Aktualisierte Leitlinie zu Migräne: Neue Medikamente, neue Versorgungspfade
Innovative Therapien und digitale Lösungen stehen bereit – doch für viele Betroffene bleibt der Zugang schwierig
Kopfschmerzen gehören zu den häufigsten gesundheitlichen Beschwerden in Deutschland. Mit etwa 10 Prozent Bevölkerungsanteil ist Migräne die häufigste neurologische Erkrankung. Für viele Betroffene geht Migräne mit Schmerzen, Verlust von Lebensqualität und häufigen Krankheitstagen einher. Trotz klarer Empfehlungen der kürzlich veröffentlichten S1-Leitlinie „Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne“ werden viele Patientinnen und Patienten in Deutschland noch immer nicht leitliniengerecht behandelt.
Auf der Pressekonferenz im Rahmen des Deutschen Schmerzkongresses 2025 am 23. Oktober 2025 in Mannheim stellen die Deutsche Schmerzgesellschaft e. V. und die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e. V. (DMKG) neue medikamentöse, psychologische und digitale Behandlungsansätze vor. Sie plädieren dafür, dass Patientinnen und Patienten frühzeitig wirksame Therapien erhalten, um eine Schmerz-Chronifizierung zu verhindern. Auch das vom G-BA Innovationsfonds geförderte Projekt MIGRA-MD soll zeigen: Je früher und umfassender die Therapie, desto wirksamer.
Anmeldung zur Pressekonferenz: https://us06web.zoom.us/webinar/register/WN_nRx0XT6jRcWZ7HUcyz_rNw
Die medikamentöse Versorgung von Migränepatientinnen und -patienten ist in Bewegung: Zwar sind und bleiben Triptane die Standard-Medikamente zur Behandlung akuter Migräneattacken. Gleichzeitig erweitern jedoch auch die neuen Wirkstoffe Lasmiditan und Rimegepant das Behandlungsspektrum. „Diese Substanzen bieten insbesondere für Patientinnen und Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen neue Optionen, da sie nicht gefäßverengend wirken“, sagt Privatdozent Dr. med. Lars Neeb, Präsident der DMKG und Chefarzt der Neurologie am Universitätsklinikum Brandenburg an der Havel. Für Lasmiditan konnte gezeigt werden, dass es auch bei Patienten, die auf Triptane nicht angesprochen haben, wirkt.
Auch in der Prophylaxe gibt es Fortschritte: Mit Atogepant und Rimegepant stehen seit Kurzem orale CGRP-Rezeptorantagonisten zur Verfügung, die in Studien wirksam und gut verträglich sind. „Patientinnen und Patienten profitieren von einer individualisierten Therapie, die Medikamente, digitale Tools und nichtmedikamentöse Verfahren kombiniert“, betont Neeb. Er verweist dabei auch auf Sitzungen des anstehenden Schmerzkongresses in Mannheim, in denen internationale Schmerzexpertinnen und -experten neueste Entwicklungen aus Forschung und Praxis diskutieren und dort auch die aktualisierte S1-Leitlinie „Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne“ vorstellen.
Daten zeigen: Patientinnen und Patienten werden oft zu spät wirksam therapiert
Trotz dieser wissenschaftlichen Fortschritte und vielfältigen Therapieoptionen bleibt die Versorgung vieler Betroffener unzureichend. „Daten aus dem DMKG-Kopfschmerzregister zeigen, dass moderne, spezifische Migräneprophylaktika häufig erst spät im Krankheitsverlauf eingesetzt werden – oftmals nach Jahren unzureichender Behandlung“, so Neeb weiter. Ein frühzeitiger Zugang zu wirksamen Therapien sei jedoch wichtig, da er das Risiko einer Chronifizierung deutlich senken kann.
Die Fachgesellschaften setzen sich daher dafür ein, dass die Inhalte der neuen Leitlinie schneller in die Praxis gelangen und Patientinnen und Patienten einfacher und konsequenter an spezialisierte Behandlerinnen und Behandler überführt werden. Nur so könne das Potenzial neuer Therapien voll ausgeschöpft werden.
