Neue Leitlinie zur Zytomegalievirus-Infektion
Meilenstein zur Prävention frühkindlicher Schwerhörigkeit
Frühkindliche Schwerhörigkeit bleibt für viele betroffene Familien eine lebenslange Herausforderung. Dabei kann eine der häufigsten Ursachen – die konnatale Zytomegalievirus-Infektion (cCMV) – in vielen Fällen heute nicht nur frühzeitig erkannt, sondern auch behandelt werden. Erstmals zeigt eine neue medizinische Leitlinie, die maßgeblich an der Universität Regensburg (UR) mitentwickelt wurde, nun auf, wie die Infektion verhindert oder therapiert werden kann.
„Wir stehen vor einem Paradigmenwechsel: Zum ersten Mal gibt es klare Empfehlungen, wie man eine der häufigsten infektiösen Ursachen frühkindlicher Schwerhörigkeit gezielt angehen kann“, betont Prof. Dr. Peter Kummer, Phoniater und Pädaudiologe der Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde der Universitätsklinik Regensburg (UKR) sowie langjähriges Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP e.V.). Für seine Fachgesellschaft war er federführend an der Leitlinienerstellung beteiligt.
Die von der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF) im April 2025 veröffentlichte S2k-Leitlinie „Prävention, Diagnostik und Therapie der CMV-Infektion bei Schwangeren und der konnatalen CMV-Infektion bei Neugeborenen und Kindern“ bietet erstmals einen interdisziplinär abgestimmten, evidenzbasierten Handlungsrahmen für ein bislang unterschätztes gesundheitliches Risiko. Die Empfehlungen richten sich an Fachkräfte aus den Bereichen Gynäkologie, Pädiatrie, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Phoniatrie und Labormedizin – mit dem Ziel, betroffene Kinder frühzeitiger zu erkennen und gezielter zu versorgen.
Das Zytomegalievirus (CMV) gehört zur Familie der Herpesviren und ist in der Bevölkerung weit verbreitet – rund 50 % der Erwachsenen in Deutschland tragen es in sich. Während eine Infektion für gesunde Menschen meist harmlos verläuft, birgt sie für das ungeborene Kind oft gravierende Risiken: Infiziert sich eine Frau während der Schwangerschaft oder reaktiviert sich eine frühere Infektion, kann das Virus über die Plazenta übertragen werden. Die mögliche Folge: eine konnatale CMV-Infektion (cCMV), die zu neurologischen Schäden, schweren Entwicklungsstörungen oder – oft zunächst unbemerkt – zu Hörstörungen führen kann.
Etwa 0,2 bis 0,6 % aller Neugeborenen in Deutschland sind schätzungsweise betroffen, 1.500 bis 4.500 Fälle pro Jahr. Die neue Leitlinie bündelt aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse und formuliert praxisorientierte Empfehlungen – von Hygienemaßnahmen über die Labordiagnostik bis zur antiviralen Therapie. Eine Schlüsselrolle spielt dabei das Neugeborenen-Hörscreening, das in Bayern erstmals in Regensburg pilotiert wurde. Auffällige Hörtests sollen künftig Anlass für eine gezielte CMV-Testung geben.
„Wenn wir CMV-Infektionen in den ersten Lebenstagen erkennen, können wir sie gezielt behandeln und Folgeschäden verhindern. Die antivirale Therapie – meist mit Valganciclovir – zeigt in bis zu 50 % der Fälle einen deutlichen Nutzen,“ so Peter Kummer. Die Leitlinie betont zudem die Bedeutung frühzeitiger Aufklärung für Schwangere. Bereits einfache Hygienemaßnahmen, wie das Vermeiden von Speichelkontakt mit Kleinkindern, können das Infektionsrisiko deutlich senken. Auch ein CMV-Screening zu Beginn der Schwangerschaft ist empfohlen – insbesondere für besonders gefährdete Gruppen.
„Die neue Leitlinie ist ein Meilenstein – aber ihr Nutzen hängt davon ab, dass sie auch flächendeckend umgesetzt wird,“ erklärt Prof. Kummer. „Dazu brauchen wir gezielte Fortbildungen, interdisziplinäre Netzwerke und ein gemeinsames Verständnis für die Bedeutung frühkindlicher Prävention.“
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Peter Kummer
Leiter Sektion Phoniatrie und Pädaudiologie
Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde
Universitätsklinikum Regensburg
Regensburg
Tel.: +49 (0)941 / 944-9471
E-Mail: peter.kummer@ukr.de
www.ukr.de/hno
Originalpublikation:
https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/093-003
Weitere Informationen:
https://blog.uni-regensburg.de/schwerhoerigkeit-bei-neugeborenen-verhindern-oder-lindern
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