Erfolgreicher Auftaktworkshop in Offenburg zur Eindämmung der Ameisenart Tapinoma magnum
Die Staatlichen Museen für Naturkunde in Stuttgart und Karlsruhe leiten seit Jahresbeginn ein umfassendes Forschungsprojekt mit dem Ziel, die Ausbreitungsmechanismen der Ameisenart Tapinoma magnum zu verstehen und darauf aufbauend Prognosen für ihre zukünftige Ausbreitung zu treffen. Zudem sollen effektive Strategien zur Bewältigung der Invasion von Tapinoma magnum entwickelt werden. Im Rahmen des Projekts fand am 11. April 2025 ein Auftaktworkshop im Landratsamt des Ortenaukreises in Offenburg statt.
Gemeinsame Pressemitteilung des Naturkundemuseums Stuttgart und des Naturkundemuseums Karlsruhe
Die zunehmende Ausbreitung der aus dem Mittelmeerraum stammenden Ameisenart Tapinoma magnum stellt eine erhebliche Bedrohung für die bauliche und technische Infrastruktur in Baden-Württemberg und weiteren Teilen Deutschlands dar. In Kehl hat die Bildung von Superkolonien bereits zu Beeinträchtigungen von Strom- und Internetverbindungen geführt. Auch zahlreiche Nachbargemeinden melden gravierende Probleme.
Auf Initiative von Bernd Mettenleiter (Bündnis 90/Die Grünen), Landtagsabgeordneter des Wahlkreises Kehl, und unterstützt durch das Umweltministerium Baden-Württemberg, leiten die Staatlichen Museen für Naturkunde in Stuttgart und Karlsruhe seit Jahresbeginn ein umfassendes Forschungsprojekt. Ziel ist es, die Ausbreitungsmechanismen der Ameisenart Tapinoma magnum zu verstehen und darauf aufbauend Prognosen für ihre zukünftige Ausbreitung zu treffen. Zudem sollen effektive Strategien zur Bewältigung der aggressiven Invasion von Tapinoma magnum entwickelt werden. Im Rahmen des Projekts fand am 11. April 2025 ein entscheidender Auftaktworkshop im Landratsamt des Ortenaukreises in Offenburg statt. Bei diesem Treffen kamen Akteure aus Wissenschaft, Politik und Kommunen sowie Bürger*innen und Schädlingsbekämpfungsexpert*innen zusammen, um aktuelle Erkenntnisse auszutauschen, laufende Projekte zu evaluieren und tragfähige Partnerschaften für eine effektive Überwachung und Eindämmung der Ameiseninvasion mit den Nachbarregionen aufzubauen.
Im Zentrum der Diskussionen standen mehrere Hauptanliegen: die Erforschung der Ausbreitungsdynamik von Tapinoma magnum durch genomische und ökologische Studien, die Notwendigkeit der formellen Anerkennung als invasive Art, umfassende Aufklärungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen für die Öffentlichkeit sowie die Vernetzung und gemeinsame Initiativen der beteiligten Akteure. Zudem wurde großer Wert auf die aktive Mitwirkung der Bevölkerung bei der Erfassung von Vorkommen gelegt. Basierend auf diesen Erkenntnissen und weitreichender Grundlagenforschung planen die teilnehmenden Experten*innen, Handlungsempfehlungen für betroffene Kommunen und Bürger*innen zu entwickeln. Diese sollen praxisnahe Anleitungen zur Identifizierung, Begrenzung und Eindämmung der Invasion sowie Best-Practice-Beispiele zum Schutz kritischer Infrastrukturen bieten. Ergänzend dazu ist die Erstellung eines Bestimmungsschlüssels und eines Meldeportals für Tapinoma-Befälle vorgesehen.
