanderarten, die sich entweder von einer wasserlebenden Larve zu einem landlebenden Erwachsenentier entwickeln oder das Larvalstadium gänzlich auslassen.
Da der Großteil der Regenerationsforschung auf dem Axolotl beruht ist bisher nicht klar, welche Unterschiede es in den spezifischen Abläufen der Regeneration in den über 800 bekannten Salamanderarten geben könnte. Vor allem ist auch unklar, wie Faktoren wie unterschiedliche Lebensstrategien (Metamorphose, Direktentwicklung, Larvalstadium), Ökologie und Gliedmaßenfunktionen die Regenerationsfähigkeit im Laufe der Evolution beeinflusst und geformt haben. Deshalb lenkten Vivien Bothe und Nadia Fröbisch vom Museum für Naturkunde Berlin sowie Hendrik Müller von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und Neil Shubin von der University of Chicago den Fokus ihrer Forschung auf die Salamanderfamilie der Plethodontiden, welche sich durch ihre hohe Diversität auszeichnet. Für ihre Studie sammelten die Forschenden in den Appalachen in North Carolina (USA) sechs verschiedene Arten mit unterschiedlichen Lebensweisen und untersuchten diese hinsichtlich ihrer regenerativen Fähigkeiten.
„Bissverletzungen, verursacht durch Fressfeinde oder sogar Artgenossen, sind keine Seltenheit in freier Wildbahn. Während unserer Feldarbeit sind uns regelmäßig Salamander mit verwundeten Gliedmaßen oder Schwänzen begegnet,“ berichtet Vivien Bothe. Die Langzeitbeobachtungen sowie Laborexperimente dieser Studie zeigten, dass alle Arten in der Lage sind, solche zu heilen und verlorene Körperanhänge zu regenerieren. Der Aspekt der Untersuchungen in freier Wildbahn spielt für die Forschenden eine große Rolle. „Unsere Arbeit zeigt wie wichtig es ist zu verstehen, dass Regenerationsexperimente, welche im Labor unter kontrollierten Bedingungen stattfinden, und Regenerationsprozesse in natürlicher Umgebung, unterschiedliche Dinge sind. Das ist zum Beispiel daran auszumachen, dass Regenerate nach Bissverletzungen häufigere und auch schwerere Fehlbildungen verursachen als saubere Amputationen,“ ergänzt Vivien Bothe.
Des Weiteren fanden die Forschenden in ihrer Studie anhand anatomischer und histologischer Daten regenerierter Gliedmaßen heraus, dass es Korrelationen zwischen der Regenerationsgeschwindigkeit und dem Lebensraum zu geben scheint. So regenerieren felsenkletternde Arten beispielsweise schneller als solche, welche sich nur auf dem Waldboden oder hauptsächlich im Wasser aufhalten.
„Wir sind jetzt an einem Punkt in der Regenerationsforschung angelangt, an dem wir die fantastischen Einblicke, die wir durch die Forschung am Axolotl erhalten, durch Erkenntnisse an anderen Salamandern ergänzen sollten. Verschiedene Salamanderarten zeigen viele unterschiedliche Lebensweisen und leben in den unterschiedlichsten Habitaten. Nur durch Einbeziehung dieser Diversität können wir letztlich verstehen, welches die grundsätzlichen Mechanismen dieser enormen Regenerationsfähigkeit sind und welche spezifisch für bestimmte Arten sind“, so Nadia Fröbisch.
Die Ergebnisse der Studie liefern wertvolle Einblicke in die Regeneration. Sie zeigen, dass eine Einbeziehung von Nicht-Modelorganismen sowie die Einbeziehung des natürlichen und evolutiven Kontextes von Regeneration die Forschung auf diesem Gebiet in Zukunft entscheidend voranbringen kann.