Neue ERC Synergy Grants für die LMU
Drei Forschende der LMU haben mit internationalen Teams prestigeträchtige Synergy Grants des Europäischen Forschungsrats eingeworben. Im Mittelpunkt der geförderten Projekte stehen die innere Uhr von Bakterien, die Entstehung des Lebens und Exoplaneten.
Gleich drei Forschende der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) gehören zu internationalen Forscher-Teams, die mit einem Synergy Grant ausgezeichnet werden, einem der angesehensten Wissenschaftspreise des Europäischen Forschungsrats (ERC). Mit dem hochkompetitiven Grant werden zukunftsweisende Projekte gefördert, die nur durch interdisziplinäre Zusammenarbeit von zwei bis vier Teams von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu bewältigen sind und zu „Fortschritten an der Grenze des Wissens“ führen. Die Fördersumme pro Projekt beträgt bis zu 14 Millionen Euro für eine Laufzeit von bis zu sechs Jahren.
Die Chronobiologin Professorin Martha Merrow vom Institut für Medizinische Psychologie koordiniert ein trinationales Verbundvorhaben zur inneren Uhr des Bakteriums Bacillus subtilis. Dieser Synergy Grant ist der erste für die Medizinische Fakultät der LMU. An den beiden weiteren Synergy Grants sind Forschende der Fakultät für Physik beteiligt: Dieter Braun, Professor für Systembiophysik, ist Teil eines Teams, das die molekularen Grundlagen der Entstehung des Lebens untersucht. Der Astrophysiker Professor Kevin Heng erhält die Auszeichnung als Teil eines Teams, das die physikalischen und chemischen Eigenschaften von Exoplaneten erforscht.
Die innere Uhr von Bakterien
Professorin emerita Martha Merrow war bis 2023 Direktorin des Instituts für Medizinische Psychologie der LMU, wo sie aktuell die Forschungsgruppe „Molekulare Chronobiologie“ leitet. Merrow, eine der weltweit führenden Chronobiologinnen, ist Expertin für die Regulation der circadianen Uhr von Mikroorganismen und höheren Lebewesen bis hin zum Menschen.
Die Chronobiologie befasst sich mit biologischen Uhren, in diesem Fall der Tages- oder circadiane Uhr. Circadiane Uhren regulieren einen Großteil der Physiologie und des Verhaltens von Organismen im gesamten Spektrum, von einfach bis komplex. Merrows Arbeitsgruppe hat grundlegende molekulare und genetische Mechanismen aufgeklärt, wie die circadiane Uhr von Mikroorganismen und höheren Lebewesen bis hin zum Menschen reguliert wird. Fragen wie und warum jemand ein Frühaufsteher (Lerche) oder ein Langschläfer (Eule) ist, sind z.B. ihre Expertise.
Im mit insgesamt 8,3 Millionen Euro über sechs Jahre geförderten ERC Synergy Projekt MicroClock (The Bacillus subtilis circadian clock: from molecules to mutualism) wird Merrow als Sprecherin zusammen mit Partnern in England (Professor Antony Dodd, John Innes Centre, Norwich) und den Niederlanden (Professor Ákos T. Kovács, Universität Leiden) untersuchen, wie die zirkadiane Uhr in einem Bakterium (Bacillus subtilis) funktioniert und wie diese Uhr die inneren Uhren in Pflanzen und in Hefe beeinflusst. Das Projekt ist der erste Synergy Grant im Bereich Chronobiologie. Die Uhr in B. subtilis ist hauptsächlich dann aktiv, wenn die Bakterien einen vielzelligen Komplex bilden, einen sogenannten Biofilm. Dies ist sowohl für ökologische als auch für pathologische Situationen relevant. „Unsere Ergebnisse werden daher über die Grundlagenbiologie hinaus von großer Bedeutung sein und könnten beispielsweise für den Zeitpunkt der Antibiotikagabe bei Patienten oder für die Optimierung klinischer Zustände, die durch das Mikrobiom vermittelt werden, von großer Relevanz sein“, sagt Merrow, unter deren Federführung das Projekt durchgeführt wird.
Ursprung des Lebens in heißen Gasbläschen
Prof. Dr. Dieter Braun ist Professor für Systembiophysik an der LMU sowie Mitglied im Exzellenzcluster Origins und Sprecher des Sonderforschungsbereichs “Molecular evolution in prebiotic environments”. Seine Forschung beschäftigt sich mit den molekularen Grundlagen für die Entstehung des Lebens.
Es ist eines der größten Rätsel der Menschheit, für das es nach wie vor keine eindeutigen wissenschaftlichen Antworten gibt: Der Ursprung des Lebens. Welche Bedingungen mussten auf der jungen Erde herrschen, damit Moleküle sich zu den Vorstufen organischen Lebens verbanden und den Beginn der biologischen Evolution einläuteten?
BubbleLife (From RNA-peptide coevolution to cellular life at heated air bubbles) hat das Ziel, Antworten auf diese grundlegende Frage zu finden. Dieter Braun leitet gemeinsam mit Professor Hannes Mutschler von der Technischen Universität Dortmund das mit 6 Millionen Euro über sechs Jahre geförderte neue Projekt. „Wir sind ein interdisziplinäres Team aus den Bereichen Chemie, Physik und Biochemie und haben in der Vergangenheit bereits sehr erfolgreich zusammengearbeitet“, sagt der Physiker.
