Reise durch Raum und Zeit - Polarstern-Expedition startet zu Eisschollentypen aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
Am Mittwoch, den 2. Juli 2025, startet die Polarstern im norwegischen Tromsø eine Expedition ins Nordpolarmeer. In den kommenden zwei Monaten analysiert ein internationales Forschungsteam die Rückkopplungen zwischen Klimaerwärmung und Meereisrückgang im Arktischen Ozean. Im Fokus der Untersuchungen stehen die Unterschiede im Schmelzen verschiedener Meereistypen, die die Arktis der vergangenen Dekaden, der Gegenwart und der Zukunft repräsentieren. Eine parallele Flugzeugkampagne ergänzt die Messungen und zu Beginn der Expedition unterstützt die Polarstern die erste Eis-Erprobung der neuen französischen Forschungsplattform Tara Polar Station.
Noch gibt es im Arktischen Ozean drei verschiedene Regime von Meereis, jedoch führt die Kimaerwärmung dazu, dass ältere und damit dickere Eisschollen vermehrt schmelzen. Im Fokus der aktuellen Polarstern-Expedition stehen drei verschiedene Eisregimen: Einjähriges Meereis, das sich im vergangenen Winter gebildet hat, häufig in der Meereisrandzone driftet und voraussichtlich die Arktis der Zukunft dominieren wird. Zweijähriges Meereis treibt mit der Transpolardrift über die Polkappe, bevor es in der Framstraße schmelzen wird; es ist charakteristisch für die Gegenwart. Mehrjähriges Meereis ist jahrelang nördlich von Grönland und Kanada gedriftet, stammt aus der sogenannten „letzten Eiszone“ nördlich von Grönland und war vor Jahrzehnten noch weit verbreitet.
Auf drei Eisschollen, die diese Regime repräsentieren, richtet das Polarstern-Team Beobachtungsnetzwerke ein und sammelt Daten. Die Disziplinen und Messgeräte ähneln der MOSAiC-Expedition, bei der die Polarstern von 2019-2020 über ein Jahr lang durch das Nordpolarmeer driftete und eine Eisscholle untersuchte, die überwiegend aus ein- und zweijährigem Eis bestand. Auf der aktuellen, CONTRASTS genannten Expedition werden die Forschenden Kontraste, Übergänge und Gradienten zwischen den drei Meereisregimen einschließlich der dazugehörigen Ozean- und Atmosphärenzustände sowie die Biologie und die stattfindenden biogeochemischen Prozesse noch genauer untersuchen.
„Uns geht es insbesondere darum, besser zu verstehen, welches Meereis die Schmelze im Sommer übersteht und welches nicht. Denn die Arktis erwärmt sich im globalen Vergleich besonders schnell und setzt dem Eis durch warme Luft- und Wassertemperaturen von oben und unten zu“, erläutert Dr. Marcel Nicolaus den Antrieb für die Polarstern-Expedition. Der Meereisphysiker am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) leitet die CONTRASTS genannte Expedition und koordiniert ein Team von 51 internationalen Wissenschaftler:innen. Er ergänzt: „Mit der CONTRASTS-Expedition werden wir das Verständnis der Wechselwirkungen zwischen Ozean, Atmosphäre und Meereis vertiefen. Damit können wir dann aktuelle Veränderungen quantifizieren und mögliche zukünftige Entwicklungen besser einschätzen. Unser Ziel ist es, die Rolle von schwindendem und verbleibendem Meereis im arktischen Sommer genauer nachvollziehen zu können, so dass wir auch die zukünftige Entwicklung in der Arktis besser prognostizieren können.“
Die zentralen Elemente der CONTRASTS-Expedition sind Meereisstationen in den drei Eisregimen. In jeder Region wird eine repräsentative Scholle ausgewählt und mit einem Eiscamp ausgestattet. Jede Scholle wird dreimal für jeweils zwei bis drei Tage besucht und dabei intensiv vermessen. Beim ersten Besuch werden Messgeräte auf, im und unter dem Meereis installiert, die dann autonom die Schmelzsaison beobachten. Der zweite Besuch (nach circa drei Wochen) erlaubt die Wartung der Systeme und beim dritten Besuch (nach circa sechs Wochen) werden die meisten Geräte wieder abgebaut und nur wenige Instrumente werden als sogenannte Driftbojen zurückbleiben. Diese verbleibenden Sensoren senden unter anderem genaue Positionsdaten, so dass entweder die Polarstern auf einer anschließenden Expedition oder andere Forschungsinstitute sie später bergen können. Sie erlauben es, die der Expedition anschließende Drift und Entwicklung der Schollen in die Gefrierphase weiter zu verfolgen. So führt das CONTRASTS-Team standardisierte, prozessbasierte bio-physikalische Untersuchungen in allen Regimen durch, um vergleichbare Ergebnisse zu erzielen.
Dieser Beobachtungsansatz von CONTRASTS, der das Meereis in die drei Regime unterteilt, ist neu. Er stellt eine besonders enge Verzahnung von intensiven, sich wiederholenden, manuellen Messungen und autonomen Zeitserien dar. Methodik und Teamstruktur basieren auf Erfahrungen aus der MOSAiC-Expedition. „So können unsere MOSAiC-Datensätze nun noch die Dimensionen der unterschiedlichen Eisregime als weitere Information erhalten. Zusätzlich können wir gezielt die Messungen in der Hochphase der Eisschmelze durchführen, die bei MOSAiC aus logistischen Gründen nicht vollständig erfasst werden konnte“, erklärt Marcel Nicolaus.
Parallel zur Polarstern-Expedition findet im Juli und August 2025 auch die Sommer Flugmesskampagne IceBird statt. Von der dänischen Militärbasis Station Nord in Grönland aus überfliegt das AWI-Forschungsflugzeug Polar 6 die CONTRASTS-Regionen und -Stationen, um das Meereis großräumig zu erfassen und regionale Gradienten der Eisdicke abzubilden. „So führen wir im Sommer 2025 sowohl mit dem Schiff als auch mit dem Flugzeug zwei aufeinander abgestimmte Meereis-Expeditionen durch, die so konzipiert sind, dass wir lokale bis regionale Skalen abbilden können,“ sagt Dr. Gerit Birnbaum, Meereisphysikerin am AWI. Die Leiterin der Flugkampagne erläutert: „Wir erwarten, dass das Alter und die Herkunft des Meereises wesentlichen Einfluss auf die physikalischen Eigenschaften des Meereises und die damit assozierten Lebewesen haben. So ist zum Beispiel altes Eis stärker deformiert, strukturreicher und weniger lichtdurchlässig. Die Zonen unterschiedlichen Eisalters konnten wir im Vorfeld der Expedition durch verschiedene Satelliten- und Modelldaten identifizieren und die Polarstern wird diese nun gezielt anfahren.“
Die Polarstern unterstützt zu Beginn der Expedition auch die französische Forschungsplattform Tara Polar Station. Der Neubau soll zukünftig auf einjährigen Kampagnen durch die Arktis driften und absolviert im Sommer 2025 seine erste Eis-Erprobung. Dafür wird die Polarstern die Tara Polar Station von Longyearbyen (Svalbard) auf dem Weg in den Norden begleiten. Ebenfalls in Longyearbyen soll planmäßig die CONTRASTS-Expedition am 1. September 2025 enden.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Marcel Nicolaus: marcel.nicolaus@awi.de
Dr. Gerit Brinbaum: gerit.birnbaum@awi.de
Weitere Informationen:
https://www.awi.de/ueber-uns/service/presse/presse-detailansicht/reise-durch-raum-und-zeit.html
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