Rückblick Tapinoma-Auftakt-Workshop am 11. April 2025 in Offenburg, Stimmen:
Bernd Mettenleiter, MdL, Wahlkreis Kehl, (Bündnis 90/Die Grünen), Initiator des Forschungsprojektes zu Tapinoma magnum: „Im Wahlkreis Kehl werde ich häufig auf die Probleme mit der Ameisenart Tapinoma magnum angesprochen, was den großen Handlungsbedarf verdeutlicht. Angesichts des erheblichen Schadenspotenzials müssen wir dringend gemeinsam aktiv werden. Ziel des Projektes soll sein, Abhilfe zu schaffen. Die Auftaktveranstaltung hat das breite Interesse an diesem Thema gezeigt. Ich danke allen beteiligten Akteuren und bin sicher, dass wir für die Zukunft zu guten Lösungen kommen werden.“
Thorsten Erny, Landrat des Ortenaukreises: „Zur Bekämpfung der Tapinoma magnum braucht es dringend wissenschaftlich fundierte, koordinierte und vor allem nachhaltige Lösungsansätze, auch um für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger schnellstmöglich praktikable Lösungen zu entwickeln. Ich begrüße das neue Forschungsprojekt, das auf Initiative des Landtagsabgeordneten Herrn Mettenleiter auf den Weg gebracht wurde und danke dem Umweltministerium Baden-Württemberg, das die Problematik erkannt und die Förderung des Projekts übernommen hat. Ein herzliches Dankeschön auch den Naturkundemuseen in Stuttgart und Karlsruhe, die das Projekt leiten.“
Dr. Manfred Verhaagh, Ameisenspezialist, Naturkundemuseum Karlsruhe: „Das zentrale Ergebnis des Workshops ist die erfolgreiche Vernetzung der unterschiedlichen Akteure. Diese Zusammenarbeit schafft ein umfassendes Verständnis des Problems und bildet die Grundlage für koordinierte Maßnahmen. Es ist entscheidend, diesen Dialog fortzuführen. Genetische Analysen von Tapinoma magnum sind notwendig, um ihre Verbreitungsmechanismen zu verstehen und herauszubekommen, ob bereits weitere nahe verwandte und ebenfalls invasive Arten in Baden-Württemberg angekommen sind, während Citizen Science wesentlich zur detaillierten Erfassung der Ausbreitung beitragen wird.“
Prof. Dr. Lars Krogmann, Wissenschaftlicher Direktor, Naturkundemuseum Stuttgart: „Ich bin zuversichtlich, dass unser Forschungsprojekt wesentliche Grundlagen für ein wissenschaftlich fundiertes Management von Tapinoma magnum legt. Die heutige Veranstaltung hat den großen Bedarf und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit eindrucksvoll belegt. Ich danke allen Teilnehmer*innen für den konstruktiven Austausch und bedanke mich bei der Politik für die Unterstützung und das Erkennen der Dringlichkeit."
Prof. Dr. Martin Husemann, Wissenschaftlicher Direktor, Naturkundemuseum Karlsruhe: „Unsere intensive Forschungsarbeit, besonders im angewandten Bereich, leistet einen entscheidenden Beitrag zum Verständnis der Invasionsdynamik von Tapinoma magnum. Als Museen sind wir eng mit der Öffentlichkeit vernetzt und betreiben umfassende kommunikative Arbeit. Bei diesem Projekt können wir beide Kompetenzen – Forschung und Kommunikation – gezielt einsetzen und effektiv nutzen."
Prof. Dr. Ricardo Pereira, Leiter der Abteilung Biodiversitätsmonitoring, Naturkundemuseum Stuttgart: „Die kleine Ameisenart Tapinoma magnum hat tiefgreifende Auswirkungen auf lokale Gemeinden. Mit der fortschreitenden Klimaerwärmung und einem wärmeren Frühling werden weitere gebietsfremde Arten folgen. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, gesetzgebenden Organen und lokalen Gemeinschaften ist entscheidend, und der Workshop hat gezeigt, dass solch eine Zusammenarbeit erfolgreich möglich ist.“
HINTERGRUND ZUM PROJEKT:
Tapinoma-Forschungsprojekt: „Genomische und ökologische Analysen der Ausbreitung der invasiven Ameisenart Tapinoma magnum in Baden-Württemberg als Grundlage für ein effektives Management“
Die aus dem Mittelmeergebiet stammende Ameisenart Tapinoma magnum bildet riesige Superkolonien und bedroht zunehmend Gebäude und Infrastruktur in Baden-Württemberg und anderen Regionen Deutschlands. Das „Tapinoma-Projekt“ bündelt daher die Expertise der Staatlichen Naturkundemuseen Stuttgart und Karlsruhe mit Citizen Science, um diese Herausforderung zu bewältigen. Ein moderner Forschungsansatz, basierend auf genomischen und ökologischen Untersuchungen, soll die Dynamik der Invasion analysieren, um langfristig effektive Managementstrategien zu entwickeln. Geplant sind die Koordination und Vernetzung mit Regionen in Deutschland, der Schweiz und Frankreich, um den Schaden weiter einzudämmen. Workshops werden den Austausch fördern und zukünftige biologische Überwachungsinitiativen unterstützen.
Folgende Arbeitsschwerpunkte sind geplant:
Erstellung eines Referenzgenoms:
Die Forschenden wollen mit Hilfe der Langzeit-Genomsequenzierung ein qualitativ hochwertiges Referenzgenom für die invasive Linie von Tapinoma magnum erstellen. Mit Hilfe dieses Genoms können genetische Marker identifiziert werden, die eine Unterscheidung der Populationen in den Invasionsgebieten ermöglichen. Dies erleichtert die Überwachung und Nachverfolgung der Invasion. Die Zusammenarbeit der Expert*innen der Staatlichen Museen für Naturkunde Stuttgart und Karlsruhe stellt hierbei eine zuverlässige Bestimmung und langfristige Sammlung von Beleg- und Vergleichsexemplaren sicher.
