Ersatzmethoden für Tierversuche: Land fördert Forschung am KIT
In der Medizin der Zukunft könnten personalisierte Computermodelle, sogenannte virtuelle menschliche Zwillinge, bei der Planung individueller Therapien helfen. Schon heute lassen sich menschliche Organe auf Chips und in Petrischalen abbilden: Forschende arbeiten an computergestützten Methoden und In-vitro-Technologien, die Tierversuche reduzieren oder sogar ersetzen sollen. Das neue 3R-Zentrum 3ROCKIT des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) treibt die Arbeit an solchen Ersatzmethoden voran. Ab 1. Januar 2025 wird es vom Land Baden-Württemberg in das landesweite 3R-Netzwerk aufgenommen und mit 100.000 Euro jährlich für drei Jahre gefördert.
3ROCKIT (steht für: Replace Reduce Refine Organismal Research by Computational and Cellular technologies@KIT) verfolgt in seinem Konzept ein 6R-Prinzip: Zusätzlich zu den 3R-Vorhaben Tierversuche zu reduzieren (Reduce), zu ersetzen (Replace) oder zu verbessern (Refine), soll sichergestellt werden, dass alle Versuchspläne statistisch robust sind (Robustness), alle Versuche registriert (Registration) und auch negative Ergebnisse veröffentlicht werden (Reporting).
Das Zentrum unter der Leitung von Dr. Nicole Jung ist im KIT-Zentrum Health Technologies (KITHealthTech) angesiedelt, in dem Forschende fachübergreifend an digitalen und technologischen Lösungen für das Gesundheitssystem arbeiten. „Die Entwicklung von Technologien für den Ersatz von Tierversuchen ist ein wichtiger Baustein für zukunftsfähige Forschung etwa in den Naturwissenschaften und in der Medizin“, sagt Professor Oliver Kraft, Vizepräsident Forschung des KIT. „Die Förderung von 3ROCKIT im landesweiten 3R-Netzwerk zeigt, dass wir am KIT die richtigen Weichen gestellt haben.“
Eine zentrale Rolle spielen bei 3ROCKIT digitale Technologien und tiefe neuronale Netzwerkalgorithmen. Die sechs Forschungsbereiche des 3R-Zentrums arbeiten unter anderem mit Computermodellen und Künstlicher Intelligenz (KI) an der Erstellung von Digitalen Zwillingen, um die personalisierte Medizin voranzutreiben, an der Konstruktion von Biomaterialien und an der Weiterentwicklung intelligenter chirurgischer Assistenzsysteme. „Der Einsatz Künstlicher Intelligenz hat eine neue Dimension für die 3R-Forschung eröffnet, und ermöglicht es, schneller hochpräzise Ergebnisse zu liefern und die Zahl der eingesetzten Tiere stark zu reduzieren“, sagt Professorin Ute Schepers, Sprecherin des KIT-Zentrums Health Technologies.
Wirkstoffe und Therapien digital simulieren
So ermöglichen digitale Methoden beispielsweise, die Wirkung von Chemikalien auf Zellfunktionen vorherzusagen und ihre biologische Verteilung und Wirkung im Körper zu berechnen. Ein eigener Bereich widmet sich Trainingsdatensätzen für den „virtuellen menschlichen Zwilling“: Mit solchen personalisierten Computermodellen von Patientinnen und Patienten lassen sich Risiken besser einschätzen und Therapien individuell anpassen.
Forschende arbeiten in 3ROCKIT auch an KI-basierten autonomen Laboren zur Herstellung von in-vitro Methoden wie „Organ on a chip“-Technologien und Organoiden, dreidimensionalen, gewebeartige Strukturen. Beide Verfahren erlauben es, physiologische Vorgänge außerhalb eines Körpers mit Zellen von Patientinnen und Patienten nachzuvollziehen. Im „3D Printing Center“ werden zudem Ressourcen für die Herstellung von 3D-Drucken gebündelt, die für Materialien wie Polymere, Metalle, Glas und sogar Gewebe eingesetzt werden können.
Im 3R-Netzwerks Baden-Württemberg sind damit künftig insgesamt acht Einrichtungen des Bundeslandes zusammengeschlossen, die mit unterschiedlichen Ansätzen an alternativen Versuchsmethoden arbeiten. Neben dem KIT werden künftig auch die Hochschule Furtwangen und die Universität Ulm gefördert.
Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 10 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 22 800 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Antje Karbe, Presse Referentin, Tel.: +49 721 608-41186, E-Mail: antje karbe@kit.edu
Weitere Informationen:
http://Weitere Informationen zum 3R-Netzwerk Baden-Württemberg:
https://mwk.baden-wuerttemberg.de/de/forschung/forschungslandschaft/tierschutz-und-forschung-3r-netzwerk-bw
http://Film des MWK zum 3R-Netzwerk Baden-Württemberg:
https://www.youtube.com/watch?v=4S_erDbxV7k
http://KIT-Zentrum 3ROCKIT: https://www.healthtech.kit.edu/370.php
http://KITHealthTech: https://www.healthtech.kit.edu/index.php