«Schnee und Heidelbeerkuchen hängen zusammen.»
Schneefreie Hänge auf 1900 m.ü.M.: Die Folgen für Pflanzen, warum Spätfrost zum Risiko wird und was das für die Heidelbeerernte bedeutet, erklärt SLF-Biologe Christian Rixen.
- Schnee schützt Pflanzen: Ohne Schneedecke trifft der Frost sie härter. Frühes Austreiben kann zu Schäden führen.
- Spätfrost als Gefahr: Pflanzen starten früher, doch Frost kann sie schädigen. Ernten wie Heidelbeeren oder Obst sind gefährdet.
Herr Rixen, in den Bergen liegt wenig Schnee. Selbst hier in Davos sind die ersten steilen Sonnenhänge bereits frei. Können dieses Jahr die Pflanzen früher austreiben oder keimen?
Nicht alle. Viele Gebirgspflanzen werden erst ab einer bestimmten Tageslänge aktiv, also beispielsweise erst, wenn die Sonne mehr als zwölf oder dreizehn Stunden scheint. Diese Arten sind im Winter meist gut vor Frost geschützt und die Schneebedeckung spielt keine so grosse Rolle. Anders ist das bei Arten, die ab einer bestimmten Temperatur loslegen. Für sie können schneearme Winter das Frostrisiko erhöhen.
Inwiefern?
Grundsätzlich schützt und isoliert eine Schneedecke Vegetation und Boden. Fehlt die isolierende Schneedecke, können Böden stärker durchfrieren und Pflanzen sind extremeren Temperaturen ausgesetzt. Zum Beispiel ist die Alpenrose in den meisten Jahren gut mit Schnee bedeckt. Fehlt der Schnee ist, ist sie physiologisch aktiv, hat also die Winterruhe beendet und führt wieder lebenswichtige Prozesse aus wie Photosynthese und Wachstum. Sobald sie das tut, kann sie aber Frostschäden erleiden. Der Schneemangel diesen Winter führt daher nicht zwangsläufig zu einem frühen Frühling mit vielen Blüten, sondern behindert im Gegenteil sogar das Wachstum mancher Pflanzen. Unter Umständen können sogar unsere Ernten betroffen sein.
Weil sich die Erntesaison nach hinten verschiebt?
Eher, weil ein Spätfrost zur falschen Zeit kommt. Wir haben es schon erlebt, dass Heidelbeeren, die früh schneefrei wurden, auch früh Blätter und Blütenknospen austrieben. Durch einen Spätfrost starben dann sämtliche Blütenknospen ab, und es gab in dem Jahr keine Heidelbeeren. Bis auf Standorte, an denen noch länger Schnee lag – hier waren die Pflanzen vor dem Frost geschützt. In solchen Jahren wird es schwierig mit dem Heidelbeerkuchen, denn Schneesituation und Heidelbeerkuchen hängen zusammen. Aber auch in tieferen Lagen können Nutzpflanzen durch eine zu frühe Entwicklung Schaden nehmen. Dies hat dann nicht mehr mit der Schneebedeckung zu tun. Entwickeln sich zum Beispiel Weinreben oder Obstblüten zu früh, können Spätfröste zu Ernteausfällen von bis zu 100 Prozent führen, wie wir es in den vergangenen Jahren schon einige Male erlebt haben.
Führen denn wärmere Temperaturen nicht automatisch zu einem geringeren Frostrisiko?
Eben nicht unbedingt. Auch in warmen Jahren, wenn sich Pflanzen früh entwickeln, bleibt das Risiko von Spätfrosten hoch. Das heisst, das Schadenspotential ist eben höher, weil die jungen Blätter empfindlich sind. Und selbst in einem wärmeren Klima ist es möglich, dass durch extrem schwankende Temperaturen das Frostrisiko hoch bleibt. Die bereits jetzt selbst in höheren Lagen schneefreien Hänge sind daher tendenziell ein Risko für Pflanzen.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Christian Rixen
rixen@slf.ch
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Weitere Informationen:
https://www.slf.ch/de/news/schnee-und-heidelbeerkuchen-haengen-zusammen/ Newsbeitrag auf der SLF-Website
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