Heinz Maier-Leibnitz-Preise 2025
Vier Forscherinnen und sechs Forscher erhalten wichtigste Auszeichnung für Wissenschaftler*innen in frühen Karrierephasen / Je 200 000 Euro Preisgeld / Verleihung am 3. Juni in Berlin
Vier Wissenschaftlerinnen und sechs Wissenschaftler erhalten in diesem Jahr den Heinz Maier-Leibnitz-Preis und damit Deutschlands wichtigste Auszeichnung für Forscher*innen in der Aufbauphase ihrer Karriere. Das hat der Hauptausschuss der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) in Bonn beschlossen. Die Ausgezeichneten erhalten ein Preisgeld von jeweils 200 000 Euro, das sie bis zu drei Jahre für ihre weitere Forschungsarbeit verwenden können. Hinzu kommt eine Programmpauschale in Höhe von 22 Prozent für indirekte Projektausgaben. Insgesamt waren 180 Forscher*innen aus allen Fachgebieten vorgeschlagen worden. Die Auswahl traf der zuständige Ausschuss unter dem Vorsitz des DFG-Vizepräsidenten und Biochemikers Professor Dr. Peter H. Seeberger. Verliehen werden die Preise am 3. Juni in Berlin.
Die Heinz Maier-Leibnitz-Preise 2025 gehen an:
Juniorprofessor Dr. Peter Andre, Wirtschaftspolitik, Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung SAFE, Frankfurt; Universität Frankfurt am Main
Dr. Lukas Bunse, Neurologie, Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg; Universitätsklinikum Mannheim
Dr. James Eills, Analytische Chemie, Forschungszentrum Jülich
Juniorprofessorin Dr. Lena Funcke, Computergestützte Teilchenphysik, Universität Bonn
Juniorprofessorin Dr. Manon Garcia, Praktische Philosophie, FU Berlin
Professor Dr. Richard Höfer, Angewandte Mathematik, Universität Regensburg
Juniorprofessorin Dr. Sinikka Lennartz, Marine Biogeochemie, Universität Oldenburg
Professor Dr. Marco Salvalaglio, Computergestützte Material- und Werkstoffmodellierung, TU Dresden
Dr. Martin Schmitz, Mensch-Maschine-Interaktion, Universität des Saarlandes, Saarbrücken
Dr. Maria Sokolova, Biochemie, Max-Planck-Institut für Biochemie, Martinsried
Der Heinz Maier-Leibnitz-Preis wird seit 1977 jährlich an herausragende Forscher*innen verliehen, die sich in einem frühen Stadium ihrer wissenschaftlichen Laufbahn befinden. Die Auszeichnung soll die Preisträger*innen, die noch keine unbefristete Professur innehaben, darin unterstützen und anspornen, ihre wissenschaftliche Laufbahn weiterzuverfolgen. Gewürdigt wird dabei nicht allein ihre Dissertation, sondern insbesondere, dass sie im Anschluss bereits ein eigenständiges wissenschaftliches Profil entwickelt haben und mit ihren Forschungsergebnissen die Fachcommunity bereichern, sodass auch in Zukunft wissenschaftliche Spitzenleistungen von ihnen erwartet werden können.
Mit der Preisrunde 2023 übernahm die DFG den Preis fest in ihr Förderportfolio, nachdem sie ihn zuvor zusammen mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) vergeben hatte. Benannt ist der Preis seit 1980 nach dem Atomphysiker und früheren DFG-Präsidenten Heinz Maier-Leibnitz, in dessen Amtszeit (1974–1979) er erstmals vergeben wurde.
