Aufgaben und Verwicklungen der Bentheimer Eisenbahngesellschaft unter der Herrschaft des Nationalsozialismus
2021 hat die Bentheimer Eisenbahn AG in Kooperation mit der Uni Vechta ein Forschungsprojekt zu Aufgaben und Verwicklungen der Eisenbahngesellschaft unter der Herrschaft des Nationalsozialismus gestartet. Die Ergebnisse, die Wissenschaftler*innen in Deutschland und den Niederlanden unter der Beteiligung von rund 150 Studierenden erarbeitet haben, liegen nun vor. Die Projektverantwortlichen Prof. Dr. Eugen Kotte von der Uni Vechta und Christian Lonnemann, Leiter des Kreis- und Kommunalarchivs des Kreises Grafschaft Bentheim in Nordhorn, haben die Beiträge in einem Sammelband herausgegeben, der am 5. April bei einer Abschlussveranstaltung des Vorhabens in Bad Bentheim vorgestellt worden ist.
Von Interesse waren im Projekt politische Affinitäten in der Führung und Belegschaft der mehrheitlich landkreiseigenen Bentheimer Eisenbahn, deren Strecke vom westfälischen Gronau bis in das niederländische Coevorden führte. Daneben standen Aufgaben und Verwicklungen im Fokus, die das Verkehrs- und Transportunternehmen in der Zeit des „Dritten Reiches“ erfüllte – z. B. Häftlingstransporte und Zwangsarbeiterrekrutierung. Auch nahmen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Auswirkungen der NS-Verkehrspolitik sowie kriegsbedingte Beeinträchtigungen wie beispielsweise Bombardierungen in den Blick. Gleich mehrere Beiträge in dem nun erschienenen Sammelband beleuchten auch das Kriegsende, etwa in Hinblick auf die erst sehr spät erfolgenden Öltransporte und die kurzzeitig existenzielle Bedrohung des Unternehmens nach dem Einmarsch alliierter Truppen. Auch die Verbindung der Bentheimer Eisenbahn in die Niederlande, welche nach dem deutschen Überfall 1940 zwar weitgehend ruhte, aber vor dem Krieg (auch mit Blick auf Flüchtlinge) und nach Kriegsende (allerdings zunächst nur noch im Güterverkehr) von hoher Bedeutung war, wird beleuchtet.
Ausgangspunkt des Projekts war der Vorschlag des Gildehausers Wilhelm Hoon zur Erforschung der Kindertransporte nach der Reichspogromnacht 1938, die größtenteils über den damaligen Reichsbahnhof Bentheim Richtung Niederlande liefen. Untersuchungen zu Deportationen aus dem Polizeilichen Durchgangslager Westerbork (in den besetzten Niederlanden) zeigten, dass auch Deportationszüge der Reichsbahn in die Konzentrationslager ihren Weg über den Reichsbahnhof Bentheim nahmen. Die wichtige Bedeutung dieses deutschen Grenzbahnhofs, erst seit 2016 im Besitz der Bentheimer Eisenbahn, wurde in den Sammelband integriert.
Nach umfangreichen Recherchen mit Hilfe verschiedener Archivseminare der Universität Vechta, in denen Studierende Archivalien aus Bundes-, Landes-, Kommunal- und Spezialarchiven wie dem Jüdischen Museum Berlin sichteten, digitalisierten, kategorisierten und überblicksweise ordneten, entstanden zwölf wissenschaftliche Beiträge zu unterschiedlichen Aspekten der Geschichte der Bentheimer Eisenbahn unter der NS-Herrschaft. Diese wurden verfasst von niederländischen und deutschen Autoren aus verschiedenen wissenschaftlichen Einrichtungen und aus der Grafschaft Bentheim selbst. Eisenbahnvorstand Joachim Berends betonte, dass der Sammelband die Schließung einer Lücke in der Aufarbeitung der Unternehmensgeschichte darstelle. Landrat Uwe Fietzek würdigte die Bedeutung des Bandes für Region und Landkreis. Im Anschluss wurden mit den Herausgebern und zwei Autorinnen Schwierigkeiten, Grundlagenforschungen und wichtige Einzelergebnisse des Projekts in zwei, durch den stellvertretenden Chefredakteur der Grafschafter Nachrichten Steffen Burkert geleiteten Gesprächen erörtert. Aufgelockert wurde die gelungene Veranstaltung durch Musikeinlagen des Streichquartetts der Nordhorner Musikschule.
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