Abkühlung vor der Haustür: Wie können öffentliche Gewässer in NRW legal zum Schwimmen genutzt werden?
In den aktuellen Debatten um Badeverbote stehen die Gefahren des ungesicherten Schwimmens in Flüssen und Seen im Mittelpunkt - zurecht, denn zu viele Menschen sind dieses Jahr schon ertrunken. Allerdings scheint diese Diskussion mit Blick auf die Potenziale der Gewässer für sicheres Schwimmen auch verkürzt.
Dr. Stefano Cozzolino, Wissenschaftler am ILS – Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung, beschäftigt sich damit, was Kommunen tun können, damit Wasserflächen sicher und legal genutzt werden können. In Nordrhein-Westfalen (NRW) bieten einige wenige Seen die Möglichkeit, sich überwacht und sicher abzukühlen. Demgegenüber ist die Liste der „informell“ genutzten Gewässer lang. „Eine relevante Frage ist, ob der aktuelle regulatorische und institutionelle Ansatz – das Schwimmen in städtischen Kontexten grundsätzlich zu verbieten – wirklich zukunftsweisend ist“, so Cozzolino mit Blick auf die Einführung von Bußgeldern einzelner Kommunen. Er empfiehlt dagegen, mehr Wasserflächen legal nutzbar zu machen. Der Bedarf sei da. Heiße Temperaturen werden zunehmend in den Städten zum Problem. Gewässer sind dabei eine Möglichkeit der Abkühlung. Es ist außerdem eine soziale Frage, dass alle günstig oder kostenlos diese Möglichkeit haben.
Von guten internationalen Beispielen lernen:
Stefano Cozzolino nennt Beispiele aus Nachbarländern. „Das auffälligste Beispiel ist Paris, wo ausgewiesene Badebereiche an der Seine eingerichtet wurden“, so Cozzolino. Kopenhagen entschied sich schon vor längerer Zeit, in vielen Teilen der Stadt das Schwimmen zu ermöglichen, einschließlich des berühmten Islands Brygge. Auch in Rotterdam, London, Amsterdam oder Zürich gibt es entsprechende Angebote.
„In den meisten dieser Fälle waren neben der strikten Wasserqualitätsüberwachung nur begrenzte, gezielte Maßnahmen nötig, um sichere und angenehme städtische Schwimmorte zu schaffen – wie Schwimmbahnen, Leitern und Plattformen für den Wassereinstieg sowie in einigen Fällen Duschen, öffentliche Toiletten, kleine Schließfächer für persönliche Gegenstände und klare Regeln, beispielsweise die Pflicht zur Nutzung von Schwimmbojen“, so Cozzolino.
NRW verfügt über ein dichtes Netz an Kanälen und Häfen, die zwischen dem 19. und 20. Jahrhundert für die damals boomenden Kohle- und Stahlindustrien gebaut wurden. „Was einst nur ‚industrielle Adern‘ waren, kann in einigen Bereichen heute in multifunktionale Räume umgewandelt werden, die Freizeit-, Kultur- und ökologische Nutzungen und eben auch das Schwimmen integrieren“, so Cozzolino. Auch in NRW findet sich mit dem Duispool in Duisburg ein Beispiel, wo der Hafen diesen Sommer für einige Tage vorübergehend für Freiwasserschwimmen genutzt wurde. Bisher fehlt aber die Verstetigung des Angebots.
An größeren innerstädtischen Flüssen und Kanälen sind Maßnahmen, wie sogenannte „Floating Pools“, denkbar. Dabei handelt es sich um abgetrennte Bereiche, die üblicherweise aus schwimmfähigen Materialien bestehen, mit Netzen, die den Bereich unter Wasser abgrenzen, und in Ufernähe platziert werden. Die Lage muss so gewählt werden, dass sie den Schiffsverkehr nicht beeinträchtigen.
Die genannten guten Beispiele sind nicht ohne Herausforderungen, zeigen aber mögliche Lösungen für Städte auf. „Politischer Wille und bürgerschaftliches Engagement, etwa durch die Gründung von entsprechenden Vereinen, sind häufig der Schlüssel für gelungene Projekte“, so Cozzolino.
In der Fachliteratur sind die Vorteile städtischer Schwimmmaßnahmen dokumentiert: höhere Sensibilität und ökologische Qualität der Gewässer; naturbasierte Lösungen gegen Hitze und zur Renaturierung von Wasserwegen; Förderung der „aktiven Stadt“ und der Gesundheit der Bürger*innen; Schaffung und Stärkung lokaler Gemeinschaften sowie verbesserte Qualität und Zugänglichkeit öffentlicher Räume. Freiwasserschwimmen als Sportart hat in letzter Zeit ebenfalls an Popularität gewonnen, unter anderem durch Veranstaltungen, die solche Transformationen zeitweise erproben.
Das ILS sieht Potenziale für das Schwimmen in öffentlichen Gewässern – gerade mit Blick auf die klimatischen Veränderungen. Seit Mai 2025 unterstützt das Stadtforschungsinstitut die globale Swimmable Cities-Bewegung – ein Netzwerk von über 170 Unterzeichner*innen und 83 Städten weltweit, das den Austausch bewährter Praktiken fördert, Akteure vernetzt und diesen Wandel vorantreibt.
Das ILS – Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung ist ein außeruniversitäres Forschungsinstitut, das die aktuelle und künftige Entwicklung von Städten interdisziplinär und international vergleichend untersucht. Weitere Informationen auf www.ils-forschung.de.
Weitere Informationen:
https://www.swimmablecities.org/ Mehr Informationen zur Swimmable Cities-Bewegung
Die semantisch ähnlichsten Pressemitteilungen im idw