Die Preisträger*innen im Einzelnen:
Professor Dr. Peter Andre, Wirtschaftspolitik, Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung SAFE, Frankfurt; Universität Frankfurt am Main
Viele Verbraucher*innen wissen zwar, dass ihr Konsumverhalten Märkte beeinflusst und ökologische Auswirkungen hat, glauben aber nicht, dass ihr Handeln etwas gegen die globale Umweltkrise bewirken kann. Dem geht der Verhaltensökonom Peter Andre auf die Spur: Er untersucht, wie Menschen über ökonomische Abhängigkeiten nachdenken und welche Überzeugungen sie in Bezug auf andere Marktteilnehmer*innen haben. Neben dem Klimawandel beschäftigt er sich mit weiteren zentralen wirtschaftlichen Herausforderungen wie Inflation und Ungleichheit. Methodisch nutzt er länderübergreifende Befragungsstudien, aber auch ökonomische Modelle und innovative Experimente. Peter Andres Ziel ist es, das menschliche Verhalten in wirtschaftlichen Kontexten grundlegend besser zu verstehen. Das kann auch für die Praxis relevant sein: Wenn es zum Beispiel gelänge, das Vertrauen der Verbraucher*innen in die Wirkung ihres Handelns zu stärken, könnte das einen wesentlichen Beitrag zur Bewältigung gegenwärtiger Krisen leisten.
Dr. Lukas Bunse, Neurologie, Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg; Universitätsklinikum Mannheim
Mit Immunzellen Hirntumore bekämpfen – das ist das Ziel des Mediziners Lukas Bunse. Seinen Blick richtet er dabei auf sogenannte höhergradige Gliome, die durch Mutationen von Zellen des Gehirns oder Rückenmarks entstehen und äußerst schwierig zu behandeln sind. Lukas Bunse, forschender Arzt in der Neurologie, will diese Hirntumore besser verstehen, um mithilfe dieser Erkenntnisse wirksame Immuntherapien zu entwickeln. Solche Therapien funktionieren, indem körpereigene Immunzellen gentechnisch so verändert werden, dass sie gezielt gegen Tumorzellen vorgehen. Bisher behandeln Ärzt*innen Gliome vor allem mit Operationen, Radio- und Chemotherapie. Bunses Forschungsergebnisse haben das Potenzial, die derzeit angewandten Therapien zukünftig durch eine schonendere Behandlungsform zu ergänzen oder sogar zu ersetzen. Darüber hinaus besteht die Aussicht, dass die Ansätze künftig auch auf andere Hirntumore oder andere Krebsarten übertragen werden können.
Dr. James Eills, Analytische Chemie, Forschungszentrum Jülich
Wie verhalten sich Atome im Magnetfeld? Welche Wechselwirkungen gehen sie mit anderen Atomen ein? Basierend auf diesem Zusammenspiel können mithilfe der Kernspinresonanzspektroskopie chemische Prozesse in Mikrochips, aber auch biologische Vorgänge im menschlichen Körper untersucht werden. Allerdings ist die Sensitivität, also die Empfindlichkeit, der Methode gering. Hier helfen sogenannte Hyperpolarisationstechniken, durch die die Signale in der Kernspinresonanzspektroskopie verstärkt werden können. An der Schnittstelle von Physik und Chemie nutzt James Eills für diese Technik para-Wasserstoff, wodurch beispielsweise die Bildgebung mit der Magnetresonanztomografie wesentlich empfindlicher gemacht werden kann. Die Technik erlaubt es auch, chemische Prozesse besser zu verstehen oder Enzymaktivitäten im Organismus detaillierter darzustellen und dadurch Krankheiten besser zu erkennen.
Juniorprofessorin Dr. Lena Funcke, Computergestützte Teilchenphysik, Universität Bonn
In der Teilchenphysik gibt es einige noch ungelöste Rätsel: Wieso haben Neutrinos eine so winzig kleine Masse? Warum gibt es so viel mehr Materie als Antimaterie im Universum? Diesen und anderen offenen Fragen ist Lena Funcke auf der Spur. In ihrer vielseitigen Forschung an der Schnittstelle von theoretischer Physik, Informatik und Mathematik arbeitet sie an neuen computergestützten Rechenmethoden zur Untersuchung von Quantenfeldtheorien. Sie entwickelt unter anderem Algorithmen für Quantencomputer und für „klassische“ Computer, basierend auf Maschinellem Lernen, sowie neue Modelle jenseits des Standardmodells der Teilchenphysik. Ziel ist es, Vorhersagen für zukünftige Experimente zu gewinnen, die wichtige Einblicke in die elementaren Prozesse der Natur liefern sollen. Mit ihrer bisherigen Forschung hat Funcke hier bereits neue Wege aufgezeigt – unter anderem entwickelte sie ein Modell, um die winzige Masse von Neutrinos zu erklären.
