iGEM 2025: HHU-Projekt STREAM
Zum zehnten Mal geht ein studentisches Team der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) bei iGEM an den Start. iGEM ist ein internationaler Wettbewerb in der synthetischen Biologie, also der Anwendung von ingenieurwissenschaftlichen Prinzipien, um bestehende biologische Systeme zu verändern oder um neue biologische Systeme zu schaffen. Im letzten Jahr nahmen über 400 studentische Teams aus der ganzen Welt teil. Dieses Jahr will das Team der HHU namens „STREAM“ die Bioproduktion verbessern, also die Erzeugung von Produkten mithilfe biologischer Systeme. Hierbei steht insbesondere die Bioproduktion im Fokus.
Die Produktion von Gütern für die Chemische-, Lebensmittel- oder auch Pharmaindustrie mithilfe von Mikroorganismen ist ein wachsender Markt, der viel Potential für Innovationen bietet. Ein Beispiel, mit dem sich auch das iGEM-Team der HHU beschäftigt, ist Vanillin. Dieser künstliche Aromastoff wird nicht nur für die Lebensmittelproduktion eingesetzt, sondern auch für Kosmetika und sogar Arzneien. Nur ein Bruchteil der Vanillearomatik stammt tatsächlich aus den natürlichen Vanilleschoten, den weltweit größte Anteil macht das künstliche Vanillin aus. Denn die Vanille-Orchidee wächst nur in tropischen Regionen, sie anzubauen und ihre Schoten zu ernten und zu verarbeiten ist aufwendig. Natürliches Vanillearoma aus der Vanillepflanze ist deshalb sehr teuer und der weltweite Bedarf kann nicht durch die Pflanze gedeckt werden.
„Vanillin kann chemisch hergestellt werden. Dies ist kostengünstig, hängt jedoch auch von fossilen Rohstoffen ab. Diese Herstellungsweise ist weder nachhaltig noch zukunftssicher. Wir möchten eine umweltfreundlichere Alternative entwickeln”, erklärt Emma Tullius, eine studentische Teamleiterin aus dem iGEM-Team der HHU.
Das iGEM-Team möchte sich deshalb auf die kontinuierliche Bioproduktion fokussieren Mit diesem System können beispielsweise Kulturen von genetisch angepassten Mikroorganismen Vanillin produzieren. Dies geschieht in einem sogenannten Chemostat-Bioreaktor, welcher im Gegensatz zu herkömmlichen Methoden steht, bei denen der gesamte Inhalt des Bioreaktors nach gewisser Zeit ausgetauscht werden muss. Dieser Austausch ist sowohl teuer als auch nicht nachhaltig. Ein funktionierender Chemostat-Bioreaktor mit kontinuierlichem Fluss hingegen erreicht eine höhere Produktausbeute und ist eine nachhaltigere Alternative zu der herkömmlichen Herstellung im Bioreaktor und der chemischen Herstellung von Vanillin.
Emma Tullius: „In Zukunft könnte durch diese kontinuierliche Art der Produktion die Nachfrage nach Vanillin nachhaltig gedeckt werden. Das wäre nur mit der Vanillepflanze nicht möglich.“
„Doch auch dieses System beinhaltet seine Tücken, denn ein großer limitierender Faktor in kontinuierlichen Mikroorganismenkulturen ist die Entstehung sogenannter ‚Cheater‘-Subkulturen. Diese haben die Produktion des Zielstoffes – also zum Beispiel von Vanillin – eingestellt, verbrauchen aber weiterhin die Ressourcen des Systems”, erläutert das Teammitglied Stefana Dukic.
Diesem Problem möchte das HHU-Team mit seinem Projekt STREAM („Synthetic Tractable Regulatory Escaper Aversion Model“) entgegenwirken. Die Studierenden wollen ein einfach zu handhabendes System entwickeln, dass die Bioproduktion nachhaltig verbessert, indem die Cheater oder auch „Escaper“ reguliert und somit bekämpft werden, um am Ende eine höhere Ausbeute zu erzeugen.
