Risikovorsorge bei Sturzfluten: Anpassung an den Klimawandel in ariden Regionen
Viele Länder des Nahen Ostens und Nordafrikas (MENA-Region) sind von Extremwetterereignissen betroffen. Starkregen haben etwa in Jordanien wiederholt zu verheerenden Flutkatastrophen geführt. Der Klimawandel verschärft die Verwundbarkeit der ariden Regionen, in denen Hitze, Trockenheit und Sturzfluten aufeinandertreffen. Ein aktueller Policy Brief des Instituts für sozial-ökologische Forschung (ISOE) gibt Handlungsempfehlungen für Länder mit begrenzter Datenverfügbarkeit und institutionellen Kapazitäten. Damit zeigt die englischsprachige Publikation, wie das Risiko für Flutschäden verringert und die Chancen auf eine nachhaltige Nutzung von Regenwasser erhöht werden kann.
Beispiel Jordanien: Das Land in der MENA-Region – Middle East and North Africa – leidet stark unter Wassermangel. Etwa 80 Prozent des Landes bestehen aus Wüste, und die Grundwasserreserven reichen nicht aus für die Versorgung von Bevölkerung und Landwirtschaft. Aufgrund des Klimawandels kommt es noch häufiger zu extremen Wetterereignissen wie Starkregen und Überschwemmungen. Über 300 Sturzflutereignisse mit vielen Todesopfern werden für die gesamte MENA-Region seit 1950 gezählt.
Welche Klimaanpassungsstrategien können dazu beitragen, der Verwundbarkeit der MENA-Region entgegenzuwirken? Wie lassen sich die verheerenden Folgen und Schäden durch Sturzfluten minimieren und gleichzeitig die Nutzung von Starkregen optimieren? Das hat das deutsch-jordanische Forschungsteam unter der Leitung des ISOE drei Jahre lang im Projekt „Capture and retain heavy rainfalls in Jordan“, kurz „CapTain Rain“, untersucht und hierfür eng mit jordanischen Forschungsinstitutionen, Behörden und Ministerien zusammengearbeitet.
Sturzflutmanagement: Risiken frühzeitig erkennen
„Um für die MENA-Region geeignete Frühwarnsysteme und Anpassungsstrategien an den Klimawandel entwickeln zu können, muss man zunächst die Risiken besser verstehen: Was begünstigt die Starkregen und Überschwemmungen und welche Maßnahmen gibt es, um Schäden zu verringern“, erläutert Projektleiterin Katja Brinkmann. „Unsere Untersuchungen in Jordanien zeigen, dass ein besseres Zusammenspiel von Daten, Planung und Beteiligung entscheidend ist, um Risiken frühzeitig zu erkennen und wirksam zu verringern.“
Die Forschenden empfehlen, vorhandene hydrologische, meteorologische und sozioökonomische Daten stärker zu verknüpfen und Lücken durch offene Datenquellen, Fernerkundung und partizipative Erhebungen zu schließen. Nur so könnten auch in Ländern mit begrenzter Datenbasis belastbare Risikokarten und Frühwarnsysteme entstehen.
Integriertes Konzept für die Risikobewertung und Planung von Maßnahmen
Brinkmann hebt hervor: „Technische Maßnahmen allein reichen für ein klimaresilientes Sturzflutmanagement nicht aus. Wir brauchen integrierte Konzepte, die ökologische, soziale und räumliche Aspekte sowie das Wissen der lokalen Akteure zusammenführen, und zwar von Beginn an im Planungsprozess.“
Für Jordanien wurde deshalb ein integratives Modell zur Risikobewertung entwickelt: Es kombiniert technische Daten, etwa zu Wasserständen und Fließgeschwindigkeiten, mit Informationen über die Vulnerabilität der Bevölkerung und natürliche Begebenheiten, um gezielt Schwachstellen zu erkennen. Eine belastbare Einschätzung von Risikogebieten sei selbst in datenarmen Regionen durch frei verfügbare Quellen wie OpenStreetMap, Satellitendaten und lokale Erhebungen möglich, wie das Beispiel Jordanien zeige.
