Lässt uns Musik Kunst anders wahrnehmen?
Studie untersucht den Einfluss von Musik auf das ästhetische Erleben:
Wenn Musik und visuelle Kunst aufeinandertreffen, bewegt uns diese Verbindung – sei es im Film, in der Oper oder im Tanz. Ein Forschungsteam des Max-Planck-Instituts für empirische Ästhetik (MPIEA) in Frankfurt am Main hat nun untersucht, wie die Kombination von Musik und Bild die ästhetische Wahrnehmung von Kunst beeinflusst und welche Rolle die gezielte Korrespondenz zwischen auditiven und visuellen Elementen dabei spielt. Die Ergebnisse der Studie sind kürzlich im Fachmagazin Scientific Reports als Teil einer von Emily Cross (ETH Zürich) zusammengestellten Textsammlung zum Thema Neuroästhetik erschienen.
Das Forschungsteam führte die Studie online in Zusammenarbeit mit dem Kentler International Drawing Space (Brooklyn, New York, USA) durch. Ausgangspunkt war die Ausstellung „Music as Image and Metaphor“. Diese zeigt 41 Zeichnungen aus der Sammlung von Kentler, begleitet von Musikstücken, die eigens auf die Bilder abgestimmt komponiert wurden. Einer der Kurator:innen hatte bemerkt, dass die Besucher:innen mehr Zeit in der Ausstellung verbrachten als üblich. Er überlegte, ob der Grund dafür die musikalische Begleitung sein könnte, und wandte sich mit dem Vorschlag einer wissenschaftlichen Begleitstudie an die damalige MPIEA-Forscherin Lauren Fink.
Die Forscher:innen erweiterten den Ansatz um die Frage, ob die bewusst gewählte Kombination von Musik und Bild das ästhetische Erleben besonders beeinflusst oder ob auch eine zufällige Paarung ähnliche Effekte erzielen könnte. Den über 200 Teilnehmer:innen der Studie wurden 16 Werke in unterschiedlichen Modalitäten präsentiert. Darunter fanden sich reine Musikstücke, Bilder ohne Musikbegleitung, beabsichtigte audiovisuelle Paarungen und zufällige audiovisuelle Paarungen. Die jeweilige Betrachtungsdauer diente als Indikator für das ästhetische Interesse. Zusätzlich sollten die Teilnehmer:innen nach jedem Werk von ihrem subjektiven Erleben berichten, wie beispielsweise dem Gefühl, bewegt zu sein.
„Es zeigte sich, dass die Teilnehmer:innen am längsten bei den reinen Musikstücken verweilten, gefolgt von den kombinierten audiovisuellen Werken und schließlich den Bildern ohne Musikbegleitung. Die stärkste emotionale Wirkung berichteten sie jedoch von den audiovisuellen Kombinationen“, erklärt Erstautorin Lauren Fink und fügt ergänzend hinzu: „Überraschenderweise hatte die Art der Kombination dabei keinen Einfluss auf die ästhetischen Bewertungen: Unabhängig von der beabsichtigten oder zufälligen audio-visuellen Paarung erlebten die Teilnehmer:innen die Werke ähnlich.“
Melanie Wald-Fuhrmann, Direktorin der Abteilung Musik am MPIEA und Seniorautorin der Studie, führt weiter aus: „Bemerkenswert ist auch, dass es keinen direkten Zusammenhang zwischen der verbrachten Zeit und den ästhetischen Präferenzen gab – ein Hinweis darauf, dass Musik die emotionale Tiefe der Kunstwahrnehmung zwar bereichert, aber nicht notwendigerweise deren ästhetische Bewertung verändert.“
Diese Ergebnisse zeigen, dass die gezielte Paarung von Musik und Bild durchaus die wahrgenommene Korrespondenz verbessern kann, jedoch keinen direkten Einfluss auf die ästhetischen Vorlieben hat oder darauf, wie lange sich jemand mit einem Kunstwerk beschäftigt. Die Studie eröffnet damit eine neue Sicht auf die komplexe Rolle, die Musik und visuelle Kunst zusammen im ästhetischen Erleben spielen.
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Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Melanie Wald-Fuhrmann
E-Mail: sek.musik@ae.mpg.de
Originalpublikation:
Fink, L., Fiehn, H., & Wald-Fuhrmann, M. (2024). The Role of Audiovisual Congruence in Aesthetic Appreciation of Contemporary Music and Visual Art. Scientific Reports. https://doi.org/10.1038/s41598-024-71399-y