52 Millionen Euro für ein Reallabor für Geothermie in der Energieregion Rheinisches Revier
Mit dem Kohleausstieg gilt es gleichermaßen neue Wärmequellen für Kommunen und Industrie zu erschließen, als auch den Strukturwandel in den Kohleregionen zu gestalten. Das »Fraunhofer Reallabor für Geothermie, Geotechnologien und Georessourcen - Geo³« schafft beides, in dem es in der Städteregion Aachen eine europaweit einzigartige Forschungsinfrastruktur schafft, die das Potenzial der Tiefengeothermie Nordrhein-Westfalens erforscht. Und indem es an dieser Infrastruktur die Entwicklung innovativer Energietechnologien für die Wärmewende ermöglicht. Aus den Mitteln des Kohleausstieges fördern der Bund und das Land NRW das Projekt der Fraunhofer IEG mit zusammen genommen rund 52 Millionen Euro.
Tiefengeothermie nutzt heißes Thermalwasser aus der Tiefe, um etwa Fernwärme und Prozesswärme bereitzustellen. Von klimafreundlicher Energie aus thermalwasserführenden Schichten können viele Anwendungen profitieren, etwa kommunale Wärmenetze, Gewächshäuser oder die Chemieindustrie, aber auch Betriebe der Zucker- und Nahrungsmittelherstellung, der Holz- und Papierverarbeitung sowie die Metall-, Zement- und Bauindustrie. In den Metropolen München und Paris tragen schon heute Geothermie-Heizwerke effizient und sicher zur kommunalen Wärmeversorgung bei, in den Niederlanden und Belgien versorgen sie Fernwärmesysteme und Gewächshäuser mit Prozesswärme. Die Erdwärme steht uns ganzjährig und verlässlich zur Verfügung, sie ist nachhaltig, bezahlbar und wetterunabhängig, krisensicher, importunabhängig und nahezu unerschöpflich. Auch hat sie den geringsten Flächenbedarf unter den erneuerbaren Technologien. Diese Wärmequelle gilt es auch für Nordrhein-Westfalen und andere europäische Regionen zu entwickeln.
Mit den nun ausgestellten Bewilligungsbescheiden geht das Projekt »Fraunhofer Reallabor für Geothermie, Geotechnologien und Georessourcen - Geo³« von der Planungs- in die Umsetzungsphase. Ziel ist es, eine große Forschungsinfrastruktur für Geothermie zu schaffen, die europaweit einmalig ist. Dazu ist geplant, einerseits den Untergrund in der Städteregion Aachen in den nächsten vier Jahren großflächig geophysikalisch zu charakterisieren und andererseits mit zwei Bohrungen in der Tiefe zu erkunden. Zudem baut Fraunhofer IEG als zugehörige obertägige Infrastruktur in Weisweiler ein Technikum als Forschungszentrum für Georessourcen und Dekarbonisierung.
Den Untergrund charakterisieren
Für ein besseres Verständnis der geologischen Situation im tiefen Untergrund möchte die Fraunhofer IEG unter anderem das südliche Rheinland mehrere Kilometer tief mit Schallwellen erkunden, ähnlich dem Echolot aus der Seefahrt oder dem Ultraschall in der Medizin. Dazu bringt das Reallabor im Bereich zwischen dem Aachener Autobahnkreuz und Düren für kurze Zeit Messwagen und empfindliche Mikrofone in einer sogenannten »Seismischen Exploration« zum Einsatz und testet auch neue Erkundungsmethoden für die speziellen tiefen Untergrundverhältnisse in ehemaligen Kohleregionen. Die Daten dieser bildgebenden Verfahren verknüpft es mit jenen aus tiefen Erkundungsbohrungen. Diese sollen die thermalwasserführenden Gesteinsschichten in mehreren Kilometern Tiefe für wissenschaftliche Untersuchungen erschließen und wertvolle Informationen etwa über Gesteinsarten, Porosität, Wasserdurchlässigkeit und natürliche Wasservorkommen liefern.
Wichtiges Projekt für Kommunen im NRW-Masterplan Geothermie
Für das Land Nordrhein-Westfalen ist das Projekt ein wichtiger Schritt im Rahmen der Umsetzung des Masterplans Geothermie. Das »Fraunhofer Reallabor« kann entscheidend zum Hochlauf der Geothermie in NRW beitragen. Die seismischen Messungen und Tiefbohrungen liefern wichtige Grundlagendaten für anschließende Projekte durch Wärmeversorger. Die Erkenntnisse zu den geologischen Verhältnissen werden als Rohdaten kostenlos zur Verfügung gestellt und in Form von Leitfäden und Workshops erläutert. Bei positiven Erkundungsergebnissen besteht für die Menschen, Kommunen und Unternehmen in der Region in einigen Jahren die Möglichkeit einer kostengünstigen und regionalen Wärmequelle – Erdwärme.
