Gerechte Mobilität
Erst die Vision, dann die technische Innovation: Forscher*innen und Gesellschaft arbeiten gemeinsam am Stadtverkehr der Zukunft
Auf dem ehemals verkehrsreichen Ernst-Reuter-Platz sitzen Studierende und Anwohner*innen auf Bänken, daneben spielen Kinder und Vogelgezwitscher ersetzt den Autolärm. Breite Rad- und Fußwege umgeben den grünen Platz, leise surren autonome Elektrofahrzeuge vorbei. Vor den TU-Gebäuden stehen zahlreiche Fahrräder, Bäume spenden Schatten, Verdunstungsbeete kühlen an heißen Tagen.
Diese Zukunftsvision, entwickelt von einem interdisziplinären Team der TU Berlin im Rahmen der Initiative „Pure Mobility“, stellt technologische Innovationen in den Dienst einer nachhaltigen Mobilität. Dabei verfolgen die Wissenschaftler*innen einen ungewöhnlichen Ansatz: Die technische Innovation basiert auf einer gemeinsam mit gesellschaftlichen Akteur*innen entwickelten Zukunftsvision einer gerechten Mobilität. Das daraus entwickelte Konzept soll den Verkehr grundlegend verändern – und stellt zugleich eine fundamentale Transformation des technischen Entwicklungsvorgangs dar. Hierbei ist nicht mehr der technologische Fortschritt Treiber; erstmalig wird der Wechsel vom „Technology Push“ zum „Vision Pull“ für technische Innovationen erprobt.
Reduzierung auf das Wesentliche
„Hinter ‚Pure Mobility‘ steht die Reduzierung auf das Wesentliche für nachhaltige und menschzentrierte Mobilität. Wir wollen den Individualverkehr in Städten weitgehend abschaffen und auf kleine, autonome Elektrofahrzeuge setzen, die ständig in Bewegung sind und per App gebucht werden können“, sagt Dr.-Ing. Steffen Müller, Professor für Kraftfahrzeugtechnik. „Sie ergänzen den öffentlichen Nahverkehr und brauchen deutlich weniger Platz“, fügt Prof. Dr.-Ing. Utz von Wagner hinzu.
An ressourcenschonenden „Pure Mobility Roads“, die wasserdurchlässig und dünner sind als die heutigen Straßen, arbeitet Prof. Dr.-Ing. Frank Rackwitz. Alle drei forschen an der TU Berlin. „Durch die neuen Fahrzeuge entsteht auch eine gerechtere Mobilität, die Fußgänger*innen und Fahrradfahrer*innen weniger gefährdet und nicht mehr auf das Auto fokussiert ist“, betont Technikphilosophin Prof. Dr. Sabine Ammon von der TU Berlin. Gemeinsam mit gesellschaftlichen Akteur*innen wie dem ADFC, Changing Cities e. V. und Paper Planes e. V. möchte sie die „Pure Mobility“-Vision in Zukunftswerkstätten konkretisieren und herausfinden, was gute und gerechte Mobilität – auch angesichts des Klimawandels – überhaupt ausmacht. Dafür wird sie, zusammen mit weiteren Wissenschaftler*innen, im Projekt „Pure Mobility – A Human‐Centered Turn to Responsible Urban Mobility by Transformative Vision Design“ von der BUA gefördert.
TU-Verkehrsplanerin Prof. Dr. Christine Ahrend bringt den Aspekt der Zukunftsforschung in das Projekt ein und ergänzt die Technikfolgenabschätzung. Geoinformatikerin Prof. Dr. Tobia Lakes von der FU Berlin fragt nach einer gerechten Raumaufteilung und Psychiater Prof. Dr. Gunter Schumann von der Charité – Universitätsmedizin Berlin untersucht, wie sich Stadt- und Verkehrsgestaltung auf die Psyche auswirken. Dr.-Ing. Kerstin Kracht von der TU Berlin koordiniert den komplexen inter- und transdisziplinären Forschungsprozess.
Die mit der Zivilgesellschaft im BUA-Projekt entwickelten Visionen für eine gute und gerechte Mobilität sollen anschließend in die Technikentwicklung der „Pure Mobility“-Initiative einfließen. Das Team wird Übergangsszenarien erarbeiten, wie die Vision einer gerechten Mobilität Wirklichkeit werden kann.
Interessiert, an der Vision einer gerechten Mobilität mitzuwirken? Kontakt: info@transform-mobility.de
Kontakt:
Prof. Dr. Sabine Ammon
TU Berlin
E-Mail: ammon@tu-berlin.de
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