Hilfe für bedrohte Moore durch Digitalisierung und KI
Im Projekt »VALPEATS« entwickeln Fraunhofer-Forschende gemeinsam mit Projektpartnern eine Monitoring-Plattform zur Erfassung und Bewertung des Zustands von Mooren. Durch die Umwandlung in landwirtschaftliche Nutzfläche und durch den Klimawandel trocknen die Moore aus und entlassen dabei enorme Mengen an CO2 in die Atmosphäre. Das Projekt bindet ein interdisziplinäres Team von Fachleuten im Feld ebenso ein wie ein Netzwerk von Sensoren, Drohnen und KI-Werkzeugen. VALPEATS schafft die Voraussetzungen, Moore zu schützen und Maßnahmen zur Wiedervernässung zu planen.
Moore bedecken zwar mit drei Prozent nur einen sehr kleinen Teil der Landoberfläche der Erde, aber sie speichern etwa doppelt so viel Kohlenstoff wie die gesamte Biomasse der Wälder der Erde. Allein in Deutschland sind es 1,3 Milliarden Tonnen. Das geht aus dem Mooratlas hervor, der unter anderem vom Bund für Umwelt und Naturschutz und der Heinrich-Böll-Stiftung herausgegeben wird. Diese Speicherfunktion können die Moore aber nur erfüllen, solange sie intakt sind. In Mooren, die beispielsweise für Land- oder Forstwirtschaft entwässert wurden, dringt Sauerstoff ein, der zur Zersetzung des Torfkörpers führt – somit können die Moore den Kohlenstoff nicht mehr binden und geben enorme Mengen das Treibhausgases Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre ab.
Im Projekt VALPEATS (Valuation Of Peatland Ecosystem Services) arbeiten Forschende vom Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD gemeinsam mit der Universität Greifswald und dem Greifswald Moor Centrum (GMC) am Aufbau einer Monitoring-Plattform zur Erfassung des Zustands des komplexen Ökosystems Moor. Die Messdaten werden mithilfe von KI-Werkzeugen ausgewertet, die eine innovative Möglichkeit bieten, den Zustand durch die Einbeziehung vieler Informationen einzuschätzen. Damit sollen in Zukunft die entstehenden Treibhausgasemissionen bewertet und soll die moorspezifische Biodiversität erfasst werden.
Im ersten Schritt messen Sensoren an verschiedenen Stellen den Wasserstand und Wetterdaten. »Bisher werden diese Daten überwiegend manuell erfasst und ausgewertet. Durch einen Multisensorik-Ansatz erfassen wir die Eigenschaften des Moors viel effizienter und können quasi in Echtzeit Analysen durchführen«, erklärt der wissenschaftliche Leiter Daniel Pönisch. Die Messwerte werden dann mit geographischen Kartendaten und meteorologischen Werten verknüpft. Bereits mit diesen Informationen lassen sich detaillierte Aussagen über den Zustand des Moors treffen.
Drohnen und Künstliche Intelligenz
Um weitere Daten der Oberfläche zu gewinnen, werden die verschiedenen Pflanzen und ihre Ausbreitung auf der Fläche erfasst. Dabei bestimmen Botanik-Expertinnen und -Experten die Pflanzen direkt vor Ort und nutzen dabei eine vom Fraunhofer-Team entwickelte App, die das manuelle Eintragen vereinfacht. Zusätzlich überfliegen Drohnen das Moor in einer Rasterstruktur und erfassen die Vegetation mit RGB- und Multispektral-Kameras. Nach dem Abgleich der Drohnenbilder mit den Informationen der Botanikerinnen und Botaniker, unterstützt von KI-Werkzeugen, entsteht ein detailreiches Bild der Vegetation und Pflanzentypen.
Diese botanischen Informationen ergänzen die aus Sensorik, geographischen Karten und meteorologischen Werten gewonnenen Daten und werden gesamtheitlich analysiert. »Wir generieren ein gitterartig strukturiertes Bild, bei dem in jedem Bildpunkt Infos aus verschiedenen Quellen zusammenfließen. So entsteht eine mehrdimensionale Darstellung der Beschaffenheit des Moors über seine ganze Fläche«, erklärt der Produktmanager Milan Bergheim, Experte für Bioökonomie am Fraunhofer IGD. Auf dieser Basis lassen sich schließlich sehr detailreiche Aussagen über den Zustand des Moors treffen und Maßnahmen zur Wiedervernässung planen.
Um all diese Informationen in der Praxis gezielt nutzen zu können, entwickeln die Fraunhofer-Forschenden eine Plattform, in die alle Daten einfließen. »Die gemeinsame Betrachtung aller verfügbaren Informationen ermöglicht schließlich die Inwertsetzung der Ökosystemleistung. Diese ist in einer Plattform gebündelt, analysiert und dargestellt«, fasst Pönisch zusammen.
Datenplattform für Planungsbüros
Um die Zusammenarbeit mit dem Projektpartner Universität Greifswald möglichst effizient zu gestalten, haben die Fraunhofer-Forschenden für dieses Projekt ein eigenes Büro in Greifswald eröffnet.
Besonders wertvoll ist VALPEATS für Planungsbüros, die beispielsweise von Kommunen beauftragt werden. Sie erhalten eine standardisierte und skalierbare Datenplattform, mit der sie die Pflege der Moore oder eine Wiedervernässung planen und monitoren können. Letztere erfolgt dann beispielsweise durch Umleitung von Bächen oder Flüssen oder das gezielte Blockieren von Drainagen, welches zur Anhebung des Grundwasserspiegels führt.
Landwirtschaftliche Betriebe im Bereich Paludikulturen bewirtschaften die Moore, etwa durch Gewinnung von Biomasse aus Nasswiesen, Schilf oder Torfmoosen. Durch Anpassungen in der Datenaufnahme und der -analyse könnten sie die Informationen über die Vegetation ebenfalls nutzen. So lässt sich feststellen, welche Pflanzentypen in den geernteten Ballen enthalten sind. Das wiederum erleichtert die Weiterverarbeitung und kundenspezifische Vermarktung.
Öko-Zertifikat für die Finanzbranche
VALPEATS eröffnet auch dem Handel mit Ökowertpapieren neue Möglichkeiten. Ausgewiesene Moorflächen oder landwirtschaftliche Unternehmen im Bereich Paludikulturen sollen mit den Daten der Monitoring-Plattform nach Ökostandards zertifizierbar werden. Damit werden privatwirtschaftliche Mittel für die Wiedervernässung mobilisiert.
Ein Pilotprojekt, bei dem die Forschenden ihre Technologie konkret erproben können, gibt es auch schon. Im Projekt Rosenhäger Wiese in Glasin, Mecklenburg-Vorpommern, wird eine 5,4 Hektar große Fläche wiedervernässt und das ehemalige Moor renaturiert. All diese Initiativen dienen einem Ziel, sagt Fraunhofer-Forscher Pönisch: »Wir müssen das gesellschaftliche Bewusstsein weiter stärken, dass wertvolle Moore geschützt und renaturiert werden müssen. Unsere Monitoring-Plattform und unsere KI-Werkzeuge bieten hier eine technologische Basis.«
Weitere Informationen:
https://www.fraunhofer.de/de/presse/presseinformationen/2024/dezember-2024/hilfe-fuer-bedrohte-moore-durch-digitalisierung-und-ki.html