Polio-Impfung bleibt unverzichtbar
Am 24. Oktober ist Welt-Polio-Tag. Die Impfung gegen Kinderlähmung gilt als eine der größten Errungenschaften der Prävention. Sie hat Millionen von Lähmungen verhindert und Hunderttausende Leben gerettet. Sie hat eine Krankheit zurückgedrängt, die in den 1950er Jahren selbst in Deutschland noch tausende Kinder lähmte und viele Todesfälle verursachte. Eine aktuelle Studie unter Beteiligung von Wissenschaftler*innen der Universität Bielefeld, die im Deutschen Ärzteblatt erschienen ist, zeigt nun: Trotz dieser beispiellosen Erfolge darf die Impfbereitschaft nicht nachlassen.
„Die Eindämmung von Polio gehört zu den größten Erfolgen der Public Health, also der Gesundheitsvorsorge für die gesamte Bevölkerung“, sagt Professor Dr. Oliver Razum von der Universität Bielefeld, Letztautor des Artikels. „Aber auch in Deutschland müssen wir weiter gegen Polio impfen. Eine vollständige Ausrottung der Krankheit wird in absehbarer Zeit nicht gelingen.“
Die Studie trägt den Titel „Erfolge und Hindernisse in der Spätphase der Globalen Polio-Ausrottungsinitiative“, beteiligt waren unter anderem Forschende aus Bielefeld und Heidelberg. Sie fasst die Geschichte und den aktuellen Stand des weltweiten Programms zusammen, das die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bereits 1988 ins Leben gerufen hat. Seitdem konnte die Zahl der Fälle um 99,99 Prozent gesenkt werden. Dennoch bleibt die Krankheit ein globales Risiko.
Warum Polio nicht verschwindet
Poliomyelitis, kurz Polio oder Kinderlähmung, wird durch hochinfektiöse Viren verursacht, die vor allem Kinder treffen. In 90 bis 95 Prozent der Fälle verläuft die Infektion ohne Symptome. Bei einem kleinen Teil der Erkrankten jedoch kommt es zu bleibenden Lähmungen, besonders an den Beinen. In schweren Fällen endet die Krankheit tödlich, weil die Atemmuskulatur versagt.
Zwar gelten große Teile der Welt mittlerweile als poliofrei. Doch in Pakistan und Afghanistan kursieren weiterhin sogenannte Wildviren. Hinzu kommt ein weiteres Problem: Mutationen von Impfviren, die in Ländern mit niedrigen Impfraten neue Ausbrüche auslösen. Durch internationale Mobilität gelangen solche Viren auch in Industrieländer. Zuletzt tauchten sie in Abwasserproben in mehreren europäischen Städten auf, darunter auch in Deutschland.
Finanzierungslücken und Impfmüdigkeit
Die Autoren der Studie warnen zudem vor neuen Risiken. Internationale Geldgeber wie die US-Entwicklungsagentur USAID kürzen ihre Mittel. Dadurch schrumpfen die Ressourcen für Impfkampagnen, während gleichzeitig Konflikte, schwache Gesundheitssysteme und wachsende Impfskepsis das Problem verschärfen.
Razum sieht deshalb eine klare Konsequenz: „Wir dürfen uns nicht allein auf das Ziel der Ausrottung verlassen. Entscheidend ist, dass wir überall auf der Welt dauerhaft hohe Impfquoten erreichen.“ Auch Ärzt*innen in Deutschland spielen dabei eine wichtige Rolle. Sie sollen routinemäßig den Impfstatus prüfen und fehlende Impfungen nachholen.
Die Studie kommt damit zu einem ernüchternden, aber klaren Befund: Polio wird die Weltgemeinschaft wohl noch lange beschäftigen. Doch durch konsequente Impfungen lässt sich verhindern, dass die Krankheit erneut zur Bedrohung wird.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Oliver Razum, Universität Bielefeld
Fakultät für Gesundheitswissenschaften
Telefon 0521 106-3838 (Sekretariat)
E-Mail: oliver.razum@uni-bielefeld.de
Originalpublikation:
Olaf Müller, Guangyu Lu, Peter Meissner, Lorenz von Seidlein, Albrecht Jahn, Oliver Razum: Erfolge und Hindernisse in der Spätphase der Globalen Polio-Ausrottungsinitiative. Deutsches Ärzteblatt. DOI: 10.3238/arztebl.m2025.0079. Veröffentlicht am 11.07.2025.
Weitere Informationen:
https://www.uni-bielefeld.de/fakultaeten/gesundheitswissenschaften/ag/ag3/index.xml Website der Arbeitsgruppe Epidemiologie & International Public Health
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