EU-Spitzenforschung zu historischen Pestausbrüchen: Was wir aus der Geschichte über Epidemien lernen können
Die JLU-Klimatologin Dr. Elena Xoplaki erhält einen hochangesehenen ERC Synergy Grant für das multidisziplinäre Forschungsprojekt EUROpest zur Entstehung von Epidemien
Unter welchen sozialen und ökologischen Bedingungen bilden sich Epidemien? Dieser komplexen Frage geht ein multidisziplinäres Forschungsteam anhand der verheerenden Pestausbrüche in Europa im Zeitraum von 1300 bis 1800 nach. Die Klimatologin Dr. Elena Xoplaki vom Zentrum für Entwicklung und Umwelt (ZEU) und Institut für Geographie der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) hat gemeinsam mit drei anderen internationalen Forschenden einen der begehrten Synergy Grants des Europäischen Forschungsrats (ERC) eingeworben. Das Projekt EUROpest hat ein Volumen von zehn Millionen Euro, auf die JLU entfallen davon rund 2,18 Millionen Euro.
Die vier Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und ihre Teams arbeiten schon seit Jahren interdisziplinär zusammen. Sie möchten nun mit Hilfe ihrer unterschiedlichen fachlichen Perspektiven ein multikausales Verständnis der Übertragung von Krankheiten und deren Auswirkungen auf soziale Systeme und Ökosysteme erhalten. Als Labor nutzen sie die gut dokumentierte und äußerst vielfältige Welt des spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Europas, um die klimatische, kulturelle, demografische, wirtschaftliche, ökologische und medizinische Geschichte der Pest zu betrachten.
„EUROpest geht wichtige Herausforderungen an, denn die Ergebnisse dieses Projekts können zu unserem Verständnis heutiger epidemischer Krankheiten beitragen“, sagt Dr. Elena Xoplaki. Sie und ihr Team werden innovative Modellierungsansätze, Simulationen und KI-gestützte Multi-Proxy-Klimarekonstruktionen für Europa vorantreiben.
Der neuartige multidisziplinäre Ansatz von EUROpest verbindet Methoden der Sozial- und Naturwissenschaften miteinander. Regionale Fallstudien werden in West- sowie Osteuropa durchgeführt – unter anderem in Spanien, Litauen, Griechenland und England. Die Forschenden betrachten die Pestausbrüche ganzheitlich, um zu verstehen, wie der Kontext die Ausbrüche sowohl begünstigte als auch prägte und welche kurz- und mittelfristigen Auswirkungen sie hatten. Dazu kombinieren sie die Analyse archivarischer Quellen mit Archäologie, Archäogenetik, Paläoökologie und Paläoklimatologie. Zudem unterziehen sie die Fallstudien einem neuartigen, vom Menschen überwachten maschinellen Lernen, um die kausale Rolle von Faktoren zu ermitteln, die die Entwicklung der Pest beeinflussen. Ihr Ziel ist es, ein allgemeines theoretisches Modell zur Entstehung von Epidemien zu entwickeln und zu validieren.
EUROpest wird von der Universität Warschau (Polen) koordiniert. Neben der JLU sind die Max-Planck-Gesellschaft und die Georgetown-Universität in Washington, D.C. (USA) beteiligt. Weitere Partner stammen aus Polen, Lettland, Spanien, Deutschland und Frankreich.
Der Europäische Forschungsrat (European Research Council, ERC) ist die führende europäische Förderorganisation für exzellente Pionierforschung. Mit den ERC Synergy Grants fördert er Teams von zwei bis vier vielversprechenden Forschenden. Die Projekte sollen zu Entdeckungen an den Schnittstellen zwischen etablierten Disziplinen zu substanziellen Fortschritten an den Grenzen des Wissens führen und nur durch die beteiligten Forschenden möglich sein. Von ursprünglich 548 Anträgen wurden lediglich 57 bewilligt.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Elena Xoplaki
Zentrum für internationale Entwicklungs- und Umweltforschung (ZEU) /
Institut für Geographie
Telefon: 0641 99-36212
E-Mail: Elena.Xoplaki@geogr.uni-giessen.de