Einbindung von Citizen Scientists zur Kartierung der Verbreitung:
Bürger*innen werden aufgerufen, Exemplare von Tapinoma magnum zu sammeln, die Sammeldaten zu dokumentieren und ihre Funde über das Naturportal Südwest (www.naturportal-suedwest.de) zu melden. Die Einbindung von Bürger*innen (Citizen Science) in die naturwissenschaftliche Forschung ermöglicht die Abdeckung großer geografischer Bereiche Baden-Württembergs. Die gesammelten Daten bilden die Basis für die räumliche und zeitliche Nachverfolgung der Invasion.
Evolutionäre Genomik der Invasion:
Eine Genotypisierung von Individuen aus heimischen und invasiven Populationen ermöglicht es, die Quellen der Invasion zu identifizieren. Das Zusammenwachsen verschiedener Kolonien kann dokumentiert und geographische Barrieren, die die Ausbreitung einschränken, können identifiziert werden. Zusätzlich zu diesen geplanten Schritten wird das Projekt auch das Ausmaß des „Gründereffekts“ und die nachfolgende demographische Expansion während der Invasion von Tapinoma magnum bewerten. Diese Analyse wird wichtige Einblicke in die genetische Entwicklung und die Anpassungsfähigkeit der invasiven Ameisenpopulation liefern, die für das Verständnis der Ausbreitungsdynamik entscheidend sind.
Modellierung der zukünftigen Ausbreitung:
Mit Hilfe ökologischer Daten aus heimischen und invasiven Gebieten werden die Forschenden Umweltvariablen identifizieren, die das Vorkommen von Tapinoma magnum beeinflussen. Durch die Einbeziehung von Klimadaten und Stadtentwicklungsplänen wird zudem modelliert, ob und wie die Invasion der Ameisenart durch neue Anpassungen oder Veränderungen der Umweltbedingungen wie Klima oder städtische Expansion begünstigt wird. Dieses Modell ermöglicht es, unter Berücksichtigung verschiedener Zukunftsszenarien vorherzusagen, in welchen geografischen Gebieten eine Ausbreitung am wahrscheinlichsten ist. Über ein Ampelsystem bilden diese Modelle die Grundlage für eine Risikoanalyse für Städte und Gemeinden.
Bereitstellung der Forschungsergebnisse für die Öffentlichkeit:
Die Expert*innen möchten auf der Grundlage ihrer Forschungsergebnisse eine Handlungsempfehlung (White Paper) für betroffene Kommunen mit praktischen Hinweisen zum Erkennen, Abbremsen und Eindämmen von Invasionen sowie Best-Practice-Beispielen für den passiven Schutz kritischer Infrastrukturen erstellen. Für Privatpersonen wird ein Leitfaden mit Bestimmungsschlüssel und in Abstimmung mit der LUBW ein Meldeportal mit Möglichkeiten zur Registrierung eines Tapinomabefalls erstellt. Die Projektergebnisse werden auf einer Abschlusstagung mit Vertretern aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft diskutiert.
Weitere Informationen:
Projektpartner: Dieses Projekt wird gemeinsam vom Staatlichen Museum für Naturkunde Stuttgart (Prof. Dr. Ricardo Pereira / Prof. Dr. Lars Krogmann) und dem Staatlichen Museum für Naturkunde Karlsruhe (Prof. Dr. Martin Husemann / Dr. Manfred Verhaagh) koordiniert und in enger Zusammenarbeit mit der Universität Hohenheim (Prof. Dr. Christian Rabeling) sowie Forschenden des Kompetenzzentrums für Biodiversität und integrative Taxonomie (KomBioTa) durchgeführt.
Projektlaufzeit des Tapinoma-Projekts: 2 Jahre (ab 2025)
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Ricardo Pereira
Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart
Abteilungsleitung Biodiversitätsmonitoring
E-Mail: ricardo.pereira@smns-bw.de
Dr. Dominic Wanke
Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart
Forschungsreferent, Tapinoma-Projekt
E-Mail: tapinoma@smns-bw.de; dominic.wanke@smns-bw.de
Dr. Manfred Verhaagh
Staatliches Museum für Naturkunde Karlsruhe
Referat Entomologie, Ameisenspezialist
E-Mail: manfred.verhaagh@smnk.de
Prof. Dr. Martin Husemann
Staatliches Museum für Naturkunde Karlsruhe
Wissenschaftlicher Direktor
E-Mail: martin.husemann@smnk.de
Weitere Informationen:
https://www.naturkundemuseum-bw.de/
https://www.smnk.de/
https://www.uni-hohenheim.de/
https://kombiota.uni-hohenheim.de
http://www.naturportal-suedwest.de
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