Leicht verständliche Videos in der Wissenschaftskommunikation verleiten zur Selbstüberschätzung
Eine neue medienpsychologische Studie zeigt, dass vereinfachende Videozusammenfassungen von wissenschaftlichen Studien für mehr Verständlichkeit sorgen, aber auch zu einer verzerrten Kompetenzeinschätzung führen können: sie erzeugen den sogenannten „easiness effect“ / Veröffentlichung in „Frontiers in Psychology“
Ein Forschungsteam der Universität zu Köln hat herausgefunden, dass Videozusammenfassungen von wissenschaftlichen Studien in einfacherer Sprache und Darstellung einerseits zu einer besseren Verständlichkeit des wissenschaftlichen Inhalts führten. Andererseits zeigte sich der sogenannte „easiness effect“ (Leichtigkeitseffekt) bei den Proband*innen: Die leicht verständlicheren Videozusammenfassungen wurden als glaubwürdiger wahrgenommen und die Studienteilnehmer*innen hatten ein höheres Vertrauen in die eigene Fähigkeit, die Studie selbst bewerten zu können.
Die Studie der Kölner Medienpsycholog*innen unter Leitung von Professor Dr. Dr. Kai Kaspar wurde und unter dem Titel „A new dimension of simplified science communication: The easiness effect of science popularization in animated video abstracts“ in der Fachzeitschrift Frontiers in Psychology veröffentlicht.
Ergebnisse wissenschaftlicher Studien werden meist in Fachzeitschriften präsentiert und beginnen mit einer Zusammenfassung der Studie. Diese richtet sich in erster Linie an Personen, die eine entsprechende Fachsprache verstehen und über thematisches Vorwissen verfügen. Ein gängiger Ansatz, um wissenschaftliche Informationen einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen, besteht darin, solche Zusammenfassungen von Studien in leichtere Sprache und in ansprechendere Formate zu übersetzen, wie beispielsweise kurze Videos. Solche Videozusammenfassungen von wissenschaftlichen Studien werden zunehmend beliebter.
Die vereinfachte Darstellung wissenschaftlicher Inhalte kann jedoch auch negative Auswirkungen auf die Leser*innen beziehungsweise Zuschauer*innen haben. Der „easiness effect“ beschreibt dabei eine verzerrte kognitive Informationsbewertung. Sie äußert sich darin, dass die vereinfacht dargebotenen Informationen glaubwürdiger erscheinen, als sie objektiv sind. Sie erzeugen zudem ein erhöhtes Vertrauen in das eigene Urteilsvermögen zum Themenbereich, während gleichzeitig der Wunsch nach einer Gegenprüfung der Informationen, etwa durch Konsultation von Expert*innen, sinken kann. Dieser Effekt wurde bereits anhand von textbasierten Zusammenfassungen wissenschaftlicher Studien demonstriert.
Die Studie hat nun erstmals untersucht, ob dieser Effekt auch bei videobasierten Zusammenfassungen zu finden ist und ob eine vorherige Aufklärung der Zuschauer*innen über diesen Effekt verhindern kann, dass er tatsächlich auftritt. Dazu haben die Forscher*innen originale Textzusammenfassungen von vier wissenschaftlichen Studien in kurze Videos übersetzt, wobei es jeweils zwei Videoversionen gab: Eine Version war in Fachjargon und komplexerer visueller Darstellung gehalten, die andere Version in einfacherer Sprache und Darstellung.
An dem Experiment nahmen 179 Personen teil und wurden zufällig einer von vier Untersuchungsbedingungen zugewiesen: Entweder sahen die Teilnehmer*innen die leicht verständlicheren Videos oder die anspruchsvolleren Videos. Zusätzlich erhielt jeweils zirka die Hälfte der Personen in jeder Gruppe vor diesen Videozusammenfassungen eine ausführliche Aufklärung über den „easiness effect“ und seine potentiell negativen Auswirkungen in Form eines Aufklärungsvideos. Die Forscher*innen nahmen an, dass eine solche Aufklärung den „easiness effect“ möglicherweise hemmen könnte.
Nach dem Anschauen jeder Videozusammenfassung bewerteten die Teilnehmer*innen die Verständlichkeit der Studie, ihre wahrgenommene Glaubwürdigkeit, das Vertrauen in die eigene Fähigkeit, die Studie bewerten zu können, und die wahrgenommene Fähigkeit, Entscheidungen auf Basis der Studienergebnisse und ohne weitere Informationen treffen zu können. Außerdem wurde erfragt, wie sehr die Teilnehmer*innen noch mehr über das Studienthema erfahren möchten und ob sie das entsprechende Video auf einer Social Media-Plattform beispielsweise kommentieren, teilen oder liken würden.
Die Ergebnisse zeigten, dass die Videozusammenfassungen in einfacherer Sprache und Darstellung tatsächlich zu einer besseren Verständlichkeit des wissenschaftlichen Inhalts führten. Zusätzlich zeigte sich auch der „easiness effect“: die leicht verständlicheren Videozusammenfassungen wurden als glaubwürdiger wahrgenommen und die Studienteilnehmer*innen hatten ein höheres Vertrauen in die eigene Fähigkeit, die Studie selbst bewerten zu können. Dieser Effekt trat jedoch unabhängig davon auf, ob die Teilnehmer*innen für diesen potentiellen Effekt vorab sensibilisiert und darüber aufgeklärt wurden. Das Interesse, mehr über die Studien erfahren zu wollen und auch die potentiellen eigenen Reaktionen auf Social Media waren davon unberührt in allen vier Gruppen gleich ausgeprägt.
„Dieses Experiment zeigt, dass der ‚easiness effect‘ mit Videozusammenfassungen zuverlässig erzeugt werden kann und sehr robust ist, da er auch dann bestehen bleibt, wenn man über den Effekt und seine potentiell negativen Auswirkungen auf die eigene Kompetenzeinschätzung aufgeklärt wurde“, sagt Studienleiter Kai Kaspar. „Die Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit verantwortungsvoller Strategien in der Wissenschaftskommunikation und zeigen, wie videobasierte Informationsvermittlung optimiert werden kann.“
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Professor Dr. Dr. Kai Kaspar
Department für Psychologie der Universität zu Köln
+49 221 470 2347
kkaspar@uni-koeln.de
Originalpublikation:
https://doi.org/10.3389/fpsyg.2025.1584695
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