Armut und finanzielle Sorgen erhöhen Risiko für Gewalt gegen Frauen in Partnerschaften
Armut und finanzielle Belastungen erhöhen das Risiko für Frauen, körperliche Gewalt in der Partnerschaft zu erfahren – das zeigt eine neue Studie der Universitäten Bremen und Flensburg. Besonders gefährdet sind arbeitslose Frauen und Mütter. Die Ergebnisse machen deutlich: Finanzielle Abhängigkeit ist nicht nur ein privates Problem, sondern auch ein gesellschaftspolitisches. Kürzungen im Sozialstaat oder fehlende Unterstützung können das Risiko häuslicher Gewalt erhöhen.
Die Soziologinnen Dr. Ruth Abramowski vom SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik der Universität Bremen und Dr. Lara Minkus von der Europa-Universität Flensburg zeigen in einer neuen zufallsbasierten Untersuchung, dass ein Mangel an finanziellen und materiellen Ressourcen ein wesentlicher Risikofaktor für Gewalt in Paarbeziehungen ist – insbesondere für Frauen. „Die Ergebnisse bestätigen damit, was Theorien zu Machtverhältnissen und internationale Studien bereits vermuten ließen“, erklärt Abramowski.
Daten: 1.667 Frauen über 14 Erhebungsjahre
Die Studie basiert auf Daten des Beziehungs- und Familienpanels pairfam. Ausgewertet wurden Angaben von 1.667 Frauen, die sich seit dem vergangenen Interview von ihrem Partner getrennt haben. Unter Frauen, die im Jahr vor einer Trennung erwerbstätig waren, berichtete etwa jede neunte (11 von 100) von körperlicher Gewalt. Bei Frauen, die in dieser Zeit arbeitslos waren, war es fast jede fünfte (20 von 100). „Mit anderen Worten: Arbeitslosigkeit macht Gewalt in Beziehungen fast doppelt so wahrscheinlich“, betont Minkus.
Auch die persönliche Wahrnehmung der eigenen finanziellen Lage spiele eine Rolle. „Frauen, die mit den Haushaltsfinanzen sehr unzufrieden waren, berichteten signifikant häufiger von Gewalt als Frauen, die sehr zufrieden waren. Das Risiko steigt, wenn Frauen ihre finanzielle Situation als belastend empfinden“, hebt Abramowski hervor.
Besonders gefährdet: Frauen mit Kindern
Frauen mit Kindern sind besonders gefährdet, wie Minkus erläutert. „Während Frauen ohne Kinder deutlich seltener von Gewalt berichteten, war das Risiko bei Müttern mit einem Kind etwa ein Drittel höher.“ Bei zwei oder mehr Kindern steige es sogar noch stärker an.
Neben der wissenschaftlichen Relevanz betonen die Autorinnen auch die politischen Konsequenzen. „Gezielte finanzielle Unterstützungsangebote können Gewalt vorbeugen. Es braucht Maßnahmen, die ökonomische Abhängigkeit abbauen und Frauen echte Handlungsspielräume eröffnen“, sagt Abramowski. Die Studie „Economic deprivation and intimate partner violence in Germany“ (Ökonomische Benachteiligung und Partnerschaftsgewalt in Deutschland) ist in der Fachzeitschrift PLOS One erschienen.
Datenbasis pairfam
Das Beziehungs- und Familienpanel pairfam („Panel Analysis of Intimate Relationships and Family Dynamics“) war eine multidisziplinäre Längsschnittstudie zur Erforschung partnerschaftlicher und familialer Lebensformen in Deutschland. Seit 2008 wurden über 12.000 Personen aus mehreren Geburtsjahrgängen jährlich befragt. Es handelte sich um ein Kooperationsprojekt der Universität Bremen, der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), der Friedrich-Schiller-Universität Jena und der Universität zu Köln.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Ruth Abramowski, SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik, Universität Bremen, Tel.: +49 421/218-58550, E-Mail: ruth.abramowski@uni-bremen.de
Dr. Lara Minkus, Europa-Universität Flensburg, Tel.: +49 461/ 805 2325, E-Mail: lara.minkus@uni-flensburg.de
Originalpublikation:
Minkus, L. & Abramowski, R. (2025): Economic deprivation and intimate partner violence in Germany. PLOS One. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0329930
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