Immer mehr Geflüchtete stellen einen Antrag auf Einbürgerung
14 Prozent der Geflüchteten, die zwischen 2013 und 2019 nach Deutschland eingereist sind, haben 2022 einen Antrag auf Einbürgerung gestellt, weitere drei Prozent besaßen bereits die deutsche Staatsangehörigkeit – für bessere Zukunftschancen und Aufenthaltssicherheit, aber auch wegen einer großen Verbundenheit mit Deutschland. Der Wunsch nach politischer Partizipation scheint hingegen zum damaligen Befragungszeitpunkt eine eher untergeordnete Rolle zu spielen. Die Kurzanalyse „Einbürgerung und politisches Interesse von Geflüchteten“ des BAMF-Forschungszentrums (BAMF-FZ) offenbart ein dynamisches Einbürgerungsgeschehen bei gleichzeitig geringem politischen Interesse der Geflüchteten.
Zwischen 2000 und 2010 sind die Einbürgerungszahlen in Deutschland kontinuierlich gefallen, in den 2010er Jahren stagnierten sie und seit 2020 steigen sie an: Mehr als 200.000 Ausländerinnen und Ausländer ließen sich im Jahr 2023 einbürgern, ein beträchtlicher Teil der Einbürgerungen entfiel dabei auf Geflüchtete. In einer früheren Studie auf Basis der IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten stellte das BAMF-FZ fest, dass die Einbürgerungsabsichten im Jahr 2021 unter den noch nicht eingebürgerten Geflüchteten mit 92 Prozent sehr hoch waren. „Diese hohen Einbürgerungsabsichten wurden 2022 zunehmend in die Tat umgesetzt“, sagt Dr. Kerstin Tanis, wissenschaftliche Mitarbeiterin im BAMF-FZ. „Unsere Analyse zeigt, dass sich der Anteil der eingebürgerten Geflüchteten im Jahr 2022 von einem auf drei Prozent erhöht hat.“ Die vorliegende Kurzanalyse nutzt erneut die Daten der IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten, jedoch ergänzt durch eine neue Befragungswelle aus dem Jahr 2022. Von denjenigen Geflüchteten, die bisher noch nicht eingebürgert sind, haben im Jahr 2022 14 Prozent einen Einbürgerungsantrag gestellt – das entspricht einem Anstieg von acht Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr. 84 Prozent der Befragten haben zudem die Absicht, die deutsche Staatsangehörigkeit zu beantragen und drei Prozent möchten darauf verzichten.
Geflüchtete erhoffen sich durch Einbürgerung bessere Zukunftschancen für sich und ihre Kinder
30 Prozent aller befragten Geflüchteten im Jahr 2022 haben sich bereits ausführlich über das Einbürgerungsverfahren informiert, und zwar in erster Linie durch Internetrecherchen sowie über Freunde, Bekannte und Familie – das sind rund sechs Prozentpunkte mehr als 2021. Trotz der vergleichsweise hohen Einbürgerungsabsichten hatte sich im Jahr 2022 jede zehnte Person kaum über den Prozess informiert, ein Viertel sogar ‚gar nicht‘. Der am häufigsten genannte Grund für einen Antrag auf Einbürgerung sind bessere Zukunftschancen für sich selbst und die eigenen Kinder (87 Prozent). Etwa vier von fünf Geflüchteten geben die Aufenthaltssicherheit bzw. den Schutz vor Abschiebungen an (81 Prozent), die Gleichstellung mit Personen deutscher Herkunft motivieren 79 Prozent der Befragten zur Antragsstellung und 78 Prozent fühlen sich mit Deutschland verbunden.
