In schlechter Gesellschaft: Immunzellen der Tumorumgebung entscheiden über Therapieerfolg bei kindlichen Hirntumoren
Das zelluläre Umfeld eines Tumors kann die Genesung unterstützen oder sabotieren. Wie eine förderliche oder hinderliche „Nachbarschaft“ bei kindlichen Hirntumoren aussieht, zeigt die bislang umfänglichste Studie zur Tumor-Mikroumgebung in niedriggradigen Gliomen des Hopp-Kindertumorzentrums Heidelberg (KiTZ), des Universitätsklinikums Jena, des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) und des Universitätsklinikums Heidelberg. Die Studie gibt auch Hinweise darauf, wie sich die Kommunikation des Tumors möglicherweise blockieren lässt.
Das „Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg“ (KiTZ) ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD) und der Universität Heidelberg (Uni HD).
Niedriggradige Gliome sind die häufigste Hirntumorart bei Kindern – und gleichzeitig wenig untersucht. Die Tumoren sind meist gutartig und die jungen Patientinnen und Patienten haben in der Regel eine gute Überlebenschance. In einigen Fällen wachsen die Tumoren jedoch kontinuierlich weiter, es kommt zu neurologischen Beeinträchtigungen und die Kinder haben lebenslang mit den Auswirkungen der Tumoren und der Behandlung zu kämpfen.
Warum manche der Tumoren schnell oder langsam wachsen, sich besser oder schlechter kontrollieren lassen und es in manchen Fällen trotz erfolgreicher Behandlung zu Rückfällen kommt, hängt dabei nicht nur von den Krebszellen selbst, sondern auch den Zellen in der Umgebung ab. Der Tumor wendet dabei unterschiedliche Tricks an, um die Zellen in der Nachbarschaft so zu manipulieren, dass sie Blut- und Lymphgefäße bilden, die ihn versorgen, das Tumorgewebe stützen oder sogar die Blut-Hirnschranke so beeinflussen, dass Medikamente nicht eindringen können. Gleichzeitig wandern Immunzellen ein, welche die Immunabwehr unterdrücken und den Tumor vor Attacken anderer Abwehrzellen schützen.
„Das ist hochkomplex und es war bislang schwierig, die genaue Zusammensetzung der Tumor-Mikroumgebung bei kindlichen niedriggradigen Gliomen zu analysieren, um beispielsweise auch Vorhersagen zum Therapieverlauf machen zu können“, erklärt Till Milde vom Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg (KiTZ) und dem Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD), der seit diesem Jahr die Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Jena leitet.
Gemeinsam mit Romain Sigaud vom Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg (KiTZ), vom Universitätsklinikum Jena und dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und weiteren Kollegen, u.a. von der McGill University, Montreal, Canada ist es dem Forschungsteam jetzt gelungen, das „Immunzellen-Profil“ der Tumorumgebung zu charakterisieren, die sich künftig auch als Marker für die Prognose eignen könnten. Das Forschungsteam analysierte 120 Tumorproben von Kindern und Jugendlichen mit einem vergleichsweise jungen Verfahren, der bildgebenden Massenzytometrie. Hochaufgelöste mikroskopische Bildgebung wird dabei mit Massenspektrometrie kombiniert, um viele Proteine in Gewebeproben mit hoher räumlicher Auflösung sichtbar zu machen.
Eine auffällige Gemeinsamkeit in der Tumorumgebung der untersuchten Proben war die große Anzahl sogenannter myeloischer Zellen, eine Gruppe von Immunzellen. Die Proteinzusammensetzung dieser myeloischer Zellen lässt zudem vermuten, dass sie die Immunabwehr im Tumor unterdrücken und er daher von der körpereigenen Abwehr nicht angegriffen wird. Kinder mit einem Rückfall zeigten dabei ein besonders charakteristisches „Immunzellen-Profil“ in der Tumorumgebung, das sich künftig als Marker eignen könnte, um Hochrisiko-Patienten zu identifizieren. Die Zusammensetzung der Tumorumgebung variierte auch in Abhängigkeit von der Hirnregion, in der sich der Tumor befindet.
