Bielefelder Konfliktmonitor: Mehrheit sieht Zunahme an Konflikten und keine Lösungen
Viele Themen beunruhigen Bürger*innen – nicht nur Migration und Sicherheit
Jede zweite befragte Person hält die Demokratie in Deutschland für instabil, nur 22 Prozent der Befragten nehmen sie als stabil wahr und 73 Prozent meinen, es gelingt nicht mehr die Konflikte zu lösen. Welche Konfliktthemen Bürger*innen in Deutschland besonders beschäftigen, zeigt der erste Konfliktmonitor der Konfliktakademie (ConflictA) an der Universität Bielefeld. An der Online-Befragung nahmen 2.900 Personen teil.
Von den Befragten erachten 78 Prozent Diskussionen über innere Sicherheit als wichtig. Die Befragten schätzen jedoch auch andere Konfliktthemen wie Infrastruktur, soziale Ungleichheit und Gesundheit als bedeutsam ein, die im aktuellen Bundestagswahlkampf eine untergeordnete Rolle spielen.
Die Befragung der Konfliktakademie ConflictA erfasste die Wahrnehmung zentraler Konfliktfelder. Die aktuelle Veröffentlichung ist ein Vorabergebnis des neuen Konfliktmonitors für Deutschland. Der Auswertung zufolge nannten die Befragten innere Sicherheit (78 Prozent), Migration (77 Prozent) und Meinungsfreiheit (76 Prozent) als bedeutsame Konfliktthemen.
Unterschiedliche Schwerpunkte bei Streitthemen
Dabei spiegelt sich in der Konfliktwahrnehmung nicht der polarisierte Wahlkampf um die Themen Migration und Sicherheit wider. Auch Infrastruktur (73 Prozent), soziale Ungleichheit (69 Prozent) und Gesundheit (68 Prozent) wurden häufig genannt. Wichtig sind den Befragten ebenso die Themen Rechtsextremismus (67 Prozent), der Unterschied zwischen Arm und Reich (65 Prozent) und der Klimawandel (61 Prozent).
Diskussionen über innere Sicherheit und Migration sind eher Wähler*innen der AfD, CDU und FDP wichtig, während das Thema Rechtsextremismus Anhänger*innen der SPD bewegt und der Klimawandel von Anhänger*innen von Bündnis90/Die Grünen als relevantestes Konfliktfeld angesehen wird.
Ursachen für gesellschaftliche Konflikte
Die Teilnehmenden der Online-Befragung nannten als Hauptgründe für aktuelle Konflikte mangelnde Kooperation in der Bundesregierung (70 Prozent), Überregulierung und Bürokratie (67 Prozent) sowie Inkompetenz von Parteien und Politik (68 Prozent). Fehlende gesellschaftliche Solidarität und wirtschaftliche Schwierigkeiten am Standort Deutschland wurden jeweils von 67 Prozent genannt.
Fehlender Zusammenhalt (65 Prozent), Intoleranz und Menschenfeindlichkeit (62 Prozent) erscheinen in den Augen der Befragten ebenso relevant für das Entstehen gesellschaftlicher Konflikte wie das Aufeinanderprallen verschiedener Kulturen und Religionen (63 Prozent).
Demokratie unter Druck
Rund ein Drittel der Befragten (30 Prozent) stimmt der Aussage zu, „Die Demokratie in Deutschland ist am Ende“, weitere 51 Prozent meinen, „Die Demokratie in Deutschland ist in erheblichem Maße gefährdet“. „Diese deutlichen Befunde weisen auf eine zentrale Aufgabe für die nächste Bundesregierung hin“, so die Autor*innen der Studie.
„Die Stärkung der Demokratie und ihrer Institutionen sollte verbunden sein mit einer Stärkung der Kompetenz, Konflikte jenseits aller Differenzen konstruktiv zu lösen“, sagt Professor Dr. Andreas Zick, Direktor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung und einer der Autor*innen der Studie. „Die Ergebnisse zeigen uns vielfach, dass die Befragten nach konstruktiven Debatten suchen. Wir müssen lernen, unterschiedliche Meinungen auszuhalten und dabei die demokratischen Grundwerte zu bewahren. Die Parteien müssen die Vielfalt der Themen, die die Bürger*innen bewegen, ernst nehmen, anstatt einseitige oder polarisierende Schwerpunktsetzungen vorzunehmen.“
Bielefelder Akademie untersucht Krisendynamiken
Die Daten für den Konfliktmonitor wurden vom 21. November bis 12. Dezember 2024 erhoben. Der Konfliktmonitor wurde erstmals von der Konfliktakademie (ConflictA) durchgeführt und soll künftig jährlich aktualisiert werden. Er soll eine Datengrundlage zur Erfassung innergesellschaftlicher Konflikte in Deutschland und darauf aufbauender Diskussionen liefern.
Die ConflictA verbindet Forschung mit praktischer Anwendung. Mit einem Budget von acht Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung untersucht sie bis 2027 unter dem Leitsatz „Konflikte beforschen, besprechen, bearbeiten und daraus lernen“ verschiedene Konfliktphänomene. Die Akademie konzentriert sich dabei auf drei Hauptbereiche: die Auswirkungen globaler Krisen auf innergesellschaftliche Konflikte, Faktoren für konstruktive Konfliktlösung sowie den Einfluss politischer und kultureller Rahmenbedingungen. Die ConflictA ist als Projekt am Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld angesiedelt.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dirk Lampe, Universität Bielefeld
Konfliktakademie „ConflictA“
E-Mail: dirk.lampe@uni-bielefeld.de
Allgemeine Medienanfragen zur ConflictA über das Online-Formular unter
https://conflict-a.de/kontakt
Originalpublikation:
Andreas Zick, Dirk Lampe, Anna Christina Nowak und Jonas Rees: Mehr streiten? Über was? Konfliktwahrnehmungen und Meinungen zur Demokratie in Deutschland. Vorabergebnisse aus dem Konfliktmonitor für Deutschland (ConflictA Spotlights), https://conflict-a.de/2025/02/mehr-streiten-ueber-was-konfliktwahrnehmungen-und-meinungen-zur-demokratie-in-deutschland-vorabergebnisse-aus-dem-konfliktmonitor-fuer-deutschland, veröffentlicht am 21. Februar 2025.
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