ERC Synergy Grant für Kölner Linguistin Pamela Perniss
Fächerübergreifende Zusammenarbeit liefert Erkenntnisse über die Beziehung zwischen Denken und Sprache in verschiedenen Kulturen / Mit den ERC Synergy Grants des Europäischen Forschungsrates werden interdisziplinäre Gruppen von zwei bis vier exzellenten Forschenden ausgezeichnet
Die Kölner Linguistin Professorin Dr. Pamela Perniss ist gemeinsam mit drei Partner*innen vom Europäischen Forschungsrat (ERC) mit einem Synergy Grant ausgezeichnet worden. Durch die Synergy Grants werden exzellente Forscher*innen für die Dauer von sechs Jahren mit rund 10,5 Millionen Euro gefördert, die gemeinsam als Team an einem Projekt arbeiten. Perniss und ihre Partner*innen erhalten den Forschungspreis für ihr Projekt „The system of shape representations in cognition, development and across languages“ (SHAPE).
Professorin Perniss forscht und lehrt im Bereich Gebärdensprachlinguistik und leitet den Arbeitsbereich „Dolmetschen: Deutsche Gebärdensprache – Deutsch“ an der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln. Sie hat den Antrag gemeinsam mit Wissenschaftler*innen der Norwegian University of Science & Technology (Norwegen), der Indiana University Bloomington (USA) und des Structure et Dynamique des Langues Labs (SeDyL) (Frankreich) eingereicht. Zudem sind Forscher*innen der University of Missouri (USA) sowie der University of East Anglia (Vereinigtes Königreich) beteiligt. „Der ERC Synergy Grant ist ein großer Erfolg und verdeutlicht, dass an unserer Universität in internationalen Projekten Spitzenforschung auch in den Humanwissenschaften betrieben wird. Hierzu möchte ich Frau Kollegin Perniss herzlich gratulieren“, sagt Professor Dr. Joybrato Mukherjee, Rektor der Universität zu Köln.
Im Projekt SHAPE untersuchen die Wissenschaftler*innen die wechselseitigen Auswirkungen der Sprache auf das Denken beziehungsweise des Denkens auf die Sprache. Im Rahmen dieser speziellen Forschung geht es darum, die Beziehung zwischen der visuellen Wahrnehmung von Objektformen und ihrer Kodierung in den verschiedenen Sprachen der Welt darzustellen. Zudem identifizieren sie Faktoren, die bei Kindern mit atypischen Entwicklungsverläufen zu Schwierigkeiten in diesem Bereich führen.
SHAPE bündelt das Fachwissen von Expert*innen in den Bereichen Sehforschung, kindliche Entwicklung, Sprache und Kognition, Gebärdensprache sowie neurodiverse Bevölkerungsgruppen (Autismus und Sprachentwicklungsstörungen). Diese fächerübergreifende Zusammenarbeit wird den Beteiligten zufolge bedeutende empirische Fortschritte und eine einheitliche, disziplinübergreifende Theorieentwicklung ermöglichen. Eine solche Theorie würde die Sprachenvielfalt durch die sprach- und kulturübergreifende dynamische Interaktion von Sprache und kognitiven Systemen beschreiben.
Ein besonderer Fokus wird auf Objektform gelegt. Die Form ist eine zentrale räumliche Eigenschaft von Dingen und bestimmt wiederum, wie Dinge genutzt und wie mit ihnen umgegangen wird. Die abstrakten Eigenschaften der Form werden in den verschiedenen Sprachen der Welt, in Laut- und Gebärdensprachen, auf vielfältige Weise festgehalten – etwa in Objekt- und Kategoriennamen, Positionsverben (zum Beispiel der Unterschied zwischen ‚Das Buch steht vs. liegt auf dem Tisch‘) oder Nominalklassifikatoren (zum Beispiel der Klassifikator ‚tiao‘ im Chinesischen für den Bezug auf lange, dünne Objekte wie Schlange, Fluss, Schal; oder die Klassifikatorhandform mit ausgestrecktem Zeigefinger, für lange, dünne Objekte wie Baum, Pfahl, Stift oder Person in der Deutschen Gebärdensprache (DGS)). In der frühkindlichen Wahrnehmungs- und kognitiven Entwicklung sind die visuelle Formwahrnehmung und die Repräsentation von Formen von Natur aus mit dem frühen Spracherwerb verwoben und voneinander abhängig.
Kinder mit atypischen Entwicklungsverläufen zeigen Entwicklungsstörungen sowohl in der Formwahrnehmung als auch in der Sprache, die erhebliche lebenslange Folgen haben können. Obwohl diese umfassende Bedeutung der Form bekannt ist, gibt es bisher keine theoretische Erklärung dafür, welches System dem zugrunde liegt. Zudem haben Forschende das Thema bislang nicht durch die Integration von Erkenntnissen und Methoden aus verschiedenen Disziplinen angegangen.
Die Wissenschaftler*innen des Projekts SHAPE gehen davon aus, dass die Objektform einen besonderen Status in den menschlichen Repräsentationssystemen einnimmt - bei der Wahrnehmung, Nutzung und Beurteilung von Objekten und bei der Organisation der Strukturen der Sprachen der Welt -, und als solche ein Schlüssel zum Verständnis der menschlichen Intelligenz und ihrer Entwicklungsverläufe ist.
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