Darüber hinaus fanden die Forscherinnen und Forscher in den myeloischen Zellen der Tumorumgebung auch besonders hohe Konzentrationen eines bestimmten Rezeptors, der für die Kommunikation der Krebszellen mit den Zellen ihrer Umgebung verantwortlich ist, wie frühere Studien vermuten lassen. „Das sind gute Nachrichten, denn es gibt bereits klinische Studien, in denen Patienten mit soliden Tumoren auf die Blockade dieses Rezeptors gut ansprechen“, sagt Till Milde. „Wir hoffen daher, dass diese Therapie auch Kindern und Jugendlichen mit einem niedriggradigen Gliom helfen könnte. Mit den Ergebnissen unserer Arbeit möchten wir auch neue Ansätze entwickeln, um die Zellen der Tumorumgebung positiv zu beeinflussen.“
Originalpublikation:
A. F. Andrade et al. Revealing MAPK-Activated Immune-Suppressive Myeloid Populations in Pediatric Low-1 Grade Gliomas Through Spatial Immune Mapping. Nature Immunology (Online-Publikation, 12. September 2025) DOI: 10.1038/s41590-025-02268-7
Ein Bild steht zum Download zur Verfügung unter:
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Bildunterschrift:
„Mikroskopische Aufnahmen von Immunzellen (blau und gelb) in der zellulären Umgebung eines niedrigradigen Glioms (pink), einer häufigen Hirntumorart bei Kindern.“
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Das Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg (KiTZ)
Das „Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg“ (KiTZ) ist eine kinderonkologische Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums, des Universitätsklinikums Heidelberg und der Universität Heidelberg. Wie das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg, das sich auf Erwachsenenonkologie konzentriert, orientiert sich das KiTZ in Art und Aufbau am US-amerikanischen Vorbild der so genannten "Comprehensive Cancer Centers" (CCC). Das KiTZ ist gleichzeitig Therapie- und Forschungszentrum für onkologische und hämatologische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Es verfolgt das Ziel, die Biologie kindlicher Krebs- und schwerer Bluterkrankungen wissenschaftlich zu ergründen und vielversprechende Forschungsansätze eng mit der Patientenversorgung zu verknüpfen – von der Diagnose über die Behandlung bis hin zur Nachsorge. Krebskranke Kinder, gerade auch diejenigen, für die keine etablierten Behandlungsoptionen zur Verfügung stehen, bekommen im KiTZ einen individuellen Therapieplan, den Experten verschiedener Disziplinen in Tumorkonferenzen gemeinsam erstellen. Viele junge Patienten können an klinischen Studien teilnehmen und erhalten damit Zugang zu neuen Therapieoptionen. Beim Übertragen von Forschungserkenntnissen aus dem Labor in die Klinik übernimmt das KiTZ damit Vorbildfunktion.
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ)
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:
Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 7 Standorte)
Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.
Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Heidelberg: Krankenversorgung, Forschung und Lehre von internationalem Rang
Das Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) ist eines der bedeutendsten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg zählt zu den international renommierten biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung innovativer Diagnostik und Therapien sowie ihre rasche Umsetzung für Patientinnen und Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 14.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und engagieren sich in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 klinischen Fachabteilungen mit rund 2.500 Betten werden jährlich circa 86.000 Patientinnen und Patienten voll- und teilstationär und mehr als 1.100.000 Patientinnen und Patienten ambulant behandelt.
Gemeinsam mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und der Deutschen Krebshilfe (DKH) hat das UKHD das erste Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg etabliert. Ziel ist die Versorgung auf höchstem Niveau als onkologisches Spitzenzentrum und der schnelle Transfer vielversprechender Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik. Zudem betreibt das UKHD gemeinsam mit dem DKFZ und der Universität Heidelberg das Hopp Kindertumorzentrum Heidelberg (KiTZ), ein deutschlandweit einzigartiges Therapie- und Forschungszentrum für onkologische und hämatologische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter.
Das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland. Derzeit befinden sich an der Medizinischen Fakultät Heidelberg (MFHD) rund 4.000 angehende Ärztinnen und Ärzte in Studium und Promotion. www.klinikum-heidelberg.de
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Originalpublikation:
A. F. Andrade et al. Revealing MAPK-Activated Immune-Suppressive Myeloid Populations in Pediatric Low-1 Grade Gliomas Through Spatial Immune Mapping. Nature Immunology (Online-Publikation, 12. September 2025) DOI: 10.1038/s41590-025-02268-7
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