Psychologische Verfahren und Bewegung als feste Säule
Neben Medikamenten gewinnen nichtmedikamentöse Verfahren zunehmend an Bedeutung. „Kognitive Verhaltenstherapie, Entspannungstechniken, Achtsamkeitsübungen, Biofeedback sowie Ausdauer- und Kraftsport haben nachweislich positive Effekte und sollten fester Bestandteil jeder Migränebehandlung sein“, erläutert Kongresspräsident Dr. phil. Thomas Dresler von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Tübingen.
Zudem ermöglichen digitale Anwendungen, dass Betroffene entsprechend ihrer Symptome selbst aktiv werden können: „Mit der DMKG-App oder der SinCephalea-App können Patientinnen und Patienten ihre Migräne gezielt beobachten und selbst Einfluss auf den Krankheitsverlauf nehmen“, so Dresler weiter.
MIGRA-MD: Ein Modell für die Versorgung von morgen
Wie sich zur Verbesserung der Migränetherapie Leitlinienwissen, digitale Unterstützungsangebote und multimodale Behandlungsformen kombinieren lassen, zeigt das vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) mit 5,3 Millionen Euro geförderte Projekt MIGRA-MD – Strukturierte fachärztliche Migräneversorgung – multimodal und digital.
Patientinnen und Patienten führen innerhalb dieses Projektes einen digitalen Kopfschmerzkalender via DMKG-App und füllen einen digitalen Kopfschmerzfragebogen aus. Die Daten werden im Arztportal strukturiert dargestellt und erleichtern die leitliniengerechte Anamnese und Verlaufskontrolle. Ergänzend bietet die Lernplattform MIGRA-MD Wissen den Patientinnen und Patienten Videos zu medikamentösen und nichtmedikamentösen Therapien, erstellt von einem interdisziplinären Expertenteam. „Durch diese Kombination aus digitaler Begleitung und fachärztlicher Expertise wollen wir die Selbstwirksamkeit der Betroffenen stärken und neben der medikamentösen Behandlung die Nutzung nichtmedikamentöser Ansätze fördern“, so Privatdozentin Dr. med. Ruth Ruscheweyh, Fachärztin für Neurologie und Spezielle Schmerztherapie am LMU Klinikum München und kooptiertes Mitglied im Präsidium der DMKG. An der begleitenden Studie werden bundesweit 1000 Patientinnen und Patienten an 50 Zentren teilnehmen.
Interdisziplinär und patientenzentriert
Die Expertinnen und Experten betonen, dass eine Migränebehandlung nicht auf die Gabe von Medikamenten beschränkt bleiben darf. Eine interdisziplinäre, multimodale Schmerztherapie (IMST), bei der Fachleute aus Schmerzmedizin, Psychologie, Physiotherapie und Pflege eng zusammenarbeiten, führt nachweislich zu besseren Ergebnissen und verhindert Chronifizierung. „Eine erfolgreiche Schmerztherapie berücksichtigt immer körperliche, psychische und soziale Faktoren zugleich“, fasst Dresler zusammen. Ziel müsse es sein, Betroffene dazu zu befähigen, den Umgang mit ihrer Erkrankung aktiv mitzugestalten – mit einem klaren Ziel: weniger Kopfschmerztage, mehr Lebensqualität.
Auf der Kongress-Pressekonferenz berichten die Expertinnen und Experten über die neuesten Entwicklungen in Prävention, Diagnostik und Therapie von Kopfschmerzen und stellen das Innovationsfondsprojekt MIGRA-MD genauer vor.