Juniorprofessorin Dr. Manon Garcia, Praktische Philosophie, FU Berlin
Was bedeutet es, frei zu sein, frei zu entscheiden und zu handeln? Wann und warum nehmen sich Menschen die Freiheit, auf Freiheit zu verzichten? Und welche Rolle spielt dabei die Unterscheidung von Mann und Frau? Manon Garcia wirft diese fundamentalen Fragen aus Perspektive der praktischen Philosophie auf neue Weise auf. Bereits in ihrer Dissertation legte sie eines der wichtigsten Bücher zur Philosophie Simone de Beauvoirs vor und entfaltete darin eine originelle feministische Perspektive: Die Unterwerfung der Frau wird nicht nur als das von außen kommende Verhindern von Emanzipation aufgefasst, sondern auch als eine selbstbestimmte Entscheidung, ob aus Gewohnheit oder sogar Lust. Zudem beschäftigt sich Garcia mit der Frage der Zustimmung und der Einvernehmlichkeit im Kontext sexueller Handlungen. Sie untermauert empirisch, dass Vergewaltigungen normaler sind, als es die öffentlichen Debatten darüber wahrhaben wollen. Wie kann das sein, und was sagt das über unsere Gesellschaft aus? Manon Garcias philosophische Studien sind damit auch von hoher sozialer und politischer Relevanz.
Professor Dr. Richard Höfer, Angewandte Mathematik, Universität Regensburg
Richard Höfer beschäftigt sich mit den mathematischen Eigenschaften von Differentialgleichungen, die physikalische Phänomene beschreiben. Ihm gelangen aufsehenerregende Durchbrüche in der mathematisch rigorosen Behandlung von Suspensionen, also Lösungen von kleinen Teilchen in Flüssigkeiten oder Gasen. Man könnte jedes einzelne Teilchen mit einer eigenen Gleichung modellieren, aber wenn man es mit mehreren Tausend oder gar Millionen Teilchen zu tun hat, wird ein übergreifender makroskopischer Ansatz notwendig. Höfers Ziel ist es, grundlegende Erkenntnisse über Wechselwirkungen zu gewinnen, die durch Experimente oder numerische Simulationen nur schwer zu erforschen sind. So modelliert er Wolken von Teilchen, anstatt einzelne Teilchen zu modellieren. Suspensionen sind in der Natur allgegenwärtig, zum Beispiel in Aerosolen und biologischen Flüssigkeiten. Daher können Richard Höfers theoretische Erkenntnisse auch für die Umwelt- und Medizintechnik relevant sein.
Juniorprofessorin Dr. Sinikka Lennartz, Marine Biogeochemie, Universität Oldenburg
Kohlenstoff durchläuft in unserem Erdsystem einen ständigen Kreislauf. Eine zentrale Rolle spielt dabei der Ozean – er nimmt Kohlenstoff in Form von CO2 aus der Atmosphäre auf, wandelt ihn über biologische Prozesse in andere Verbindungen um und speichert ihn. Umgekehrt gibt er aber auch klimarelevante Stoffe wie Spurengase in die Atmosphäre ab. Mit diesen wechselseitigen Prozessen beschäftigt sich die marine Biogeochemikerin Sinikka Lennartz und hat so bereits weitreichende Erkenntnisse zum globalen Kohlenstoffkreislauf erzielt. Sie konnte zeigen, dass der bis dato als konstant angesehene Pool von gelösten organischen Kohlenstoffverbindungen im Ozean nicht konstant ist, sondern viel mehr auf Umweltveränderungen reagiert, als zuvor angenommen wurde. In ihrer Forschung arbeitet Lennartz vorwiegend mit Erdsystemmodellen, aber auch im Labor und auf See. Dadurch gelingt es ihr, biogeochemische Prozesse von der molekularen und zellulären Ebene bis hin zu Ozeanbecken und dem gesamten Globus abzudecken. Die Erkenntnisse sind äußerst relevant, wenn es darum geht, das zukünftige Klima zu modellieren.
