Schwerste Zinn-Isotope geben Aufschluss über Elementsynthese – Erfolgreiche Experimente unter GSI/FAIR-Federführung
Ein internationales Forschungsteam unter Federführung von Wissenschaftler*innen von GSI/FAIR in Darmstadt hat in Messungen am kanadischen Forschungszentrum TRIUMF in Vancouver die r-Prozess-Nukleosynthese untersucht. Im Mittelpunkt der Arbeit steht die erstmalige Massenmessung von drei besonders neutronenreichen Zinn-Isotopen: Zinn-136, Zinn-137 und Zinn-138. Die Ergebnisse sind im Fachjournal Physical Review Letters veröffentlicht.
Die hochpräzisen Massenmessungen, kombiniert mit Netzwerkberechnungen der Nukleosyntheseprozesse, helfen dabei, die Entstehung von schweren Elementen im Universum – insbesondere durch den schnellen Neutroneneinfangsprozess (r-Prozess) wie er beispielsweise in Neutronensternverschmelzungen auftritt – besser zu verstehen. Die Daten geben Aufschluss über die Neutronenseparationsenergie, die den Verlauf des r-Prozesses in der Nuklidkarte definiert. Die Studie ergab unerwartete Veränderungen im Verhalten von Zinnkernen jenseits der magischen Neutronenzahl N=82, insbesondere eine Verringerung des Paarungseffekts der letzten beiden Neutronen.
„Diese Veränderungen könnten sich auf den r-Prozesspfad in der Nuklidkarte insgesamt auswirken und sogar die Grenze der Stabilität in diesem Bereich des Periodensystems der Nuklide verschieben. Die Kombination der Massenmessungen mit neuen Möglichkeiten zur Isotopenproduktion und modernsten theoretischen Berechnungen verbessert unser Verständnis der Kernkräfte weitab des Tals der Stabilität“, erläutert Dr. Ali Mollaebrahimi, Erstautor der Veröffentlichung und Sprecher des Experiments. Er wurde erst kürzlich zum FAIR-Fellow in der GSI/FAIR-Abteilung „FRS/Super-FRS Experimente“ ernannt und arbeitet eng mit der Abteilung “Nuclear Structure and Astrophysics” sowie der IONAS-Gruppe an der Justus-Liebig-Universität (JLU) in Gießen zusammen.
Entwicklungen mit Schlüsselfunktion sind dabei zum einen ein Multireflexions-Flugzeitmassenspektrometer (MR-TOF-MS) – zugeschnitten auf die spezifischen Möglichkeiten der TITAN-Anlage im Beschleunigerzentrum TRIUMF – durch Forschende der IONAS-Gruppe und von GSI/FAIR, und zum anderen die Sekundärstrahlen, die am TRIUMF mit den höchsten Intensitäten für exotische Isotope verfügbar sind. Auch ein neuartiges Reaktionstarget kam zum Einsatz.
„Das Ergebnis stellt einen wichtigen Meilenstein dar, der durch die langjährige Zusammenarbeit von Wissenschaftler*innen verschiedener Forschungsgruppen aus Deutschland und Kanada ermöglicht wurde,“ sagt Dr. Timo Dickel, Leiter der GSI/FAIR-Forschungsgruppe „Thermalisierte exotische Kerne“, zu der auch Mollaebrahimi gehört. „ Das MR-TOF-MS wurde 2017 in Kanada für die ersten Experimente installiert und in Betrieb genommen. Allein in diesem Jahr führte die erfolgreiche Zusammenarbeit zu zwei weiteren hochrangigen Veröffentlichungen zur Elementsynthese und zur Kernstruktur. In der Vergangenheit wurde mithilfe des Massenspektrometers das Isotop Ytterbium-150 entdeckt. Dies war die erste Isotopenentdeckung mit einem MR-TOF-MS“
Die in der Veröffentlichung berichteten Ergebnisse stellen einen wichtigen Beitrag zu den FAIR-Phase-0-Aktivitäten dar, in deren Rahmen Nachwuchsforschende an den Werkzeugen geschult werden, die in Zukunft für Experimente der MATS- und Super-FRS-Experiment-Kollaborationen an der FAIR-Anlage verwendet werden.
Originalpublikation:
https://doi.org/10.1103/ctyj-ls15
Weitere Informationen:
https://www.gsi.de/start/aktuelles/detailseite/2025/07/02/prl-sn-measurements
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