Frühere Experimente haben gezeigt, dass ein Faktor eine entscheidende Rolle in der frühen Entwicklung des Lebens gespielt haben könnte: Gasbläschen die einseitig erwärmt erhitzt werden. An ihrer Oberfläche verdunstet Wasser und saugt die Moleküle an. Diese Bedingungen sind optimal dafür, dass aus dem Zusammenspiel der richtigen Moleküle ein evolutionärer Prozess entsteht, der schließlich zu zellähnlichen Strukturen führt. So könnten sich aus einzelnen RNA-Bausteinen erstmals selbsterhaltende Replikationsnetzwerke gebildet haben. Gleichzeitig könnten Aminosäuren zu komplexeren Peptiden verbunden worden sein, während Lipide Membranvesikel bildeten, die diese Vorläufer von Transkription und Translation einkapselten.
BubbleLife will diese Hypothesen zusammenführen und experimentell überprüfen. „Wir verfolgen den Weg von der darwinistischen Evolution von RNA und Peptiden bis hin zur Entstehung der ersten Zellen“, so Braun. Dabei wird dieser Prozess, der sich vermutlich über Jahrmillionen erstreckte, im Reagenzglas innerhalb weniger Wochen simuliert. „Unser Ziel ist es, all dies in einer konsistenten Umgebung mit einer kleinen Auswahl an Ausgangsmolekülen nachzubilden.“ Die fächerübergreifende Arbeit des Teams soll schließlich in künstlich erzeugten „Protozellgeneratoren“ münden, die sowohl primitive RNA-Replikatoren als auch moderne Systeme der Transkription und Translation speisen und einkapseln. „BubbleLife wird hoffentlich unser Verständnis vom Ursprung des Lebens auf der Erde und möglicherweise auch anderswo im Universum grundlegend verändern“, meint Dieter Braun.
Eigenschaften felsiger Exoplaneten
Prof. Dr. Kevin Heng ist Lehrstuhlinhaber für Theoretische Astrophysik extrasolarer Planeten an der LMU und Mitglied im Exzellenzcluster ORIGINS. Der aus Singapur stammende Forscher studierte Astrophysik in Colorado und wechselte dann an das legendäre Institute for Advanced Study in Princeton. Danach leitete Heng das Center for Space and Habitability der Universität Bern, bis er im Jahr 2022 an die LMU kam.
Allein in unserer Galaxie gibt es vermutlich Milliarden von felsigen Planeten, die sonnenähnliche Sterne umkreisen. Um diese besondere Art von Exoplaneten zu verstehen, fehlen jedoch Informationen über ihre Atmosphären, über die chemischen Elemente, aus denen sie bestehen, und über die geodynamischen Prozesse auf ihrer Oberfläche und im Inneren. Um diese vielfältigen Fragestellungen umfassender angehen zu können, ist der LMU-Astrophysiker Kevin Heng nun gemeinsam mit seinen Kollegen Prof. Stephen Mojzsis (Sprecher, HUN-REN Research Centre for Astronomy and Earth Sciences) und Prof. Fabrice Gaillard (CNRS Orleans) für das Projekt GEOASTRONOMY mit einem mit 10 Millionen Euro über sechs Jahre geförderten ERC Synergy Grant ausgezeichnet worden.
Die drei Forscherteams wollen dabei Grundlagen der Astrophysik mit denen der Geowissenschaften verbinden. Astronomische Datenanalyse soll mit planetarer Geochemie, experimenteller Petrologie und atmosphärischer Physik/Chemie kombiniert werden. Die neue Idee dabei ist, nicht wie bisher solche Systeme zunächst theoretisch zu modellieren, sondern die geologische Geschichte eines Exoplaneten mithilfe spektroskopischer Beobachtungen seiner Atmosphäre zu entschlüsseln. Um die Vorteile der Fernbeobachtung solcher Atmosphären mit Teleskopen der nächsten Generation nutzen zu können, wollen die beteiligten Forschergruppen verstehen, wie und warum Exoplaneten ihre physikalischen und chemischen Eigenschaften entwickelt haben. Die Arbeiten konzentrieren sich auf drei Kategorien von Exoplaneten, die sonnenähnliche Sterne umkreisen: Sub-Neptune (Exoplaneten, die kleiner als Neptun sind), Super-Erden (Exoplaneten, die etwas größer als die Erde sind) und sogenannte „ultrakurzperiodische“ (USP) Exoplaneten, die möglicherweise Magmaozeane und Atmosphären besitzen. Datensätze etwa des James-Webb-Weltraumteleskops liefern bereits Hinweise, dass diese drei Kategorien jeweils spezifische Atmosphären aufweisen. „Unser Ziel ist es, für diese drei Typen felsiger Exoplaneten die chemischen Grundlagen zum Verständnis ihrer Atmosphären zu schaffen und die Erkenntnisse der Exoplaneten-Gemeinschaft zur Verfügung zu stellen“, sagt Kevin Heng.