Professor Dr. Marco Salvalaglio, Computergestützte Material- und Werkstoffmodellierung, TU Dresden
Um neue und leistungsfähige Materialien entwickeln zu können, ist es essenziell, ihre Eigenschaften von der atomaren bis zur makroskopischen Skala zu verstehen – also von den kleinsten Bausteinen des Materials bis zu seiner gröberen Struktur. Ausgehend von der geometrischen Anordnung der enthaltenen Atome und Moleküle untersucht der Materialwissenschaftler und angewandte Mathematiker Marco Salvalaglio das Verhalten von Materialien und Werkstoffen. Insbesondere das elastische und plastische Verhalten von Metallen ist ein Schwerpunkt seiner Arbeiten. Salvalaglio verwendet spezielle Ansätze, die im Kern auf der Methode der Amplitudengleichungen beruhen und geeignete Skalenvergröberungen und Rekonstruktionen auf verschiedenen Längenskalen ermöglichen. Die so entstehenden mathematischen Gleichungen erlauben es ihm, kristalline Materialien zu modellieren und effizient zu simulieren.
Dr. Martin Schmitz, Mensch-Maschine-Interaktion, Universität des Saarlandes, Saarbrücken
Eine Welt ohne tragbare vernetzte Computersysteme wie Smartphones, Tablets und Laptops ist heute kaum mehr vorstellbar. Diese Erfolgsgeschichte der Informatik ist auch der Erforschung von Mensch-Computer-Interaktionen (Human–computer interaction, HCI) zu verdanken. Beispielsweise erforderte der Wechsel von Tastatur und Bildschirm hin zu Gestensteuerung mit berührungsempfindlichen Displays vielfältige Innovationen – die mit den aktuell verfügbaren Geräten keineswegs ans Ende gekommen sind. Martin Schmitz untersucht solche neuartigen Mensch-Maschine-Schnittstellen und bereitet damit die Grundlagen für das zukünftige Zusammenwirken von Menschen mit intelligenten Systemen wie Robotern. Bei der Erforschung neuer Interaktionsformen ist er äußerst kreativ, zum Beispiel fertigt er Sensoren mittels 3D-Druck. Zudem hat Schmitz ein thermisches Display aus wärmeleitenden Röhren mitentwickelt, mit dem das Wechselspiel von Stimuli in virtuellen Umgebungen untersucht werden kann. Seine Forschungsergebnisse eröffnen unter anderem neue Möglichkeiten in der Medizin, Rehabilitation und industriellen Robotik.
Dr. Maria Sokolova, Biochemie, Max-Planck-Institut für Biochemie, Martinsried
Maria Sokolova untersucht Bakteriophagen – Viren, die ausschließlich Bakterien infizieren und sich im Vergleich zu zellulären Lebewesen durch besondere Eigenschaften auszeichnen: In zellulären Organismen sind viele wichtige Enzyme wie beispielsweise RNA-Polymerasen konserviert, haben sich also im Laufe der Evolution nicht verändert. Bei Bakteriophagen hingegen weisen RNA-Polymerasen einzigartige Eigenschaften auf, die bei ihren konservierten zellulären Gegenübern fehlen. Die Biochemikerin Maria Sokolova erforscht diese Unterschiede und hat so bereits wertvolle Einblicke in die Evolution eröffnet. Ihre Erkenntnisse sind auch für die Biotechnologie relevant, in der die Eigenschaft von Phagen genutzt wird, sich schnell und vielseitig zu verändern. Maria Sokolova untersucht insbesondere die Transkriptionsmechanismen solch ungewöhnlicher Phagen-RNA-Polymerasen – also die biologischen Prozesse, bei denen genetische Information von DNA in RNA umgeschrieben wird.
Weiterführende Informationen
Die Verleihung der Heinz Maier-Leibnitz-Preise 2025 findet am 3. Juni um 16 Uhr im silent green Kulturquartier in Berlin statt. Vertreter*innen der Medien erhalten im Vorfeld der Veranstaltung weitere Informationen.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Medienkontakt:
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der DFG, Tel. +49 228 885-2109, presse@dfg.de
Ansprechpartnerin in der DFG-Geschäftsstelle:
Dr. Christina Elger, Wissenschaftliche Preise, Tel. +49 228 885-3117, christina.elger@dfg.de
Weitere Informationen:
http://www.dfg.de/maier-leibnitz-preis Informationen zu den Preisträger*innen 2025
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