Informationen:
• S1-Leitlinie Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne
• MIGRA-MD– Strukturierte fachärztliche Migräneversorgung – multimodal und digital
Empfohlene Sitzungen auf dem Schmerzkongress (https://deutscherschmerzkongress.de/):
Termin: Mittwoch – 22.10.2025, 10:00 Uhr
RF04: Kopfschmerz 1
Termin: Mittwoch – 22.10.2025, 13:30 Uhr
RF09: Kopfschmerz 2
Termin: Donnerstag – 23.10.2025, 12:00 Uhr
P05: Rücken- und Kopfschmerz
Termin: Donnerstag – 23.10.2025, 13:45 Uhr
WS08: Biofeedbacktherapie – Neuland bei Kopfschmerzen und Migräne?
Termin: Freitag – 24.10.2025, 08:15 Uhr
WS11: „Psychologisch-informierte Physiotherapie“ bei Migräne
Termin: Freitag – 24.10.2025, 10:00 Uhr
SY20: Kopfschmerzen: Real World Evidence und innovative Versorgung
Termin: Freitag – 24.10.2025, 15:30 Uhr
SY24: Therapierefraktäre Migräne im Fokus: Innovative Behandlungsstrategien zwischen Pharmakotherapie, interventioneller Neuroradiologie und Neurochirurgie
Termin: Samstag – 25.10.2025, 08:30 Uhr
SY28: Schmerzkolibris – seltene (Kopf)Schmerzerkrankungen und was dahintersteckt
++++ Bei Abdruck Beleg erbeten. ++++
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Kongress-Pressekonferenz
anlässlich des Deutschen Schmerzkongresses (22. bis 25. Oktober 2025) der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V. und der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e. V. (DMKG)
Neugier auf Neuland…
Ein Blick über den Tellerrand in der Schmerzversorgung
Termin: Donnerstag, 23. Oktober 2025, 11:00 bis 12:00 Uhr
Anmeldung unter: https://us06web.zoom.us/webinar/register/WN_nRx0XT6jRcWZ7HUcyz_rNw
Programm:
50 Jahre Schmerzgesellschaft – Wie steht es um die Schmerzversorgung in Deutschland? Ein Blick auf die Krankenhausreform und aktuelle Entwicklungen
Professor Dr. med. Frank Petzke
Präsident der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V. und Facharzt für Anästhesiologie, Spezieller Schmerztherapeut, Klinik für Anästhesiologie, Universitätsmedizin Göttingen
MIGRA-MD: Das Innovationsfondsprojekt für Migränepatient*innen – Weniger Kopfschmerztage, mehr Lebensqualität: Was das neue Versorgungskonzept verspricht
Privatdozentin Dr. med. Ruth Ruscheweyh
Kooptiertes Mitglied im Präsidium der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e. V. (DMKG) und Fachärztin für Neurologie, Spezielle Schmerztherapie, LMU Klinikum München
Der Rücken lügt nicht – was Bewegung über Schmerzen verrät und warum falsche Diagnosen so viele Therapien scheitern lassen
Professor Dr. biol. hum. Hendrik Schmidt
Berlin Institute of Health Julius Wolff Institut - Center for Musculoskeletal Biomechanics and Regeneration, Charité – Universitätsmedizin Berlin
Volkskrankheit Kopfschmerz: Neue Erkenntnisse zu medikamentösen Ansätzen und innovative Behandlungsstrategien
Privatdozent Dr. med. Lars Neeb
Präsident der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e. V. (DMKG), Chefarzt im Fachbereich Neurologie am Universitätsklinikum Brandenburg an der Havel.
und
Dipl.-Psych. Dr. phil. Thomas Dresler
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Tübingen
Schmerzrückbildung in der Klinischen Forschungsgruppe ResolvePAIN: Was wir aus Heilungsprozessen und dem Immunsystem bei Schmerz lernen können
Professorin Dr. med. Heike Rittner
Lehrstuhl Schmerzmedizin, Zentrum für interdisziplinäre Schmerzmedizin, Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie, Universitätsklinikum Würzburg
und
Professorin Dr. med. Claudia Sommer
Oberärztin an der Klinik und Poliklinik für Änasthesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie am Universitätsklinikum Würzburg
Moderation: Christina Seddig, Pressestelle Schmerzkongress 2025
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