„Historische Seminare dürfen keine Orte der Angst sein.“
Machtmissbrauch in der Wissenschaft ist ein Thema, das auch in der Geschichtswissenschaft Beachtung findet. Der Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands hat nun ein Leitbild erarbeitet, um Machtmissbrauch und den zugrundeliegenden Strukturen entgegenzuwirken. Vorangegangen war im Winter 2024/25 eine Umfrage, die erstmals das Ausmaß des Machtmissbrauchs in der Geschichtswissenschaft systematisch erfasste. Rund 600 Personen haben teilgenommen und so ein breites empirisches Fundament für die Arbeit an konkreten Empfehlungen auf eine Veränderung der Fachkultur gelegt. Leitbild und die Ergebnisse der Umfrage sind nun veröffentlicht worden.
Machtmissbrauch in der Wissenschaft ist ein Thema, das auch in der Geschichtswissenschaft Beachtung findet. Immer wieder sind Fälle von Machtmissbrauch und wissenschaftlichem Fehlverhalten öffentlich geworden. Der Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands hat ein Leitbild erarbeitet, um Machtmissbrauch und den zugrundeliegenden Strukturen entgegenzuwirken.
Das jüngst veröffentlichte Leitbild soll helfen, Fälle von Machtmissbrauch in Zukunft zu verhindern und die Aufmerksamkeit für gute wissenschaftliche Praxis im Fach zu steigern und zu festigen. „Für uns als Verband, aber vor allem auch für die Geschichtswissenschaft als Fach ist die Einhaltung guter wissenschaftlicher Praxis im Arbeitsalltag von Historikerinnen und Historikern von hoher Bedeutung“, erläutert Lutz Raphael, Vorsitzender des VHD. „Mit dem Leitbild möchten wir einen Beitrag leisten zu einer Fachkultur, die von einem respektvollen Miteinander geprägt ist. Denn eins ist klar: Historische Seminare, Institute oder andere Orte, an denen geschichtswissenschaftlich geforscht und vermittelt wird, dürfen keine Orte der Angst sein, an denen Abhängigkeiten missbraucht werden.“
Der Verband hat eigens eine Arbeitsgruppe eingerichtet, um Antworten auf drängende fachethische Fragen der Zeit zu finden und unter anderem individuellem Fehlverhalten und strukturellen Fehlentwicklungen in Zukunft entgegenzuwirken. „Mit der Veröffentlichung des Leitbilds ist ein weiterer Meilenstein erreicht“, stellt Antje Flüchter, Sprecherin der Gruppe, fest.
Vorangegangen war im Winter 2024/25 eine Umfrage, die erstmals das Ausmaß des Machtmissbrauchs in der Geschichtswissenschaft systematisch erfasste. „Machtmissbrauch und wissenschaftliches Fehlverhalten finden nicht im Geheimen statt, oft wissen viele davon“, fasst Flüchter die Ergebnisse zusammen, die zeitgleich zum Leitbild auf der Website des VHD veröffentlicht wurden. Rund 600 Personen, die beruflich in der Geschichtswissenschaft tätig sind, haben an der Umfrage teilgenommen und so ein breites empirisches Fundament für die Arbeit der Arbeitsgruppe gelegt. „Die persönlichen Schilderungen der Betroffenen in der Umfrage haben für uns das Ausmaß und die Formen greifbar gemacht: Beleidigungen und abfällige Bewertungen, wutentbranntes Ordnerwerfen, subtiles Unterdrucksetzen, Aneignung von Arbeitsergebnissen, körperliche Zudringlichkeiten bis hin zu sexuellen Übergriffen.“
Erklärtes Ziel ist es nun, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Machtmissbrauch gute wissenschaftliche Praxis in Lehre und Forschung be- und verhindert. „Wir hoffen, dass ein Umdenken einsetzt“, führt Flüchter aus. „Einzelne Fälle müssen konsequenter verfolgt werden, und Unterstützungsstrukturen sollten sichtbarer und stärker akzeptiert werden. Nur so kann sich die Erkenntnis durchsetzen, dass Verbesserungen – und teilweise auch ein grundlegender Wandel – in unserer Fachkultur notwendig sind.“
Einen wesentlichen Beitrag für das Erreichen eines Kulturwandels kann demnach durch eine intensivere Kommunikation zwischen allen beteiligten Akteuren gewährleistet werden. „Es ist notwendig, dass die gegenseitigen Erwartungen klar und eindeutig formuliert werden“, betont Flüchter.
Hintergrund:
Der Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands (VHD) ist einer der ältesten geisteswissenschaftlichen Fachverbände Deutschlands. Er wurde 1895 als „Verband Deutscher Historiker“ gegründet. Mit seinen inzwischen über 3.400 Mitgliedern fördert der VHD die Geschichtswissenschaft in Deutschland und vertritt die Interessen aller in historischen Arbeitsfeldern hauptberuflich Tätigen gegenüber Öffentlichkeit, politischen Institutionen und internationaler Geschichtswissenschaft. Gemeinsam mit dem „Verband der Geschichtslehrerinnen und -lehrer Deutschlands e.V.“ (VGD) richtet der VHD alle zwei Jahre den „Historikertag“ als größte geisteswissenschaftliche Fachkonferenz an einer deutschen Universität aus.
Die Arbeitsgruppe Fachethische Fragen wurde am 9. Februar 2024 vom Ausschuss des VHD eingerichtet. Eine Untergruppe hat den Auftrag übernommen, Strukturen und Faktoren, die Machtmissbrauch in der Geschichtswissenschaft ermöglichen, zu analysieren und Empfehlungen zu formulieren, um individuellem Fehlverhalten und strukturellen Fehlentwicklungen in Zukunft entgegenzuwirken. Um diesem Auftrag nachkommen zu können, hat die AG zwischen dem 17. Dezember 2024 und dem 28. Februar 2025 eine Umfrage, die sich mit strukturellen Aspekten von Machtmissbrauch in der Geschichtswissenschaft befasst. Insgesamt haben 576 Personen an der Umfrage teilgenommen. Die Umfrage wurde erstellt in enger Anlehnung an eine vergleichbare Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs). In Absprache mit den Verantwortlichen der DGPs und unter Mitarbeit einer Kollegin aus der Psychologie hat die AG die Umfrage für die Geschichtswissenschaft angepasst.
Auf der Website des VHD ist eine Unterseite zu Machtmissbrauch in der Geschichtswissenschaft eingerichtet. Diese informiert über die Tätigkeiten der AG und stellt Leitfaden sowie die Ergebnisse der Umfrage zur Verfügung.
Weitere Informationen:
https://www.historikerverband.de/machtmissbrauch/ Themenseite auf Website des VHD
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