HU-Forschungsteam entwickelt neuen Quantensensor
Mithilfe des Verfahrens können Defekte im Kristallgitter von Materialien in Echtzeit und mit bislang ungekannter Präzision gemessen werden
Von Computerchips bis hin zu Quantenpunkten - technologische Plattformen wie diese wurden erst durch ein detailliertes Verständnis der eingesetzten Festkörpermaterialien möglich, zum Beispiel von Silizium oder komplexere Halbleitermaterialien. Zu diesem Verständnis gehört auch, Verunreinigungen im Kristallgitter solcher Materialien identifizieren und kontrollieren zu können. Fehlt etwa in der Gitterstruktur der Kristalle ein Atom, kann sich dort ein einzelnes Elektron und damit elektrische Ladung fangen. Solche Ladungsfallen erzeugen elektromagnetisches Rauschen, das die Funktionsfähigkeit dieser Materialen einschränkt. Allerdings ist es außerordentlich schwierig, diese Ladungsfallen auf einer atomaren Größenskala zu lokalisieren.
Forschende der Arbeitsgruppe „Integrierte Quantenphotonik“ am Institut für Physik der Humboldt Universität zu Berlin (HU) sowie des „Joint Lab Diamond Nanophotonics“ am Ferdinand-Braun-Institut haben unter der Leitung von Prof. Dr. Tim Schröder einen neuen Sensor entwickelt, der solche einzelnen elektrischen Ladungen präziser nachweisen kann als dies bisher möglich war. Dafür setzten sie selbst auf einen Defekt im Kristallgitter – zwei Leerstellen kombiniert mit einem Fremdatom, die wegen ihrer Fähigkeit Licht zu absorbieren und zu emittieren auch Farbzentrum genannt werden. Es ist bereits bekannt, dass solche lichtaktiven Farbzentren als Sensor genutzt werden können, um Informationen über Materialeigenschaften zu gewinnen; mit dem neu entwickelten Sensor lassen sich einzelne elektrische Ladungen allerdings präziser nachweisen. Dafür wurde ein solches Farbzentrum in ein rechteckiges Materialstück aus künstlichem Diamant eingebracht. Die Beobachtung kleinster Änderungen in der Farbe des Lichts, das das Farbzentrum im künstlichem Diamant aussendet, bildet den Hauptmechanismus zur Lokalisierung der Ladungsfallen einzelner Elektronen. Das Farbzentrum zeichnet sich durch eine spezifische Empfindlichkeit gegenüber elektrischen Feldern aus. Wird eine einzelne Ladung in der Nähe des Sensors eingefangen, sind die Farbänderungen deutlich; befinden sich die Ladungen dagegen nur ein kleines Stück weiter entfernt, verursachen sie fast keine Änderungen. Dadurch wird eine äußerst präzise Bestimmung einzelner Defekte möglich. Darüber hinaus erlaubt die Methode ein Monitoring der Ladungen in Echtzeit, indem die Messung in regelmäßigen Abständen von bis zu einer Millionstel Sekunde wiederholt wird.
Patentanmeldung: Werkzeug für Materialwissenschaftler im Quantenzeitalter
Eine Studie, die die Eigenschaften des Sensors demonstriert, haben die Forschenden kürzlich in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht. Zudem haben sie das Verfahren und die Vorrichtung zur Lokalisierung von Ladungsfallen in einem Kristallgitter in Deutschland und in den USA als Patent angemeldet. „Dieses Gerät ist ein neues Werkzeug für Materialwissenschaftler, das physikalische Prozesse sichtbar macht und verstehen hilft, die wir bisher nicht beobachten konnten. Denn wir können nun die Wechselwirkung von Ladungen mit Kristalldefekten deutlich präziser lokalisieren und zudem viel schneller aufzeichnen als zuvor“, sagt Dr. Gregor Pieplow, der die Software und die methodologischen Grundlagen für den Sensor entwickelt hat. „Das Potenzial des Sensors ist noch wesentlich größer“, ergänzt Cem Güney Torun, der an der Konzeption und dem Aufbau des Experimentes gearbeitet hat. „Die Integration von Farbzentren in mikroskopische Diamantspitzen wird es ermöglichen, verschiedenste Materialien zu analysieren und einen wirklich atomaren, zeitaufgelösten und schnellen Scansensor zu realisieren.“
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Gregor Pieplow
Institut für Physik an der Humboldt-Universität zu Berlin
E-Mail: gregor.pieplow@physik.hu-berlin.de
Cem Güney Torun
Institut für Physik an der Humboldt-Universität zu Berlin
E-Mail: toruncem@physik.hu-berlin.de
Prof. Dr. Tim Schröder
Institut für Physik an der Humboldt-Universität zu Berlin
E-Mail: tim.schroeder@physik.hu-berlin.de
Originalpublikation:
https://www.nature.com/articles/s41467-025-61839-2
Weitere Informationen:
https://patents.google.com/patent/US20250244358A1
https://patents.google.com/patent/DE102024003454A1
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