DGAI zum Koalitionsvertrag: Anästhesiologie muss in Reformen mitgedacht werden
Nürnberg. Die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. (DGAI) begrüßt zentrale gesundheitspolitische Vorhaben des Koalitionsvertrags von CDU/CSU und SPD. Mit rund zehn Millionen Patientinnen und Patienten jährlich und als viertgrößte ärztliche Berufsgruppe in Deutschland nehmen Anästhesistinnen und Anästhesisten eine tragende Rolle in der Versorgung ein. „Die Koalition setzt auch für unser Fachgebiet wichtige Impulse – jetzt gilt es, die Umsetzung aktiv mitzugestalten. Als eine der zentralen Säulen der Patientenversorgung stehen wir bereit, unsere fachliche Perspektive in den politischen Dialog einzubringen“, sagt Prof. Dr. Gernot Marx, Präsident der DGAI.
Digitalisierung jetzt konsequent vorantreiben
Die DGAI begrüßt gemeinsam mit dem Berufsverband Deutscher Anästhesistinnen und Anästhesisten e.V. (BDA) die im Koalitionsvertrag enthaltenen Vorhaben zur Digitalisierung des Gesundheitswesens. Dazu gehören der Ausbau der Telemedizin – etwa durch bessere Rahmenbedingungen und Honorierung für Videosprechstunden und Telemonitoring –, sowie die angestrebte Modernisierung der Gematik zur digitalen Vernetzungsagentur. „Gerade im Bereich der Anästhesiologie und Intensivmedizin, wo schnelle Kommunikation und interdisziplinäre Zusammenarbeit lebenswichtig sind, ist eine funktionierende digitale Infrastruktur unverzichtbar“, betont DGAI-Präsident Marx. Notwendig sei ein verlustfreier, standardisierter Datenaustausch zwischen allen Akteuren – auch über Sektorengrenzen hinweg.
Bereitschaftsdienst absichern
Positiv bewerten BDA und DGAI unter anderem die geplante gesetzliche Regelung zur Sozialversicherungsfreiheit für Ärztinnen und Ärzte im Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigungen – ein Anliegen, für das sich der BDA bereits seit längerem stark macht. Eine gesetzliche Klärung könne hier Verlässlichkeit schaffen und Versorgungsstrukturen sichern.
Kliniken am Limit – Transformation braucht stabile Finanzierung
Die im Koalitionsvertrag vorgesehenen Maßnahmen zur Schließung der Betriebskostenlücken der Jahre 2022 und 2023 sowie der geplante Transformationsfonds aus dem Sondervermögen werden von DGAI und BDA ausdrücklich unterstützt. Sie seien wichtige Schritte, um die wirtschaftliche Grundlage vieler Kliniken zu stabilisieren. „Viele Häuser arbeiten am Limit – wirtschaftlich wie personell. Eine verlässliche Finanzierung ist Voraussetzung dafür, dass Eingriffe sicher durchgeführt und Stationen dauerhaft betrieben werden können“, mahnt BDA-Präsidentin Prof. Dr. Grietje Beck.
Anästhesiologie sichtbar machen – jetzt
Im Kontext der Krankenhausreform fordern DGAI und BDA, anästhesiologische Leistungen endlich systematisch und sichtbar in den künftigen Leistungsgruppen zu verankern. Die im Koalitionsvertrag angekündigte Einführung der 60 NRW-Leistungsgruppen zum 1. Januar 2027 – ergänzt um die spezielle Traumatologie – schaffe einen verbindlichen Rahmen für die künftige Krankenhausvergütung. Aber: Ist dieser Rahmen einmal gesetzt, sind nachträgliche Anpassungen nur begrenzt möglich, da die Leistungsgruppen zunächst bis zur Evaluation unverändert bestehen bleiben, warnen die beiden Verbände. „Die Abbildung oder eben Nicht-Abbildung bestimmter Leistungen wird somit strukturelle Auswirkungen auf Jahre hinaus haben“, so Prof. Beck.
„Unser aller Ziel muss es sein, die Realität der interdisziplinären Versorgung auch in der Krankenhausplanung abzubilden – und damit die Grundlage für faire Vorhaltevergütung, sachgerechte Personalplanung und eine zukunftsfeste Versorgung zu schaffen“, fügt DGAI-Präsident Prof. Dr. Marx an und macht einmal mehr deutlich: „BDA und DGAI stehen der neuen Koalition hier als konstruktive und erfahrene Partner zur Seite.“
Finanzierung der Weiterbildung – Schlüssel zur Zukunftssicherung
Ein besonders kritischer Punkt für die Zukunft des Fachs bleibt aus Sicht der beiden Fachverbände die Finanzierung der Weiterbildung. „Wenn wir Versorgung langfristig sichern wollen, müssen wir heute für ausreichend qualifizierten Nachwuchs sorgen – und das geht nur, wenn Weiterbildung finanziell abgesichert ist“, sagt BDA-Präsidentin Prof. Dr. Grietje Beck. Hier fordern BDA und DGAI einmal mehr konkrete gesetzliche Regelungen.
Hybrid-DRG: Chance ja, Absenkung nein
Ausdrücklich begrüßen die anästhesiologischen Fachverbände die geplante Weiterentwicklung der Hybrid-DRG zur Stärkung der sektorenübergreifenden Versorgung, erneuern aber gleichzeitig ihre deutliche Ablehnung einer mittelfristigen Absenkung der Hybrid-DRG auf das EBM-Niveau, wie sie in der ursprünglichen Gesetzgebung als Ziel formuliert wurde. Dies würde insbesondere bei aufwendigen, sachkostenintensiven Leistungen zu einer strukturellen Unterfinanzierung führen und die notwendige Ambulantisierung konterkarieren. „Die Hybrid-DRG können nur dann ihr volles Potenzial entfalten, wenn die Finanzierung realistische Kosten- und Qualitätsstrukturen abbildet. Anästhesiologische Leistungen sind integraler Bestandteil vieler ambulanter Eingriffe und dürfen in der Finanzierung nicht marginalisiert werden“, betont BDA-Vizepräsident Dr. Frank Vescia.
Bürokratieabbau: Richtig und überfällig
Die im Koalitionsvertrag vorgesehenen Maßnahmen zur Entbürokratisierung – wie die Absenkung der Prüfquote bei Krankenhausabrechnungen – werden von BDA und DGAI ausdrücklich begrüßt. Sie entsprächen langjährigen Forderungen der Verbände und könnten dringend benötigte Ressourcen für die direkte Patientenversorgung freisetzen.
Fazit: Reform als Chance begreifen
„Es ist uns wichtig, dass die politischen Entscheidungsträger erkennen: Auch wir sehen die Bereitschaft zur Reform als Chance, dringend notwendige Veränderungen im Gesundheitssystem voranzutreiben“, betont BDA-Präsidentin Beck. Dies gelte gleichermaßen für die dringend erforderliche Reform der Notfallversorgung, deren zeitnahe Umsetzung kürzlich auch vom BDA ausdrücklich begrüßt wurde. „Wir sind bereit, die Reformen aktiv zu begleiten und die notwendigen Schritte gemeinsam zu gehen, um eine zukunftsfähige Patientenversorgung zu gewährleisten“, so DGAI-Präsident Marx.
Kontaktdaten:
Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. (DGAI)
Neuwieder Str. 9, 90411 Nürnberg
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0911 93378-33
www.dgai.de
Originalpublikation:
https://www.dgai.de/aktuelles-patientinnen-projekte/pressemitteilungen/2366-bda-und-dgai-zum-koalitionsvertrag-anaesthesiologie-muss-in-reformen-mitgedacht-werden.html
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