„Unser System wird nicht nur für Vanillin anwendbar sein. Wir haben uns aber für die Produktion von Vanillin mit dem Bakterium Escherichia coli (kurz E. coli) entschieden, da dies ein prominentes Produkt ist und unser Konzept gut zeigen kann,“ berichtet Anthea Aires Thalitha Fernandes aus dem iGEM-Team. Stefana Dukic ergänzt: „Neben Vanillin haben wir auch noch als Produkte die Stoffe Violacein und Kaempferol ausgewählt, da wir damit die Lebensmittel-, Parfüm-, Pharma-, Farb- und Kosmetikindustrie abdecken. So zeigen wir, dass unser Produkt sehr vielseitig nutzbar sein wird.“
Diese effektivere Herstellung erreichen die HHU-Studierenden einerseits durch optimierte Produktionswege im Organismus und andererseits durch ein eigenes Überwachungssystem für die Kulturen. Um spezifisch den Cheatern entgegenzuwirken, entwickelt das Team seinen eigenen Chemostat für kontinuierliche Kultur.
„Die Besonderheit wird sein, dass wir detailliert unsere produzierenden Mikroben überwachen, das ermöglicht uns spezifische Interventionen und Optimierungen“, beschreibt Emma Tullius das Projekt.
In dem selbst gebauten Chemostat werden modulare Sensoren für den Säuregrad (pH-Wert), Sauerstoffgehalt, CO2-Konzentration, Gasfluss, Temperatur und eine Kamera für Farbänderungen eingesetzt. Dies wird mit einer Auswertungssoftware auf Grundlage von Künstlicher Intelligenz kombiniert, die die beste Steuerungsentscheidung in jedem Schritt ermittelt. Außerdem wird ein bidirektionales und drahtloses Kommunikationssystem verwendet, das die gemessenen Daten an einen Steueralgorithmus überträgt. Dies soll Anpassungen unkompliziert machen.
Anthea Aires Thalitha Fernandes: „Unser Projekt ist ein innovativer Ansatz, um dem bekannten Problem der Cheater in der Bioproduktion entgegenzuwirken. Dies gelingt auf eine Art und Weise, die kostengünstiger, umweltfreundlicher und nachhaltiger ist und zugleich eine höhere Ausbeute und Effektivität verspricht als bereits etablierte Methoden.“
Das Team STREAM
Das Team setzt sich aus 20 Mitgliedern unterschiedlicher Semester und Studienschwerpunkte zusammen, aus den Fächern Biologie, Biochemie, Quantitative Biologie, Chemie und Interdisziplinäre Naturwissenschaften. Unterstützt werden sie von sieben sogenannten Advisors, dies sind erfahrene Mitglieder der vorherigen iGEM-Teams. Des Weiteren wird das Team in fachlichen Fragen durch „Principal Investigators (PIs)“ betreut: Prof. Dr. Guido Grossmann vom Institut für Zell- und Interaktionsbiologie und Dr. St. Elmo Wilken vom Institut für Quantitative und Theoretische Biologie. Jede Woche treffen sich die Mitglieder mit Advisors und PIs, um ihren Fortschritt und das weitere Vorgehen zu besprechen.
iGEM-Wettbewerb
2003 entstand iGEM (die Abkürzung steht für „international Genetically Engineered Machine“) am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA als Selbststudienkurs, in dem Studentinnen und Studenten biologische Instrumente bauten, mit denen sie Zellen blinken lassen konnten. Seitdem hat sich viel verändert, aus iGEM ist ein internationaler Wettbewerb und eine wichtige Plattform für den interdisziplinären Austausch zwischen Teams aus über 45 Ländern geworden. Er bietet jungen Forschenden die Möglichkeit, die Grenzen der synthetischen Biologie zu verschieben und neuartige Lösungen zu existierenden Problemen zu entwickeln. Mittlerweile hat sich iGEM zu einer globalen Bewegung entwickelt, die jährlich rund 400 Teams aus aller Welt versammelt. Die HHU ist seit 2016 dabei, 2025 zum zehnten Mal. Frühere Projekte der HHU beschäftigten sich zum Beispiel mit nachhaltigen Textilstoffen, pilzbasierten Düngemitteln und alternativen Fertigungssystemen für Astronauten.
In den kommenden Monaten wird das iGEM-Team der HHU die Arbeiten im Labor und weitere projektbegleitende Tätigkeiten fortführen, um Ende Oktober 2025 sein Projekt auf der Abschlussveranstaltung, dem „Grand Jamboree“, in Paris vor den Juroren und anderen Teams zu präsentieren.
Autorin: Mareen Krügel für das iGEM-Team 2025 / Redaktion: Arne Claussen
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