Über Tage - Innovationen für die Industrie
Als Bestandteil des »Fraunhofer Reallabors« entsteht am Standort des Braunkohlekraftwerks Weisweiler ein Technikum als Forschungszentrum für angewandte Georessourcen und Dekarbonisierung. Dort laufen dann alle gesammelten Informationen zum Untergrund zusammen. Bereits heute ist in Weisweiler ein Teil des geplanten geophysikalischen Observatoriums in Betrieb, welches die natürliche Seismizität des Untergrunds im südlichen Rheinland wissenschaftlich beobachtet. Das Technikum dient auch als Entwicklungsplattform für Geotechnologien zur klimafreundlichen Energieversorgung. Die Forschungsthemen sollen Aspekte der Anlagentechnik zur Dekarbonisierung von Industrie und Kommunen sein: von Aggregaten zur geothermalen Strom-, Wärme- und Kälteerzeugung, über die Nutzung des Untergrunds als Energiespeicher bis hin zu CO2-armen Betriebsstrategien. So entstehen für den flächendeckenden Einsatz marktgerechte, skalierbare und einfach auf neue Standorte übertragbare Technologien.
Fraunhofer IEG will zusammen mit seinen Partnern aus Forschung und Industrie so Innovationen in die europäischen Strukturwandelregionen bringen und die Transformation »vom Kohle- zum Wärmebergbau« ermöglichen. Die neue Forschungsinfrastruktur steht für weitere Partner der Wissenschaft und auch den Akteuren der Wirtschaft und Kommunen zur Verfügung. Neben der Entwicklung neuer Technologien soll sie perspektivisch auch der Aus- und Weiterbildung von dringend benötigten Fachkräften im Bereich der geothermischen Energiesysteme dienen.
Zitate der Beteiligten:
»Das südliche Rheinland hat eine reiche Geschichte in der Nutzung seiner natürlichen Energierohstoffe – von der Thermalwassernutzung in römischer Zeit für die Nahwärme und später für die mittelalterliche Tuchwirtschaft, über die neuzeitliche Bäderwirtschaft bis hin zu den industriellen Steinkohlezechen und dem modernen Braunkohletagebau«, erinnert Prof. Rolf Bracke, Leiter der Fraunhofer IEG. »Tiefengeothermie also könnte das nächste Kapitel für die Energieregionen diesseits und jenseits des Rheins sein.« Mit der kommunalen Wärmeplanung erschließen Stadtwerke regionale Wärmequellen für die Energiewende. Eine Basis dafür sind Roadmaps zur Geothermie, die Fraunhofer IEG mit herausgegeben hat. Die Technologien, die später im »Fraunhofer Reallabor« getestet werden, geben den Energieversorgen die notwendigen Werkzeuge in die Hand, Erdwärme in das Energiesystem der Zukunft einzubinden. »Die zeitnahe Weitergabe unseres Know-Hows durch Leitfäden, Beratung und Weiterbildungsangebote hilft allen Akteuren, die untertägigen Ressourcen für ihre Wärmeplanung zu erschließen.«
Wirtschafts- und Klimaschutzministerin des Landes NRW Mona Neubaur: »Erdwärme ist eine unerschöpfliche klimafreundliche Wärmequelle, die das ganze Jahr zuverlässig liefert. Unser Masterplan Geothermie ist die Strategie, um den Schatz unter unseren Füßen zu heben. Bis 2045 sollen bis zu 20 Prozent des Wärmebedarfs in Nordrhein-Westfalen aus Geothermie gedeckt werden. Das »Fraunhofer Reallabor« kann dazu für das Rheinische Revier und die Städteregion Aachen entscheidend beitragen. Wir bringen mit dem Vorhaben die Wärmewende in Nordrhein-Westfalen gemeinsam und innovativ voran. Dabei setzen wir auf Transparenz. Ich setze großes Vertrauen in das Fraunhofer IEG, das die Bürgerinnen und Bürger aktiv einbindet. Gemeinsam machen wir NRW nachhaltiger.«
»Das große Potenzial der Geothermie für eine klimaneutrale Wärmeversorgung bleibt in Deutschland bislang größtenteils ungenutzt. Deshalb ist es richtig, die Nutzung der Erdwärme weiter voranzubringen. Das Projekt des Fraunhofer IEG gibt ein Beispiel für viele andere Akteure, die von der Technologie profitieren können«, erklärt der parlamentarische Staatssekretär beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz Stefan Wenzel »Für eine klimaneutrale Wärmeversorgung auf kommunaler Ebene ist Erdwärme von großer Bedeutung. Dieses Projekt ist also ein notwendiger Schritt in Richtung Klimaneutralität. Die verpflichtende Wärmeplanung sollte den Ausbau der Wärmenetze und ihre Dekarbonisierung konsequent vorantreiben. Bis 2030 soll die Hälfte der Fernwärme klimaneutral erzeugt werden. Außerdem sollen mittelfristig jährlich mindestens 100.000 Gebäude neu an die Fernwärme angeschlossen werden.«
