Synergy Grant des Europäischen Forschungsrats ERC geht an Pflanzenwissenschaftler*innen aus Europa und Australien
HU-Biologin Kerstin Kaufmann ist leitende Forscherin des ERC-Projekts zur Entschlüsselung komplexer Musterbildungsprozesse in biologischen Systemen
Eine Gruppe von Pflanzenwissenschaftler*innen aus Europa und Australien erhält den renommierten Synergy Grant des Europäischen Forschungsrats ERC in Höhe von 10 Millionen Euro. Das Forschungsvorhaben RESYDE (Re-engineering symmetry breaking in development and evolution) wird durch Prof. Dr. Kerstin Kaufmann vom Institut für Biologie der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) koordiniert und widmet sich einer der komplexesten Fragestellungen in den Biowissenschaften: Wie bringen vielzellige Organismen ihre Form hervor. Das Projekt RESYDE will die Prozesse der Symmetriebrechung in der Pflanzenentwicklung am Beispiel von Blüten der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) entschlüsseln und verschiedene Methoden kombinieren, um ein dynamisches, virtuelles Modell der sich entwickelnden Blüte zu erschaffen.
Symmetriebrechung: grundlegendes biologisches Phänomen bei mehrzelligen Organismen
Symmetriebrechung bezeichnet den Prozess, bei dem sich aus einer symmetrischen, homogenen Struktur Muster entwickeln, die zu Zellen und Geweben mit unterschiedlichen Formen und Funktionen führen. Dieses grundlegende biologische Phänomen ist bei allen mehrzelligen Organismen von entscheidender Bedeutung. Beispielsweise entwickelt sich aus einer einzelnen befruchteten Eizelle ein menschlicher Körper oder aus einer Gruppe identischer Pflanzenzellen unterschiedliche Blütenorgane. In Pflanzen werden Symmetriebrechungsprozesse durch eine Vielzahl von Mechanismen gesteuert, unter anderem durch Gen- und Hormon-Regulation und durch die direkte Kommunikation zwischen den Zellen. All diese Mechanismen sind wichtig, um zu verstehen, wie Pflanzen ihre endgültigen Strukturen aufbauen.
Grundlagenforschung mit Bedeutung für regenerative Medizin und Landwirtschaft
„Indem wir uns mit der komplexen Dynamik der Symmetriebrechung befassen, hat diese Forschung das Potenzial, neue Forschungswege in der Pflanzenentwicklung und Evolutionsbiologie zu eröffnen“, sagt Prof. Dr. Kerstin Kaufmann. Auch wenn es bereits substanzielle Fortschritte auf diesem Forschungsgebiet gibt – es ist eine immense Herausforderung solche biologischen Entwicklungsprozesse zu modellieren und nachzubilden. Forschungserkenntnisse auf diesem Gebiet werden nicht nur unser grundlegendes Verständnis der Pflanzenbiologie voranbringen, sie sind auch von entscheidender Bedeutung für die Weiterentwicklung der regenerativen Medizin und für Fortschritte in der Landwirtschaft.
Expertise aus vier Universitäten ermöglicht vielversprechenden multidisziplinären Ansatz
Die auf sechs Jahre angelegte Partnerschaft zur Erforschung dieser Musterbildungsprozesse führt Prof. Dr. Kerstin Kaufmann vom Institut für Biologie der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) an. Sie koordiniert das Projekt, bei dem Wissenschaftler*innen der HU mit Kolleg*innen der Universität Sydney (Australien), dem Sainsbury Laboratory der Universität Cambridge (Großbritannien) und der Universität Umeå (Schweden) zusammenarbeiten.
Um die Beantwortung der Fragen mit einem multidisziplinären Ansatz anzugehen, setzen die Forschungsteams auf die Expertise in den einzelnen Instituten: HU-Biologin Kerstin Kaufmann hat bereits Fortschritte beim Verständnis genregulatorischer Netzwerke in der sich entwickelnden Blüte gemacht; Associate Professor Marcus Heisler (Universität Sydney) hat Live-Imaging- und fortgeschrittene experimentelle Ansätze entwickelt; Professor Henrik Jönsson (Universität Cambridge) hat eine Computer-Plattform aufgebaut, welche die Zelldynamik und die Modellierung eines zentralen regulatorischen Netzwerks integriert, das die Blütenmusterbildung steuert, und Professor Stephan Wenkel (Universität Umeå) hat innovative proteinbasierte Werkzeuge für die synthetische Biologie identifiziert. Gemeinsam wollen sie ein komplexes Entwicklungssystem – die Blüte – virtuell neu gestalten.
„Unsere Vision, die evolutionären Veränderungen der Blütenstruktur auf der mechanistischen Ebene besser zu verstehen, können wir nur durch die Kombination unserer Expertise verwirklichen. Dazu zählen genetische, molekulare, Live-Bildgebungs-, KI- und Computer-Modellierungstechniken sowie solche der synthetischen Biologie“, sagt Kerstin Kaufmann.
Über Prof. Dr. Kerstin Kaufmann
Kerstin Kaufmann ist Professorin für Pflanzliche Zell- und Molekularbiologie am Institut für Biologie der Humboldt-Universität zu Berlin. Ihre Arbeitsgruppe versucht zu verstehen, wie die Entwicklungsprozesse der Pflanze durch Transkriptionsfaktoren in Wechselwirkung mit epigenetischen Regulatoren gesteuert werden. Dafür untersuchen sie die molekularen Wirkweisen und genregulatorischen Netzwerke regulatorischer Proteine am Beispiel der Blütenentwicklung der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana).
Über das Förderformat ERC Synergy Grants
Der ERC Synergy Grant ist eine Förderinitiative, die kleine Wissenschaftler*innenteams zusammenbringt und dabei unterstützt, die Grenzen des Wissens zu einigen der dringendsten Forschungsherausforderungen der Welt in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen zu erweitern. Forschende werden ermutigt, ihre unterschiedlichen Fähigkeiten, Kenntnisse und Ressourcen zu kombinieren, um neue Methoden und Techniken zu entwickeln. Das Förderprogramm ist Teil des Forschungs- und Innovationsprogramms Horizont Europa der Europäischen Union.
Weitere Informationen
Pressemitteilung des Europäischen Forschungsrats: https://erc.europa.eu/news-events/news/erc-2024-synergy-grants-results
Porträtfoto von Kerstin Kaufmann zum Download: https://www.hu-berlin.de/de/pr/medien/pressemitteilungen-pdf-datei/bildmaterial/kerstin_kaufmann_portraet_04-11-2024_stefan_klenke-4147.jpg/view
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Kerstin Kaufmann
Institut für Biologie der Humboldt-Universität zu Berlin
E-Mail: kerstin.kaufmann@hu-berlin.de