Neue S3-Leitlinie: Flexiblere Optionen für die Behandlung von Menschen mit Schizophrenie
Die aktualisierte S3-Leitlinie Schizophrenie der DGPPN markiert einen wichtigen Schritt in der Versorgung: Sie erweitert die medikamentösen, psychotherapeutischen und psychosozialen Möglichkeiten und eröffnet damit neue Perspektiven für Betroffene.
Schizophrenien gehören zu den besonders schweren psychischen Erkrankungen. Etwa ein Prozent der Bevölkerung erkrankt im Laufe des Lebens daran. Die Erkrankung geht mit erheblichem persönlichem Leid und einem hohen Risiko für soziale und berufliche Beeinträchtigungen einher; Menschen mit einer Schizophrenie sterben durchschnittlich 15–20 Jahre früher als die Allgemeinbevölkerung. Ohne eine Behandlung steigt das Risiko, dass Betroffene sich selbst gefährden und auch die Wahrscheinlichkeit für Gewalttaten ist erhöht – insbesondere, wenn zusätzlich Substanzen wie Alkohol oder Drogen konsumiert werden.
Prof. Dr. Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank, Präsidentin der medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaft Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (DGPPN), welche die Leitlinie federführend herausgibt, betont: „Eine frühzeitige Erkennung und eine konsequente leitliniengerechte Behandlung von Menschen mit Schizophrenie sind wichtig, damit Komplikationen und das Leid für die Betroffenen selbst und für andere minimiert werden. Die aktualisierte S3-Leitlinie Schizophrenie der DGPPN zeigt nun neue Wege für individuelle Therapien auf.“
Individualisierte Pharmakotherapie
Während bislang im Rahmen der medikamentösen Therapie eine Monotherapie empfohlen wurde, öffnet die neue Leitlinie nun in bestimmten Konstellationen, insbesondere bei schwierigen Behandlungsfällen, die Tür für Kombinationstherapien. Prof. Dr. Alkomiet Hasan, Leiter der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der Universität Augsburg und Koordinator der neuen Leitlinie, erläutert: „Mit den neuen Empfehlungen erweitern wir die Behandlungsmöglichkeiten für Patientinnen und Patienten, die auf eine Einzelmedikation nicht ausreichend ansprechen. Die Auswahl der Medikamente muss individuell erfolgen. Dabei müssen unbedingt die Nebenwirkungen berücksichtigt werden, denn diese sind häufig entscheidend dafür, ob eine Medikation auch langfristig eingenommen wird.“
Neue Psychotherapien
Die Leitlinie stärkt zudem den Stellenwert der Psychotherapie in der Behandlung der Schizophrenien. Neu aufgenommen wurden unter anderem traumafokussierte Verfahren, die Patientinnen und Patienten mit komorbider Posttraumatischer Belastungsstörung wirksam unterstützen können, sowie moderne Verfahren der achtsamkeitsbasierten Psychotherapie. Zudem wurden erstmalig digitale Ansätze wie die Avatar-Therapie zur Behandlung von auditiven Halluzinationen in die Empfehlungen aufgenommen, auch wenn die Evidenz hier noch begrenzt ist.
Den Menschen im Blick
Neben Psychotherapie und Pharmakotherapie betont die Leitlinie auch die Wichtigkeit psychosozialer Interventionen. Dazu zählen unter anderem Bewegungstherapien und die konsequente Einbindung der Angehörigen. „Entscheidend für eine wirksame Behandlung ist ein ganzheitlicher Behandlungsansatz. Die Kombination von Antipsychotika mit kognitiver Verhaltenstherapie und psychosozialen Verfahren ist nach aktuellem Stand der Forschung von zentraler Bedeutung. Auch die Förderung der somatischen Gesundheit muss unbedingt im Blick gehalten werden“, erklärt Alkomiet Hasan.
Die neue Leitlinie umfasst insgesamt 154 Empfehlungen zu Diagnostik und Behandlung. Vier Empfehlungen wurden neu hinzugefügt, 145 wurden nach Überprüfung aktualisiert. Die Leitlinie wurde im Rahmen eines zweijährigen Konsensusprozesses unter Beteiligung von 41 Fachgesellschaften, Verbänden sowie Angehörigen- und Betroffenen-Organisationen erarbeitet. Es handelt sich um eine sogenannte Living Guideline, die künftig jährlich aktualisiert wird. Die Veröffentlichung erfolgt online über die nichtkommerzielle Plattform MAGICApp und zusätzlich im Leitlinienregister der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF).
Die besondere Problematik des gleichzeitigen Drogen- oder Alkoholkonsums wird in der Leitlinie nicht mehr im Detail behandelt. Hierzu wird derzeit eine separate DGPPN-S3-Leitlinie erarbeitet, die voraussichtlich Ende des Jahres veröffentlicht wird.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Alkomiet Hasan alkomiet.hasan@med.uni-augsburg.de
Weitere Informationen:
https://app.magicapp.org/#/guideline/jlYvkL S3-Leitlinie Schizophrenie – Living Guideline Leitlinien-Details | Die Leitlinie auf MAGICapp | 15.10.2025
https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/038-009 S3-Leitlinie Schizophrenie AWMF-Reg.-Nr. 038 - 009 | Die Leitlinie Schizophrenie auf der Website der AWMF | 15.10.2025
https://www.dgppn.de/publikationen/leitlinien.html Alle Leitlinien der DGPPN
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