Deep Learning am HDZ NRW: Forschung für die Herzdiagnostik
Digitalisierung, Automatisierung und Künstliche Intelligenz (KI) verändern die Gesundheitsversorgung. Mit einem eigenen KI-Forschungsbereich entwickelt das Institut für Radiologie, Nuklearmedizin und Molekulare Bildgebung am Herz- und Diabeteszentrum NRW (HDZ NRW), Bad Oeynhausen, jetzt Verbesserungen für die bildgebende Diagnostik, von denen Herzpatienten künftig profitieren können. Eine deutschlandweite Studie soll dieses Jahr belastbare Ergebnisse liefern.
„In die bildgebende Herzdiagnostik haben KI-Prozesse längst Einzug gehalten“, sagt Institutsdirektor Prof. Dr. Wolfgang Burchert. „In den letzten 20 bis 30 Jahren hat die rasante Entwicklung in der digitalen Datenverarbeitung die Rechenleistung und Genauigkeit von Bildanalysen bei Computer- und Magnetresonanztomographien (CT, MRT) stetig verbessert.“ Herz- und lungenkranken Patientinnen und Patienten steht am HDZ NRW modernste bildgebende Diagnostik zur Verfügung. Und auch die Strahlenbelastung könne mit der hochmodernen Ausstattung so gering wie möglich gehalten werden – zum Beispiel auch bei Röntgen- und Thoraxaufnahmen.
Weil es dabei ein großes Anliegen sei, die Medizintechnik nicht nur auf dem neuesten Stand zu halten, sondern die Anwendungen zukünftig auch für spezifische Fragestellungen der Bildgebung aus dem Klinikalltag patientenorientiert selbst mitzuentwickeln, arbeitet der Datenwissenschaftler (Data Scientist) Dr. Tamino Huxohl seit zwei Jahren an eigenen Forschungsprojekten im Institut. Seine Aufgabe ist es, Probleme zu identifizieren und zu untersuchen, die aufgrund des immensen Schatzes an Bilddaten im HDZ NRW mit KI lösbar sind, um die Qualität der bildgebenden Diagnostik weiter zu verbessern.
Von Big Data zu Smart Data
Dr. Huxohl beschäftigt sich derzeit mit Automatisierungsprozessen bei der SPECT-Diagnostik (SPECT = single photon emission computed tomography). Mit diesem nuklearmedizinischen Verfahren werden mit Einsatz einer sogenannten Gamma-Kamera Schnittbilder der Durchblutung des Herzmuskels erstellt. Für die Herzspezialisten sind diese Aufnahmen zur Beurteilung der Herzfunktion und Durchblutung des Herzens bei koronaren Herzerkrankungen (KHK) und deren Verlaufsuntersuchungen von besonderer Bedeutung.
Das Problem: Störungen in der medizinischen Bildgebung - sogenannte Absorptionsartefakte, die durch das Gewebe des Patienten verursacht werden - verfälschen das Durchblutungssignal. Das kann eine schlechtere diagnostische Genauigkeit bedeuten. Bei modernen diagnostischen Geräten (SPECT/CT) können diese Artefakte mit einem zusätzlichen CT korrigiert werden, so Huxohl. „Unsere Frage lautete: Kann eine solche Schwächungskorrektur auch mittels Künstlicher Intelligenz vorgenommen und damit eine CT ersetzt werden?“
Erste Anhaltspunkte darauf, dass dies tatsächlich möglich ist, ergeben sich aus einer monozentrischen Studie, die Dr. Huxohl anhand von 150 Datensätzen innerhalb von drei Monaten durchführte. Die Ergebnisse waren so vielversprechend, dass das Forschungsvorhaben auf inzwischen elf nuklearmedizinische Universitätskliniken deutschlandweit vergrößert worden ist. Die gemeinsame multizentrische Studie unter seiner Federführung soll noch in diesem Jahr veröffentlicht werden.
Die Wissenschaftler nutzen dabei einen Teilbereich der KI, das maschinelle Lernen oder sogenannte Deep Learning, dass es Computern ermöglicht, aus eingegebenen Daten und Mustern zu lernen. In der radiologischen Beurteilung werden Deep Learning Algorithmen bereits genutzt, um nach ähnlichen Fällen zu suchen und damit schneller zu einer Differentialdiagnose zu gelangen. Die Anwendung basiert auf dem Prinzip künstlicher neuronaler Netzwerke, dafür wurde der diesjährige Nobelpreis für Physik vergeben.
