Das richtige Timing ist entscheidend
Initiative ruft zu verstärkter globaler Zusammenarbeit auf, um das Klima der vergangenen 100 Millionen Jahre regionsübergreifend und zuverlässiger zu rekonstruieren
Zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, ist alles entscheidend. Uhren helfen uns, Termine und Verabredungen aufeinander abzustimmen. Dies ist auch für die Erforschung der geologischen Vergangenheit wichtig, denn nur so können Ursache und Wirkung im Klimasystem zuverlässig rekonstruiert werden. Geologische Klimaarchive müssen daher möglichst genau datiert werden, um zuverlässige Schlussfolgerung ziehen zu können. Eine internationale Initiative von Forschenden, zu der neben anderen Dr. Thomas Westerhold vom MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen maßgeblich beigetragen hat, ruft nun dazu auf, die wichtigsten marinen Klimaarchive Regionen übergreifend genauer zu datieren als je zuvor.
TIMES ist das Projekt des internationalen Teams übertitelt, es steht als Akronym für „Time Integrated Matrix for Earth Sciences“. Dahinter steht die Idee, ein weltweites Programm zu starten mit dem Ziel, Altersmodelle für besonders wichtige geologische Klimaaufzeichnungen der vergangenen letzten 100 Millionen Jahre zu synchronisieren. Ihre Motivation und Notwendigkeit für dieses Programm haben die Forschenden jetzt in einer Publikation in der Fachzeitschrift Paleoceanography and Paleoclimatology der Amerikanischen Geophysikalischen Gesellschaft skizziert.
Geologische Aufzeichnungen vom Meeresbohrungen ermöglichen es Forschenden, die Funktionsweise des natürlichen Klimasystems über Zeit und Raum hinweg besser zu verstehen. Aber um zuverlässige Informationen zu erhalten, sei eine genaue Kenntnis des zeitlichen Ablaufs vergangener Klimaereignisse erforderlich, betont Dr. Thomas Westerhold. Gegenwärtig seien viele wichtige Klimaarchive nicht ausreichend gut synchronisiert, um mit Sicherheit ursächliche Verbindungen zwischen Daten von verschiedenen Orten herzustellen. „Insbesondere Altersmodelle für Paläoklimaarchive haben sich als Flaschenhals erwiesen, wenn es darum geht, die Dynamik vergangener warmer Klimastadien zu verstehen, die so dringend benötigt wird, um Informationen über zukünftige Klimapfade zu erhalten.“
Als multidisziplinäres Team aus der Paläozeanographie, Paläoklimaforschung und Geochronologie betonen Westerhold und seine Co-Autor:innen in ihrer Publikation, dass es von entscheidender Bedeutung sei, eine global konsistente und sehr genaue Datierung für alle wichtigen sedimentären Klimaarchive über geographische Regionen hinweg zu synchronisieren. Ein Beispiel: Wiederkehrende Muster in den Sedimentkernen zeichnen Änderungen der Erdbahn um die Sonne nach, die so genannten Milanković-Zyklen. Wie ein Metronom haben diese Schwankungen den Takt für Klimaveränderungen vorgegeben. Anhand dieser astronomischen Zyklen können Forschende das Alter in bestimmten Schichten des Ozeanbodens bestimmen und so die Archive extrem genau synchronisieren.
„Es ist wichtig, jetzt die biologischen und klimatischen Prozesse auf der Erde genau zu verstehen, die Evolution, Aussterben, Erholung, und Resilienz beeinflussen. Die wichtigsten Klima-Proxy-Daten der vergangenen 100 Millionen Jahre, die genau darüber Aufschluss geben können, sind jedoch nicht ausreichend über die verschiedenen Regionen hinweg zeitlich synchronisiert, was das Verständnis der Klimadynamik der Erde erheblich erschwert“, erklärt Westerhold. Material und Daten für diesen Zeitraum sind zum größten Teil da – denn so weit zurück geht das Material, das in den internationalen Ozean- und Kontinental-Bohrprogrammen nahezu weltweit gewonnen wurde.
100 Millionen Jahre regionale und globale Klimageschichte zu synchronisieren, ist sehr aufwendig, das TIMES-Vorhaben umfangreich. Da Timing alles entscheidend sei, betont das Team um Westerhold, müssten international koordinierte Arbeiten jetzt beginnen, um Klimaaufzeichnungen der vergangenen 100 Millionen Jahre so genau zeitlich zu kalibrieren, dass die Klimageschichte der Erde zuverlässig helfen kann, eine sichere Zukunft für die Menschheit zu gestalten.
Das MARUM gewinnt grundlegende wissenschaftliche Erkenntnisse über die Rolle des Ozeans und des Meeresbodens im gesamten Erdsystem. Die Dynamik des Ozeans und des Meeresbodens prägen durch Wechselwirkungen von geologischen, physikalischen, biologischen und chemischen Prozessen maßgeblich das gesamte Erdsystem. Dadurch werden das Klima sowie der globale Kohlenstoffkreislauf beeinflusst und es entstehen einzigartige biologische Systeme. Das MARUM steht für grundlagenorientierte und ergebnisoffene Forschung in Verantwortung vor der Gesellschaft, zum Wohl der Meeresumwelt und im Sinne der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Es veröffentlicht seine qualitätsgeprüften, wissenschaftlichen Daten und macht diese frei zugänglich. Das MARUM informiert die Öffentlichkeit über neue Erkenntnisse zur Meeresumwelt, und stellt im Dialog mit der Gesellschaft Handlungswissen bereit. Kooperationen des MARUM mit Unternehmen und Industriepartnern erfolgen unter Wahrung seines Ziels zum Schutz der Meeresumwelt.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Thomas Westerhold
MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen
Telefon: 0421 218-65672
E-Mail: twesterhold@marum.de
Originalpublikation:
T. Westerhold, C. Agnini, E. Anagnostou, F. Hilgen, B. Hönisch, A. N. Meckler, H. Pälike, B. Wade, S. Sosdian, J. Kasbohm: Timing Is Everything. Paleoceanography and Paleoclimatology. 2024. DOI: https://doi.org/10.1029/2024PA004932
Weitere Informationen:
http://www.marum.de/TIMES.html
http://www.marum.de/CENOGRID.html
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