Neue Möglichkeiten für die Quantentechnologie
Chemie-Forschungsteam der Universität Jena beeinflusst Spin eines Moleküls erstmals direkt durch ein elektrisches Feld
Vor einigen Jahren entwickelten Chemiker der Friedrich-Schiller-Universität Jena ein Molekül, das als potenzielles Qubit – also als Recheneinheit in einem Quantencomputer – funktionieren kann. Mithilfe dieses Kupferkomplexes haben sie nun gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen der Universität Florenz die Möglichkeiten für zukünftige Entwicklungen in der Quantentechnologie enorm vergrößert. Denn erstmals gelang es ihnen, den Spin Zustand eines Moleküls direkt mit elektrischen Feldern zu steuern, indem man gezielt in die Wechselwirkungen zwischen den Spins eingreift. Über seine Forschungsergebnisse berichtet das Team im Forschungsmagazin „Nature Communications“.
Um Moleküle als Qubit verwenden zu können, ist der Spin – also der Eigendrehimpuls der Elektronen – entscheidend. Je langlebiger ein Spin Zustand ist, desto besser eignet sich das Molekül als Speichereinheit. Darüber hinaus ist die Art und Weise, wie man Spins steuert, maßgeblich für die Leistungsfähigkeit des Qubits. Doch wie lässt sich der Spin gezielt ansteuern? „Normalerweise ist das nur mit magnetischen Feldern möglich oder über den Umweg einer sogenannten Spin-Bahn-Kopplung, die ausschließlich bei Elektronen wirkt, deren Bewegung um den Atomkern nicht kugelsymmetrisch ist, so dass diese Elektronen im starken elektrischen Feld des Kerns aus ihrer Sicht ein wirksames Magnetfeld erfahren, das auf ihren Spin wirkt“, sagt Prof. Dr. Winfried Plass, der das Projektteam an der Universität Jena leitet. „Uns ist es nun erstmals gelungen, direkt von außen – also ohne Spin-Bahn-Kopplung – durch ein elektrisches Feld auf den Spin einzuwirken.“
Geometrisch frustriertes Spinsystem
„Bei unserem dreikernigen Kupferkomplex liegt ein sogenanntes geometrisch frustriertes Spinsystem vor. Das bedeutet, dass hier drei Spins existieren, die sich eigentlich jeweils antiparallel zu ihren Nachbarn ausrichten möchten. Aufgrund der Dreiecksanordnung lässt sich dieser Wunsch aber nicht für alle gleichzeitig erfüllen. Das ist vergleichbar mit drei Magneten an den Ecken eines Dreiecks, die sich jeweils Nord- auf Südpol ausrichten wollen – das gelingt nie für alle zugleich, sodass sich die Spins in einem Kompromisswinkel zueinander anordnen“, erklärt der Jenaer Chemiker. „Die dabei entstehende Drehrichtung – entweder im oder gegen den Uhrzeigersinn – entspricht der Spin-Chiralität dieses frustrierten Systems, die zwischen zwei gleichwertigen Zuständen minimaler Energie unterscheidet.“
An eine solche Formation haben die Forscherinnen und Forscher nun ein elektrisches Feld in der Ebene des Dreiecks, das die drei Spins verbindet, angelegt und das gesamte Spinsystem dadurch manipuliert. Den Einfluss ablesen konnten die Forschenden an einer Veränderung der Kopplungskonstante, also dem Wert, der Auskunft darüber gibt, wie stark Spins miteinander wechselwirken. Entscheidend für die Interaktion zwischen elektrischem Feld und Spin ist der Ligand des Moleküls – also die spezielle organische Verbindung, die die drei Spins miteinander verbindet. Die Versuche haben gezeigt, dass sich diese „Spin-Brücke“ vom elektrischen Feld verändern lässt und die Änderungen an die Kopplung zwischen den Spins weitergibt.
Elektrische Felder ermöglichen leistungsfähigere Quantencomputer
Für ihre Experimente verwendeten die Chemikerinnen und Chemiker eine spektroskopische Methode: die sogenannte Elektronenspinresonanz, kurz: ESR (oder EPR), mit der sich untersuchen lässt, ob elektrische Felder den Spin-Zustand eines Moleküls beeinflussen – sogenannte spinelektrische Effekte. In einem Kristall aus diesen Kupferkomplexen lässt sich damit insbesondere die räumliche Abhängigkeit – also die Anisotropie – dieses Effekts untersuchen.
Durch den Beweis, dass sich Spin-Zustände in Molekülen direkt durch elektrische Felder beeinflussen lassen, eröffnet das Forschungsteam neue Perspektiven für die Quantentechnologie. „Elektrische Felder sind präziser, schneller und leichter zu kontrollieren“, sagt Winfried Plass. „Qubit-Systeme auf dieser Basis könnten also leistungsfähigere und energieeffizientere Quantencomputerkonzepte ermöglichen.“ Dank der vorliegenden Forschungsergebnisse und der identifizierten Rolle des Liganden lassen sich Moleküle künftig gezielt für solche Anwendungen maßschneidern.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Winfried Plass
Institut für Anorganische und Analytische Chemie der Universität Jena
Humboldtstraße 8, 07743 Jena
Tel.: 03641 948130
E-Mail: winfried.plass@uni-jena.de
Originalpublikation:
Alberto Cini et al.: Electric control of magnetic exchange in a molecular spin triangle, Nature Communications, 2025, DOI: 10.1038/s41467-025-61417-6, https://www.nature.com/articles/s41467-025-61417-6
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