Hoffnung im Kontext des Klimawandels und der globalen Krise
Die bekannte Philosophin Prof. Dr. Corine Pelluchon von der Université Gustave Eiffel in Paris hat am 20. November 2024, dem Dies academicus des Instituts für Evangelische Theologie der Universität Koblenz, vor zahlreichen Besucher*innen aus Universität und Stadtgesellschaft einen Vortrag zum Thema „Hoffnung im Kontext des Klimawandels und der globalen Krise“ gehalten.
Bereits 2023 war zu diesem Thema ihr Buch „Durchquerung des Unmöglichen. Hoffnung in Zeiten der Klimakrise“ erschienen, das ein Jahr später bereits in dritter Auflage vorliegt.
Nach einem Grußwort der Vizepräsidentin für Forschung und Transfer der Universität Koblenz, Prof. Dr. Claudia Quaiser-Pohl, und der Vorstellung durch Prof. Dr. Michaela Bauks vom Institut für Evangelische Theologie, entfaltete die Pariser Philosophin ihr besonderes Konzept von Hoffnung.
Hoffnung oder Zuversicht, im Französischen espérance, gilt Pelluchon als die Fähigkeit, die Gegenwart in der Zukunft zu sehen und im Chaos der Gegenwart die Vorboten einer sozialen Bewegung zu erkennen, die diese trotz der Kräfte, die sich ihr entgegenstellen, begleitet und unterstützt. Aus diesem Grund unterscheidet sich die Hoffnung vom Optimismus, der ein Zeichen der Verleugnung und eine Haltung ist, die glauben lässt, dass man die Situation unter Kontrolle hat.
Die Hoffnung ist kein psychologisches Merkmal, sondern eine Tugend. Aus diesem Grund unterscheidet sie sich auch von einer persönlichen Erwartung, die im Französischen mit dem Wort espoir ausgedrückt wird. L’espérance setzt die Vision einer Zukunft voraus, die nicht festgelegt ist, aber bevorsteht, während l‘espoir mit einer persönlichen und bestimmten Erwartung verbunden ist und sich oft auf eine Projektion bezieht. So wie die Tugend des Mutes bei Aristoteles nicht bedeutet, die Angst zu beseitigen, sondern durch sie hindurchzugehen, um eine angemessene Haltung zu finden, so bedeutet Hoffnung (espérance), dass man die Gefahr nicht verleugnet und seinen Grenzen und seiner Fehlbarkeit ins Auge sieht. Aber als eine theologische Tugend erfordert sie viel mehr als einen Prozess der Selbsttransformation wie bei Aristoteles. Sie setzt eine besondere Erfahrung, die Transdeszendenz, voraus, die das Bewusstsein der Zugehörigkeit zu einer gemeinsamen Welt verkörpert, die Verbundenheit mit anderen und gleichzeitig die eigene Sterblichkeit spüren lässt, was sowohl die Ursache für das Umweltbewusstsein ist, als auch eine die Psyche überflutende Angst erzeugen kann. Unter Bezugnahme auf ihr neues Buch, das sie gerade in Frankreich veröffentlicht hat, L'être et la mer. Pour un existentialisme écologique (PUF, 2024), betont Pelluchon die Komplexität des Menschen.
Für Pelluchon ist die gegenwärtige ökologische und klimatische Situation, die unser Überleben bedroht und uns zwingt, viele unserer Gewissheiten in Frage zu stellen, paradoxerweise der Moment, um von Hoffnung zu sprechen. Sie lässt erkennen, was man vorher nicht erkannt hat. Diese Fähigkeit setzt jedoch voraus, dass man falsche Hoffnungen und Illusionen, insbesondere über sich selbst, verloren hat. In diesem Sinne zeigte Pelluchon, dass Hoffnung, die die Offenheit für das Unerwartete und Unerwartete ist, die Erfahrung von Negativität und sogar das Durchqueren des Unmöglichen, das Akzeptieren von Verlusten und die Konfrontation mit der eigenen Fehlbarkeit voraussetzt. Aber wenn Hoffnung, wie Bernanos sagt, „überwundene Verzweiflung“ ist, müsse man zugleich bedenken, dass Verzweiflung eine zerstörerische Dialektik besitzt und oft zu Ressentiments und der Tyrannei des Guten führt.
Pelluchon beleuchtete die ethische und politische Dimension der Hoffnung und erläuterte die Gründe, warum Menschen heute versucht sind, ihr Gefühl der Ohnmacht in Allmacht umzuwandeln, was die Verführung durch die vereinfachenden Diskurse der extremen Rechten, die Polarisierung und den Präsentismus oder die Konsumsucht erklärt. Für Pelluchon sind eine Politik der Nüchternheit und eine demokratische Antwort auf die heutigen Herausforderungen nur möglich, wenn man von den planetaren Grenzen und der Tatsache ausgeht, dass die aktuellen Entscheidungen Verzicht bedeuten, der im Voraus festgelegt werden muss, damit er akzeptabel wird und gerecht geteilt werden kann.
Zum Abschluss ihres auf Deutsch gehaltenen Vortrags erklärte sie, warum die der Hoffnung eigene Energie zwar stark, aber weder spektakulär noch pathologisch ist. Sie besitzt wie die Utopie eine transformative Kraft. Gestützt auf eine Unterscheidungsfähigkeit, die durch eine gewisse Weisheit verliehen wird, die auf Allmacht verzichtet, zeigt sie Aufmerksamkeit für den Kontext. Die Pariser Philosophin beendete ihren Vortrag mit einer von Hannah Arendt inspirierten Reflexion über die Liebe zur Welt, die aus der Dankbarkeit für das Gegebene und der Anerkennung des Glücks entsteht, in einer Welt zu leben, die Raum für Pluralität bietet.
Im Anschluss an den Vortrag nutzten zahlreiche Teilnehmer*innen die Gelegenheit, mit dem französischen Gast zu diskutieren. Veranstaltet wurde der öffentliche Vortrag durch das Institut für Evangelische Theologie der Universität Koblenz.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Michaela Bauks
Universität Koblenz
Institut für Evangelische Theologie
Universitätsstr. 1
56070 Koblenz
Tel.: 0261 287 2032
E-Mail: bauks@uni-koblenz.de