Nachhaltige Lösungen durch frühzeitige Beteiligung aller Akteure
Durch die frühzeitige Einbindung kommunaler Verwaltungen, Planungsbehörden und lokaler Akteure lassen sich Maßnahmen gezielter umsetzen und langfristig sichern. „Nur wenn Daten, Fachwissen und lokale Erfahrung zusammengeführt werden, können nachhaltige Lösungen entstehen“, betont Brinkmann. Ein weiterer Schlüssel liege in naturbasierten Lösungen, die bislang in der Planung noch zu wenig mitgedacht würden. Sogenannte blau-grüne Infrastrukturen könnten die Wassermengen bei Starkregenereignissen erheblich reduzieren, wie Simulationsergebnisse für das Projektgebiet Amman zeigen.
Die Erkenntnisse aus Jordanien lassen sich auf viele Länder der MENA-Region übertragen. „Unsere Forschungsergebnisse verdeutlichen, dass integriertes Datenmanagement, Beteiligung und naturbasierte Ansätze gemeinsam den Schlüssel für ein klimaresilientes Sturzflutmanagement bilden, sogar dort, wo Ressourcen begrenzt sind,“ fasst Katja Brinkmann zusammen.
ISOE Policy Brief: Maßnahmen zu Risikovorsorge in der MENA-Region
Im ISOE-Policy Brief „Flash flood management in arid and data-scarce countries: Lessons learnt from Jordan“ fasst das Autorenteam um Projektleiterin Katja Brinkmann Herausforderungen und Empfehlungen für die ariden Regionen im Nahen Osten und Nordafrika zusammen:
- Die mangelnde Verfügbarkeit von Daten zu Infrastruktur, sozialen Aspekten und Umweltfaktoren wie Niederschlag und Bodenbeschaffenheit bezeichnen die Autor*innen als eine der größten Herausforderungen in der MENA-Region. Die Verbesserung der Datenlage und -qualität ist jedoch zentral für die Risikoanalyse, um eine fundierte Bewertung der Vulnerabilität vornehmen und effektive Anpassungsmaßnahmen planen zu können.
- Die Autor*innen betonen die Notwendigkeit, strukturelle Herausforderungen zu überwinden: Um ein Risikomanagement gegen Sturzfluten effizient zu koordinieren, ist eine übergreifende Strategie erforderlich, die die Zusammenarbeit zwischen staatlichen Stellen und lokalen Gemeinschaften stärkt. Die Integration der betroffenen Bevölkerungsgruppen in die Planung und Entscheidungsfindung ist dabei entscheidend.
- Partizipative Ansätze in Planungs- und Umsetzungsprozessen sollten gezielt gefördert werden. Die Einbindung aller relevanten Stakeholder ermöglicht es, ein gemeinsames Verständnis der Ziele und Effekte eines Risikomanagements zu erzeugen.
- Naturbasierte Lösungen sollten gefördert werden. Angesichts der rasanten Urbanisierung in der MENA-Region ist es wichtig, verbleibende Flächen zu sichern, die zur Verbesserung der Klimawandel-Resilienz beitragen, indem sie die Regenwasser-Rückhaltung fördern und die Bodenversickerung verbessern.
Der ISOE Policy Brief steht als Download frei zur Verfügung und bietet mit seinen forschungsbasierten Handlungsempfehlungen vor allem Entscheidungsträger*innen in Politik und Verwaltung im Entwicklungszusammenhang hilfreiche Informationen zu Wasserressourcen in ariden Regionen und Klimaanpassungsstrategien im Zuge von Sturzfluten.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. habil. Katja Brinkmann
Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE)
Leiterin des Bereichs Sozial-ökologische Systeme
katja.brinkmann@isoe.de
Originalpublikation:
Brinkmann, Katja, Markus Rauchecker, Martina Winker, Dörte Ziegler (2025): Flash flood management in arid and data-scarce countries: Lessons learnt from Jordan. ISOE Policy Brief, 11. Frankfurt am Main. DOI: 10.5281/zenodo.16950157
https://www.isoe.de/uploads/downloads/Publikationen/Reihen/ISOE-Policy-Brief/isoe-policy-brief-11_flash-flood-mena_2025.pdf
Weitere Informationen:
https://www.isoe.de/aktuelles/risikovorsorge-bei-sturzfluten-anpassung-an-den-klimawandel-in-ariden-regionen
https://www.isoe.de/projekt/captain-rain-wassersammlung-und-ableitung-bei-starkregenereignissen-in-jordanien
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