Behandlung von Menschen mit Übergewicht individueller gestalten
Als erste Maßnahme bei Übergewicht wird Patientinnen und Patienten häufig die Anpassung ihres Lebensstils empfohlen. Dabei haben Studien in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach gezeigt, dass eine Anpassung des Lebensstils in der Regel nicht zu einem dauerhaft verringerten Körpergewicht führt und der Rat hierzu unter Umständen sogar schädlich sein kann. In einem Artikel, der in internationaler Zusammenarbeit entstand und kürzlich im British Medical Journal veröffentlicht wurde, führt Dr. Juan Franco von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) auf, welche alternativen Methoden sich in der Praxis anbieten.
Übergewicht ist noch immer mit einer Reihe von Begleiterkrankungen wie etwa Stoffwechselerkrankungen, z.B. Diabetes oder Herz-Kreislauferkrankungen assoziiert. Im Praxisalltag führt das häufig dazu, dass Menschen mit hohem Body Mass Index (BMI) eine Änderung des Lebensstils, in der Regel verbunden mit einer verringerten Kalorienzufuhr und mehr körperlicher Betätigung, zur Gewichtsreduktion empfohlen wird. Dabei haben Studien in den vergangenen Jahren vermehrt zu der Annahme geführt, dass eine Änderung des Lebensstils häufig nicht zu einer langfristigen Gewichtsreduktion führt und nur geringen Einfluss auf wichtige Faktoren wie Herz-Kreislauferkrankungen oder Sterblichkeit hat.
Für die Patientinnen und Patienten kann die Fokussierung auf eine Gewichtsreduktion nicht nur zu unangenehmen Situationen führen, es kann sich tatsächlich negativ auf die Gesundheit auswirken, wie Dr. Franco (Institut für Allgemeinmedizin) in seiner Arbeit verdeutlicht. So kann die Einstufung als übergewichtig von außen nicht nur zu Stigmatisierungen führen, sondern auch ein gestörtes Essverhalten begünstigen. Hinzu kommt, dass der Fokus auf Gewichtsreduktion eine Diskriminierung von Menschen mit Übergewicht verstärken kann, was häufig in Wechselwirkungen mit anderen Diskriminierungsformen basierend auf dem Geschlecht, der Sexualität, der Klasse oder der Ethnie steht. Wie genau sich die Maßnahmen zur Gewichtsreduktion auswirken können und welche potenziellen Schäden für die Gesundheit der Betroffenen entstehen können, ist noch weitgehend unerforscht.
Dr. Franco appelliert daher, bei der Begleitung von Menschen mit Übergewicht auf einen individuellen Ansatz zu setzen. So sollte etwa vorab die Erlaubnis der Betroffenen eingeholt werden, bevor die Themen Gewicht und Gewichtsreduktion angesprochen werden. Außerdem sollte die Praxisausstattung auch für Menschen mit Mehrgewicht geeignet sein um sicherzustellen, dass die Betroffenen sich wohlfühlen. Insgesamt sollte der Fokus auf der Gesundheit der Betroffenen liegen, nicht auf deren Gewicht.
Diskussionen über das Gewicht sollten mit dem sozialen Druck, unter dem Betroffene ggf. leiden, und den Erkenntnissen über den absoluten Nutzen und Schaden von Lebensstilmaßnahmen zur Gewichtsabnahme in Zusammenhang gebracht werden. „Der ärztliche Rat bezüglich gesunder Ernährung und körperlicher Betätigung ist nach wie vor relevant für die Betroffenen, denn er kann insgesamt zu einer verbesserten Gesundheit führen“ so Dr. Franco. „Das Hauptziel sollte jedoch sein, die Patientinnen und Patienten auch unabhängig von ihrem Gewicht gut zu betreuen. Das bedeutet aber nicht, dass man sich weniger um sie kümmert, sondern vielmehr Nutzen und Schaden erörtert und bespricht, was für die Betroffenen wichtig ist.“
Die Veröffentlichung entstand in Zusammenarbeit mit den Universitäten Kopenhagen (Dänemark), Valparaíso (Chile) und Roskilde (Dänemark).
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Juan Franco
Originalpublikation:
Juan Victor Ariel Franco, Emma Grundtvig Gram, Lene Meyer, Diego Grandi, Benjamin Cruzat, Lene Bull Christiansen, Rasmus Køster-Rasmussen. BMJ 2025, 389
Vollpublikation: https://www.bmj.com/content/389/bmj-2025-084654
Die semantisch ähnlichsten Pressemitteilungen im idw
