Von Frauen für Frauen: Sorge-Initiativen im Vergleich
Kolumbien, Argentinien, Niederlande, Deutschland: Initiativen von Frauen und für Frauen aus Städten dieser vier Länder stehen im Fokus eines internationalen Forschungsteams. Daran beteiligt ist eine Politologin der Uni Würzburg.
2024 veröffentlichte das Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend das erste Einsamkeitsbarometer Deutschlands. Für das Jahr 2021 zeigte das Barometer an, dass mehr als 11 Prozent der Gesamtbevölkerung durch Einsamkeit belastet sind. Privat organisierte Initiativen können bei solchen und anderen sozialen Problemen helfen und gemeinschaftsbildend wirken.
Mit einigen dieser Initiativen setzt sich Dr. Verena Frick, Institut für Politikwissenschaft und Soziologie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU), mit einem internationalen Forschungsteam auseinander. Das Projekt „Feministische Sorgepraktiken in Städten des Globalen Südens und Globalen Nordens“ wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.
Ebenfalls federführend beteiligt sind: Henriette Bertram, Juniorprofessorin für Genderaspekte in den Ingenieurswissenschaften an der Technischen Universität Braunschweig, Dr. Sonja Marzi, geographische Entwicklungsforscherin an der Universität Nijmegen (Niederlande), und Dr. Sophie Stevens, Dozentin für Latin American and Caribean Studies an der Universität London (Vereinigtes Königreich).
Den Fokus legt das Team auf Initiativen, die feministische Sorgepraktiken betreiben – also Initiativen von Frauen und für Frauen in verschiedenen Städten. Diese befinden sich in Kolumbien, Argentinien, den Niederlanden und Deutschland. Geplant ist, drei Initiativen pro Land unter die Lupe zu nehmen. „Wir haben bewusst zwei lateinamerikanische Staaten des globalen Südens und zwei europäische Länder des globalen Nordens gewählt“, sagt Frick. Laut der Wissenschaftlerin gebe es Unterschiede in den Strukturen und der Vorgehensweise in der Sorge.
Verschiedene Sorgepraktiken ins Visier nehmen
In Kolumbien existiert zum Beispiel das Konzept der offenen Küchen. „Hier treffen sich Frauen aus der Nachbarschaft, um zu kochen, gemeinsam zu essen und sich auszutauschen. Es handelt sich um eine Form der Nachbarschaftssorge“, so die Politologin. Die offenen Küchen seien nicht nur gemeinschaftsstiftend, sondern sie bilden oft auch einen Ausgangspunkt für Politisierungsprozesse in der Gemeinschaft.
In europäischen Städten finden sich Initiativen für sogenannte Sorge-Hubs: Feministische Initiativen nutzen einen öffentlichen Raum, beispielsweise ein leerstehendes Kaufhaus, und füllen es mit neuem Leben. Der Raum wird „recycelt“ und zu einem Treffpunkt, Veranstaltungs- und Vernetzungsraum und Knotenpunkt für soziale Zwecke.
In den Niederlanden richten die Wissenschaftlerinnen ihren Blick auf die ökologische Dimension von Sorge. „Aufgrund der dichten Besiedelung des Landes und der Bedrohung durch den steigenden Meeresspiegel interessiert uns vor allem das Mensch-Natur-Verhältnis und wie Initiativen von Frauen und für Frauen diese Thematik aufgreifen“, erklärt Frick.
Voneinander Sorgepraktiken lernen
Das Team will im Rahmen des Projekts Feldforschung an den jeweiligen Orten betreiben: „Die Studie wird auf qualitativer Sozialforschung aufbauen. Das heißt, Mitarbeitende sind vor Ort, führen Interviews mit den Organisatorinnen und beobachten die Arbeitsweisen über längere Zeiträume hinweg“, so die JMU-Wissenschaftlerin. Ziel sei es, anhand der Fallbeispiele ein politisches Verständnis des Sorge-Begriffs und einer sorgenden Gesellschaft zu ergründen. Zugleich erhofft sich das Projektteam, aus den Fallstudien best practices für andere Städte zu entwickeln.
„Wichtig ist noch, zu verstehen, dass wir nicht mit einem engen Sorge-Begriff arbeiten, der nur die Versorgung und Pflege von Menschen bezeichnet“, betont die Politikwissenschaftlerin. Sorge solle vor allem auch als politischer Begriff verstanden werden: „Wir wollen die Initiativen nicht romantisieren. Sie sind wichtiger Bestandteil für die Gesellschaft; gleichzeitig bedeutet ihre Existenz, dass es an staatlicher Förderung in den jeweiligen Bereichen fehlt.“ Ein kritischer Blick sei gefordert. Angesichts des demografischen Wandels, der Einsamkeit in Städten und des Klimawandels erfahre die Thematik zusätzlich hohe Relevanz.
Zwei Workshops geplant
Aktuell befindet sich das Team in der Konzeptionsphase des Projekts. Aus dieser Phase heraus sollen zwei Workshops entstehen, in denen die Forscherinnen das Konzept öffentlich vorstellen wollen. Auch soll es dort die Möglichkeit geben, Feedback und letzte Feinschliffe einfließen zu lassen. Ein Workshop wird in London im August 2025 stattfinden und ein weiterer in Würzburg im November 2025.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Verena Frick, Lehrbereich Politische Theorie, Institut für Politikwissenschaft und Soziologie, T: +49 931 31-88619, verena.frick@uni-wuerzburg.de
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