Bienen im Persönlichkeitstest
Forschende des Exzellenclusters „Kollektives Verhalten“ der Universität Konstanz haben herausgefunden, dass Honigbienen ein und desselben Volkes unterschiedliche Vorlieben im Stechverhalten haben. Während die einen noch zögern, stechen die anderen bereits zu.
Honigbienen sind ein gut organisiertes Volk. Die einen sammeln Nektar, die nächsten Wasser, ein paar fächeln dem Bienenstock Luft zur Kühlung zu – und manche verteidigen das Volk, indem sie Feinde stechen. Doch wann passiert das eigentlich genau? Und neigen manche Individuen mehr zum Angriff als andere? Ein Forschungsteam der Universität Konstanz geht diesen Fragen genauer auf den Grund. In einer aktuellen Studie haben sie nun herausgefunden, dass es Bienen gibt, die immer in Angriffshaltung gehen, während andere Artgenossen stets friedlich bleiben. Sie zeigen auch, welche sozialen Faktoren das jeweilige Verhalten regulieren und dass die Persönlichkeit der einzelnen Bienen in der Gruppendynamik eine größere Rolle spielt als gedacht.
Für ihre Forschung hat die Doktorandin Kavitha Kannan von der Universität Konstanz, unter Leitung der Neurobiologin Morgane Nouvian, gezielt Wächterbienen an den universitätseigenen Bienenstöcken eingefangen, um eine homogene Gruppe mit vermeintlich identischem Stechverhalten zusammenzustellen. „Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass eine Sammlerin allein durch die Aufgabenverteilung ein anderes Stechverhalten zeigt als eine Wächterin. Da wir so viele Einflussfaktoren wie möglich ausschließen wollten, war diese Selektion der erste logische Schritt. Anschließend konnten wir nach und nach weitere Einflussfaktoren testen", erklärt Kannan.
Eine Biene schlägt Alarm, aber nicht alle folgen
Aus vorangegangenen Studien war den Forschenden bekannt, dass die Tiere von Pheromonen beeinflusst werden. Entscheidet sich eine Biene, zuzustechen, wird ein Alarmpheromon freigesetzt, das Artgenossen dazu animiert, es der ersten Biene gleich zu tun. Mit jedem weiteren Stich steigt die Konzentration dieses Pheromons, was wiederum Auskunft darüber gibt, wie viele Bienen bereits an dem Angriff beteiligt sind. Untersuchungen haben gezeigt, dass ab einer gewissen Konzentration das Stechverhalten wieder nachlässt. Gerade vor dem Hintergrund, dass Bienen beim Zustechen meist ihren Stachel verlieren und in der Folge verenden, ist dies ein sinnvolles Instrument, ein Massensterben infolge eines Angriffs zu verhindern. Die Wahrscheinlichkeit, ob eine Biene auf eine bestimmte Konzentration eines Alarmpheromons reagiert, hängt dabei auch von der Gruppengröße ab.
Bislang unbekannt war jedoch, wie entschieden wird, welche der anwesenden Bienen sich letztlich am ehesten für ein Zustechen entscheidet. Die Ergebnisse der aktuellen Studie legen nahe, dass die Persönlichkeit der einzelnen Bienen dabei eine große Rolle spielt. „Wir haben in unseren Versuchen mehrere Situationen simuliert, um schrittweise verschiedene Einflussfaktoren zu erforschen“, erklärt Nouvian. Dabei hat das Team Attrappen genutzt, die ein Zustechen der Bienen provozieren sollten, zugleich aber ein Steckenbleiben des Stachels verhinderten. Das Vorgehen bot den Vorteil, dass die Tiere wiederholt einer Situation ausgesetzt werden konnten, um die jeweilige Reaktion zu verifizieren und ein rein zufälliges Verhalten auszuschließen.
Individualisten im Bienenschwarm
„In einer Gruppe haben wir beispielsweise getestet, ob eine Biene bei ihrem Stechverhalten blieb, wenn Artgenossen anwesend waren, in einer anderen Gruppe die Auswirkung des Alarmpheromons“, erklärt Nouvian weiter. „Letztlich hat sich gezeigt, dass die Faktoren zwar einen Einfluss haben, sich aber nicht auf die Vorhersagbarkeit des individuellen Stechverhaltens auswirken“, ergänzt sie. Die jeweilige Persönlichkeit hat also mehr Einfluss als der Drang zur Anpassung. Dies bestätigte auch ein abschließendes Experiment. Hierbei stellten die Forschenden fest, dass die Bienen ihr Stechverhalten nicht in Abhängigkeit von der Gruppenzusammensetzung änderten. Selbst Honigbienen, die dafür bekannt sind, dass sie sehr sozial leben und die Bedürfnisse des Bienenvolks über ihre eigenen stellen, bewahren sich demnach eine gewisse Individualität.
Faktenübersicht:
- Originalpublikation: Kannan K., Galizia C.G., Nouvian M. (2025): Consistency and individuality of honeybee stinging behaviour across time and social contexts. Royal Society Open Science 12:241295. DOI: 10.1098/rsos.241295
- Dr. Morgane Nouvian ist Neurobiologin an der Universität Konstanz und Mitglied des Exzellenzclusters „Kollektives Verhalten“. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich vor allem mit dem Stechverhalten von Honigbienen.
- Kavitha Kannan ist Doktorandin an der Universität Konstanz. In ihrer Doktorarbeit erforscht sie das Stechverhalten von Honigbienen.
- Der Exzellenzcluster Kollektives Verhalten der Universität Konstanz ist ein weltweit führendes Spitzenforschungszentrum für die Erforschung von Schwarmverhalten. Interdisziplinär werden drängende Fragen über Arten- und Organisationsebenen hinweg angegangen, von neuronalen Mechanismen über individuelle Wahrnehmung und Präferenzen bis hin zu kollektivem Verhalten in Gruppen oder ganzen Gesellschaften.
Hinweis an die Redaktion:
Bildmaterial kann im Folgenden heruntergeladen werden.
1) https://www.uni-konstanz.de/fileadmin/pi/fileserver/2025_extra/bienen_im_persoenlichkeitstest_1.jpg
Beschreibung: Kavitha Kannan fängt an den universitätseigenen Bienenstöcken Honigbienen für ihre Forschung.
Credit: Universität Konstanz
2) https://www.uni-konstanz.de/fileadmin/pi/fileserver/2025_extra/bienen_im_persoenlichkeitstest_2.jpg
Beschreibung: Bei einem kurzen Aufenthalt im Versuchsbehälter werden die Bienen verschiedenen Situationen ausgesetzt und beobachtet.
Credit: Universität Konstanz
3) https://www.uni-konstanz.de/fileadmin/pi/fileserver/2025_extra/bienen_im_persoenlichkeitstest_3.jpg
Beschreibung: Kavitha Kannan (rechts) und Morgan Nouvian (links) bei der Arbeit mit den Bienen.
Credit: Universität Konstanz
Originalpublikation:
Kannan K., Galizia C.G., Nouvian M. (2025): Consistency and individuality of honeybee stinging behaviour across time and social contexts. Royal Society Open Science 12:241295. DOI: 10.1098/rsos.241295
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