„Richtig konfigurierte künstliche neuronale Netze sind erstaunlich gut darin, Computertomographien für die Schwächungskorrektur, basierend auf SPECT Bildern, zu schätzen“, erläutert Huxohl. Seine Studie zeigt, dass die auf diese Weise künstlich generierte Aufnahme eine gleichwertige Bildqualität und Korrektur der Artefakte erreichen kann. Falsch positive Befunde könnten damit voraussichtlich um bis zu 15 Prozent reduziert werden.
KI-Potential für bessere Patientenversorgung
„Für die Herzmuskelszintigraphie, die etwa 280.000 Mal in Deutschland bei Patienten mit chronischer KHK durchgeführt wird, bedeutet eine solche Qualitätsverbesserung schon eine kleine Revolution“, wagt Professor Burchert eine Prognose zu den zukünftigen technologischen Möglichkeiten für die Bildgebung. „Möglicherweise können wir mit diesen Erkenntnissen auch dazu beitragen, eine starke Verbesserung für die breite klinische Anwendung zu entwickeln, auch wenn es bis dahin noch ein weiter Weg ist.“ Nicht zuletzt eröffnen Deep Learning Modelle auch neue Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten für den medizinischen Nachwuchs. „Schlussendlich aber profitieren vor allem unsere Patienten von dem Qualitätsschub in der Diagnostik.“
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Hintergrundinformation:
Deep Learning bezeichnet eine Methode des maschinellen Lernens, die auf künstlichen neuronalen Netzwerken basiert, um die komplexen Entscheidungsstrukturen des menschlichen Gehirns zu simulieren. Entsprechende Algorithmen werden mit Hilfe von Programmiersprachen entwickelt.
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Das Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen (HDZ NRW), Bad Oeynhausen, ist ein international anerkanntes Zentrum zur Behandlung von Herz-, Kreislauf- und Diabeteserkrankungen. Mit 36.000 Patienten pro Jahr, davon 14.500 in stationärer Behandlung, ist das HDZ NRW ein führendes Spezialklinikum in Europa. Das HDZ NRW ist seit 1989 Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum. Die Professorenschaft des HDZ NRW ist zusätzlich seit 2023 Mitglied der Medizinischen Fakultät OWL der Universität Bielefeld.
Das Institut für Radiologie, Nuklearmedizin und molekulare Bildgebung unter der Leitung von Prof. Dr. Wolfgang Burchert versorgt die stationären Patienten mit bildgebender Diagnostik. Ambulant werden im nuklearmedizinischen Bereich außerdem Tumor- und Schilddrüsenerkrankungen behandelt. Die diagnostischen Leistungen werden von einem interdisziplinären Ärzteteam mit modernsten Untersuchungsmethoden (SPECT/CT, PET/CT, MRT, Röntgen, Gammakameras) erbracht. Wichtige Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind der Strahlenschutz und die Reduktion der Strahlenexposition. Das Institut stellt seine Expertise auch anderen Kliniken zur Verfügung. In Westfalen und darüber hinaus in Norddeutschland versorgt es täglich Kliniken und Praxen mit kurzlebigen Radiopharmazeutika.
Weitere Informationen:
Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen
Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum
Medizinische Fakultät OWL (Universität Bielefeld)
Unternehmenskommunikation
Leitung: Anna Reiss, Pressesprecherin
Georgstr. 11
32545 Bad Oeynhausen
Tel. 05731 97-1955
Fax 05731 97-2028
E-Mail: info@hdz-nrw.de
www.hdz-nrw.de
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr.-Ing. Tamino Huxohl
Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Burchert
Originalpublikation:
Huxohl, Tamino et al.: Deep learning approximation of attenuation maps for myocardial perfusion SPECT with an IQ SPECT collimator. EJNMMI Phys. 2023 Aug 28;10(1):49. doi: 10.1186/s40658-023-00568-1.
Weitere Informationen:
https://youtu.be/drtH_7IALys
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