»Für eine erfolgreiche und zukunftsfeste Gestaltung der Energiewende sind Forschung und Transfer der Schlüssel. Nur durch Innovationen und die Überführung wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxis können wir neue Technologien entwickeln, die erneuerbare Energien effizienter, speicherbarer und bezahlbarer machen«, sagt Prof. Holger Hanselka, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft. »Mit ihren Projekten treibt die Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geotechnologien IEG zentrale Themen voran und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Energieversorgung der Zukunft. Auch mit dem »Fraunhofer Reallabor für Geothermie, Geotechnologien und Georessourcen - Geo³«, das zentrale Aspekte der anwendungsnahen Forschung zur Energiewende abdeckt, wird sie wertvolle Impulse geben für die energieintensive Industrie, Energieversorger und Kommunen.«
Über das »Fraunhofer Reallabor für Geothermie, Geotechnologien und Georessourcen - Geo³«
Die Forschungsplattform »Fraunhofer Reallabor für Geothermie, Geotechnologien und Georessourcen - Geo³« dient der wissenschaftlichen Untersuchung von hydrothermaler Geothermie im Rheinland durch zunächst zwei tiefe Forschungsbohrungen und großflächige geophysikalische Erkundung des Untergrundes in Verbindung mit einem stationären Observatorium in Weisweiler. Mit dem Technikum in Weisweiler entsteht ein Forschungszentrum für Georessourcen und Dekarbonisierung, welches angewandte Forschung zum Untergrund verknüpft mit innovativen Methoden und Energietechnik für die ökonomische, ökologische und sozial nachhaltige Transformation der Kohleregion. Betrieben wird das Reallabor von der Fraunhofer IEG. Assoziierte Partner sind der Energieversorger RWE Power AG, die Aachener Stadtwerke STAWAG sowie die RWTH Aachen und die Ruhr-Universität Bochum.
Das »Fraunhofer Reallabor« wird in drei Bausteinen finanziert:
Über das STARK-Programm fördert das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz die personellen und nicht-investiven Maßnahmen mit rund 8,15 Millionen Euro, weitere 0,815 Millionen Euro trägt das Land NRW, um den Transformationsprozess in den Kohleregionen zu unterstützen, wie es im Kohleausstieg von 2019 vom Bundestag beschlossen wurde.
Über eine Zuwendung des Landes NRW gemäß dem Investitionsgesetz Kohleregionen (InvKG) erhält das Projekt 36,54 Millionen Euro für die investiven Maßnahmen zu geophysikalischen Messungen, Forschungsbohrungen und deren infrastrukturelle Anbindung. Die Finanzierung nach InvKG teilt sich auf in einen Bundesanteil (29,6 Millionen Euro) und einen Landesanteil (6,94 Millionen Euro).
Für den Aufbau des Technikums in Weisweiler kommen rund 6,5 Millionen Euro aus der gemeinsamen Förderung der Fraunhofer-Gesellschaft durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung und das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW (50% / 50%) hinzu. So ergibt sich eine Gesamtförderung von 52,005 Millionen Euro für die geplante Projektlaufzeit von 4 Jahren.
Weitere Informationen und Bilder finden Sie unter: www.ieg.fraunhofer.de
Bildunterschriften:
Mit Messwagen wird Fraunhofer IEG den Untergrund im Rheinland auf der Suche nach Thermalwasser erkunden. Bild: A. Jüstel/Fraunhofer IEG
Erkundungsbohrungen liefern den Forschenden am Fraunhofer IEG Daten zu den Gesteinseigenschaften in der Tiefe. Bild: F. Jagert/ Fraunhofer IEG
Im Technikum entwickelt Fraunhofer IEG die nachhaltigen Energietechnologien der Zukunft. Bild: S. Kreklau/ Fraunhofer IEG
Aus den Daten erstellt Fraunhofer IEG Modell des Untergrundes, die Kommunen und Industrie für die Suche nach Wärmequellen nutzen können. Bild: F. Wellmann/Fraunhofer IEG
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Rolf Bracke, Rolf.Bracke@ieg.fraunhofer.de
Kosta Schinarakis, konstantinos.schinarakis@ieg.fraunhofer.de
Weitere Informationen:
http://ieg.fraunhofer.de
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