Die größte Hürde bei der Einbürgerung: unzureichende Einkommensverhältnisse
Für den Erhalt der deutschen Staatsangehörigkeit müssen nach dem Staatsangehörigkeitsrecht mehrere Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllt werden, seit der Modernisierung des Gesetzes gibt es einige Änderungen -mehrheitlich Vereinfachungen: Die für eine Einbürgerung notwendige Aufenthaltsdauer wurde von acht auf fünf Jahre gesenkt, bei besonderen Integrationsleistungen sogar auf drei Jahre. Ein weiteres Novum stellt die Möglichkeit der Beibehaltung der bisherigen Staatsangehörigkeit dar. Allerdings ist die Einbürgerung ausgeschlossen, sofern (mit wenigen Ausnahmen) für die Sicherung des Lebensunterhalts Sozialleistungen in Anspruch genommen werden. „Nach eigener Einschätzung verfügten rund drei Viertel aller Geflüchteten (77 Prozent) im Jahr 2022 über die erforderliche Aufenthaltsdauer und die Hälfte (50 Prozent) schätzte ihre Deutschkenntnisse als hinreichend ein“, erläutert die Studienautorin. Die größte Hürde scheint aber die Sicherung des eigenen Lebensunterhalts zu sein: 42 Prozent der Befragten geben an, ihrer eigenen Einschätzung zufolge über ein „ausreichend eigenes Einkommen“ zu verfügen, wohingegen 22 Prozent der Befragten überzeugt sind, alle für die Einbürgerung nötigen Voraussetzungen zu erfüllen – und damit unwesentlich weniger Personen als im Jahr 2021.
80 Prozent der Geflüchteten sind 2021 politisch eher desinteressiert
Mit dem Erhalt der deutschen Staatsangehörigkeit sind auch eine Reihe von Rechten verbunden, wie beispielsweise das Wahlrecht. Da die Grundlage für politische Partizipation das Interesse an politischen Entscheidungen und Entwicklungen darstellt, widmet sich die vorliegende Kurzanalyse auch dem politischen Interesse von Geflüchteten. „Die deutliche Mehrheit der Geflüchteten ist 2021 entweder gar nicht oder kaum politisch interessiert“, resümiert Dr. Kerstin Tanis. Nur acht bzw. zehn Prozent der Befragten geben an, stark oder sehr stark an Politik interessiert zu sein, wohingegen 41 Prozent der Gesamtbevölkerung in Deutschland ein (sehr) starkes Interesse an Politik haben. Der Analyse zufolge zeigen Frauen ein geringeres Interesse am politischen Geschehen als Männer, Aspekte wie Bildung, Deutschkenntnisse und berufliche Integration haben tendenziell einen positiven Einfluss auf das Interesse am politischen Geschehen. Inwieweit sich das politische Interesse in der späteren Wahlbeteiligung von eingebürgerten Geflüchteten widerspiegeln wird, gilt es künftig zu erforschen.
Datenbasis
Die Kurzanalyse basiert auf der sechsten und siebten Welle der IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten aus den Jahren 2021 und 2022. Die IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten ist eine seit 2016 laufende bundesweite Längsschnittbefragung von Personen, die im Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis einschließlich 31. Dezember 2019 nach Deutschland gekommen sind und hier einen Asylantrag gestellt haben, unabhängig von Verlauf und Ausgang des Asylverfahrens. Zusätzlich werden die Haushaltsmitglieder dieser Personen befragt. Grundlage für die Stichprobenziehung war das Ausländerzentralregister (AZR). In diesem Forschungsbericht wurden überwiegend Daten von volljährigen Befragten aus der sechsten und siebten Erhebungswelle der Jahre 2021 und 2022 verwendet (2021: 2.398 Personen; 2022: 1.929 Personen). Das politische Interesse und die Parteineigung wurden ausschließlich im Befragungsjahr 2021 erhoben. Alle Angaben beziehen sich auf Selbsteinschätzungen der Geflüchteten.
Weitere Informationen:
Die BAMF-Kurzanalyse „Einbürgerung und politisches Interesse von Geflüchteten“ finden Sie hier: https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Forschung/Kurzanalysen/kurzanalyse7-2024-einbuergerung.html?nn=282388
Weiterführende Informationen zur IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten: https://www.bamf.de/SharedDocs/ProjekteReportagen/DE/Forschung/Integration/iab-bamf-soep-befragung-gefluechtete.html?nn=282388
Ansprechpartner für Medienanfragen:
Jochen Hövekenmeier
Pressestelle Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Telefon: +49 911 943 17799
E-Mail: pressestelle@bamf.bund.de
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Kerstin Tanis, Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge
Link: https://www.bamf.de/SharedDocs/Struktur/Personen/DE/WissenschaftlicheMA/tanis-kerstin-person.html?nn=282388
Originalpublikation:
Tanis, K. (2024). Einbürgerung und politisches Interesse von Geflüchteten (Kurzanalyse 07/2024). Nürnberg. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. https://doi.org/10.48570/bamf.fz.ka.07/2024.d.2024.einbuergerung.1.0