Gene der Walderdbeere schützen vor Kälte
Mit dem Klimawandel verschieben sich die Jahreszeiten, Nutzpflanzen geraten damit an ihre Grenzen. So kann ein plötzlicher Frost im späten Frühjahr beispielsweise Erdbeeren im Beet schaden. Wildarten dagegen weisen oft eine höhere Resilienz auf. Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und Partner haben die Kältereaktionen von Walderdbeeren entschlüsselt, um so resistentere Züchtungen zu ermöglichen. Ihre Ergebnisse haben sie im Journal of Experimental Botany veröffentlicht (DOI: 10.1093/jxb/erae263).
Nutzpflanzen wurden in der Vergangenheit primär gezüchtet, um den Ertrag zu steigern – auf Kosten ihrer Widerstandsfähigkeit. „Durch den Klimawandel fällt es selbst der modernen Landwirtschaft immer schwerer, die fehlende Widerstandsfähigkeit der Nutzpflanzen durch Düngung und Feldpflege aufzufangen“, sagt Professor Peter Nick vom Joseph Gottlieb Kölreuter Institut für Pflanzenwissenschaften des KIT. „Wildpflanzen und deren Resilienzgene werden für die Landwirtschaft deshalb immer wichtiger.“ Sein Team untersuchte die Kälteresistenz von Walderdbeeren (Fragaria vesca) und schaffte damit die Voraussetzung für zukünftige resilientere Züchtungen. Dazu nutzten die Forschenden die Genbank Südwest im Netzwerk „Wildpflanzen mit Nutzungspotenzial für Ernährung und Landwirtschaft“.
Ursachen für Widerstandskraft entschlüsselt
Über eine vergleichende Studie haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zunächst kältetolerante und -empfindliche Genotypen von Walderdbeeren identifiziert. Ein Paar von Genotypen, die hinsichtlich ihrer Kälteempfindlichkeit gegensätzlich sind, machte es möglich, physiologische, biochemische, molekulare und metabolische Prozesse zu erkennen, die mit Kältetoleranz zusammenhängen. „Wir konnten spezifische Unterschiede im Umgang mit Kältestress beobachten“, so Nick. Zum einen seien dies Unterschiede, die bereits vor dem Stress zu beobachten sind. „Gewisse kälteregulierte Gene werden im kältetoleranten Genotyp viel stärker ausgelesen. Diese sorgen für die Produktion von Proteinen, die als zelleigenes Frostschutzmittel wirken und die Membran vor Gefrierschäden schützen“, erläutert der Botaniker. Zum anderen gebe es aber auch Unterschiede, die erst durch den Kältestress verursacht werden. Dieser sei für die Pflanze zunächst nicht mehr als ein physikalisches Signal, erläutert Nick: „Durch die Kälte wird die Membran der Pflanzenzelle steifer, was Auswirkungen auf Transportvorgänge und Enzymaktivität hat.“ Dieses physikalische Signal müsse anschließend effektiv in ein chemisches Signal umgewandelt werden und den Zellkern erreichen. „Wir haben nun Gene identifiziert, die bei dieser Kältesignalkaskade besonderer Bedeutung haben und für die erfolgreiche Reaktion der robusten Walderdbeere sorgen“, so Nick.
Kälteresiliente Erdbeeren auch in der Zuchtform
Für die Landwirtschaft seien die Erkenntnisse der Studie von großem Wert. „In Zukunft können wir auf Basis dieser Ergebnisse Kulturerdbeeren züchten, die beispielsweise das Frostschutz-Protein verstärkt bilden. Dafür müssen wir keine Gentechnik hinzuziehen, sondern können auf natürliche Weise kreuzen. Auf Basis unseres molekularen Wissens können wir sehr schnell die dafür passenden Individuen aussuchen. Für Nick zeigt die Studie darüber hinaus die Bedeutung von Genbanken: „Das Beispiel der Walderdbeere zeigt, dass wir die Landwirtschaft durch die Analyse von Wildarten zukünftig nachhaltiger und resilienter gestalten können.“
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Originalpublikation:
Adnan Kanbar, Christoph Hubertus Weinert, David Kottutz, La Thinh, Eman Abuslima, Farida Kabil, Mohamed Hazman, Björn Egert, Bernhard Trierweiler, Sabine Emma Kulling, Peter Nick: Cold tolerance of woodland strawberry (Fragaria vesca) is linked to Cold Box Factor 4 and the dehydrin Xero2. Journal of Experimental Botany, Volume 75, Issue 18, 27 September 2024. DOI: 10.1093/jxb/erae263.
https://academic.oup.com/jxb/article/75/18/5857/7716397?login=true