Probleme bei der Emotionsregulation in der Schwangerschaft kann frühes Warnsignal für Depression sein
Eine Studie des Universitätsklinikums Tübingen in Zusammenarbeit mit der schwedischen Uppsala Universität belegt erstmals in großem Maßstab, dass Schwierigkeiten mit der Emotionsregulation bereits während der Schwangerschaft auf ein erhöhtes Risiko für depressive Symptome hinweisen können – sowohl in der Schwangerschaft selbst als auch in den Monaten nach der Geburt. Die Ergebnisse eröffnen neue Chancen für eine frühe Erkennung und Prävention perinataler Depressionen durch einfache Screening-Instrumente. Die Studie wurde in dem renommierten Fachjournal Nature Mental Health veröffentlicht.
Eine Studie des Universitätsklinikums Tübingen in Zusammenarbeit mit der schwedischen Uppsala Universität belegt erstmals in großem Maßstab, dass Schwierigkeiten mit der Emotionsregulation bereits während der Schwangerschaft auf ein erhöhtes Risiko für depressive Symptome hinweisen können – sowohl in der Schwangerschaft selbst als auch in den Monaten nach der Geburt. Die Ergebnisse eröffnen neue Chancen für eine frühe Erkennung und Prävention perinataler Depressionen durch einfache Screening-Instrumente. Die Studie wurde in dem renommierten Fachjournal Nature Mental Health veröffentlicht.
Wenn Gefühle aus dem Gleichgewicht geraten
Perinatale Depression, also depressive Symptome während und nach der Schwangerschaft, betrifft laut Schätzungen jede zehnte bis dritte Frau. Dennoch bleibt mehr als die Hälfte der Betroffenen unerkannt, viele erhalten keine Behandlung. Diese psychische Belastung kann sich nicht nur auf das Wohlbefinden der Mutter, sondern auch auf die kindliche Entwicklung und die gesamte Familie auswirken. Eine aktuelle Studie des Universitätsklinikums Tübingen und der Uppsala Universität zeigt nun, dass Schwierigkeiten im Umgang mit eigenen Emotionen – die sogenannte Emotionsregulation – ein früher Hinweis auf ein erhöhtes Risiko für depressive Symptome sein können.
Schwierigkeiten in der Emotionsregulation als Warnsignal
In der Untersuchung wurde überprüft, ob Schwangere, die bereits im zweiten Trimester größere Schwierigkeiten in der Emotionsregulation zeigen, häufiger depressive Symptome im späteren Verlauf der Schwangerschaft und nach der Geburt entwickeln. Solche Schwierigkeiten können sich darin zeigen, dass passende Strategien zur Emotionsregulation weniger verfügbar sind, was dazu führen kann, dass Betroffene häufiger Stimmungsschwankungen erleben, schneller gereizt sind oder sich länger niedergeschlagen fühlen. „Unsere Ergebnisse zeigen deutlich, dass Frauen mit Problemen in der Emotionsregulation ein höheres Risiko für depressive Symptome bereits während der Schwangerschaft und bis etwa fünf Monate nach der Geburt haben“, erklärt Franziska Weinmar, Erstautorin der Studie. „Das ermöglicht es, gefährdete Frauen frühzeitig zu identifizieren – noch bevor sich eine Depression manifestiert.“ Die Forschenden nutzten dafür Daten von 623 Frauen in Schweden, die zwischen Januar 2022 und April 2024 über die App Mom2B regelmäßig Fragen zu Stimmung und psychischer Gesundheit beantworteten.
App-basierte Langzeitstudie liefert neue Einblicke
Die Studie ist eine der ersten groß angelegten, bevölkerungsbasierten Untersuchungen, die den Zusammenhang zwischen Emotionsregulation und depressiven Symptomen während des gesamten perinatalen Zeitraums – also von der Schwangerschaft bis ein Jahr nach der Geburt – in einer Längsschnittanalyse beleuchtet. Besonders innovativ ist der methodische Ansatz: Die Nutzung einer nationalen, app-basierten Plattform ermöglichte eine kontinuierliche Erhebung der psychischen Gesundheit von Schwangeren über einen langen Zeitraum hinweg. Dadurch konnten die Forschenden verschiedene Gruppen depressiver Verläufe identifizieren und miteinander vergleichen.
„Wir konnten zeigen, dass Frauen, die postnatale depressive Symptome entwickelten, bereits im zweiten Trimester höhere Werte bei Schwierigkeiten in der Emotionsregulation aufwiesen“, sagt Prof. Dr. Birgit Derntl, Co-Autorin der Studie und Leiterin der Forschungsgruppe Psychische Gesundheit und Gehirnfunktion von Frauen am Universitätsklinikum Tübingen. „Ein kurzer Fragebogen, wie etwa der DERS-16, könnte daher künftig eine wertvolle Ergänzung in der Schwangerschaftsvorsorge darstellen.“ Der DERS-16 ist ein wissenschaftlich fundierter kurzer Selbstbewertungsfragebogen, mit dem die Fähigkeit zur Emotionsregulation eingeschätzt werden kann. Dieser könnte ein vielversprechendes Screening-Instrument in der Schwangerschaft darstellen: leicht anzuwenden, zuverlässig und potenziell nutzbar im Rahmen der regulären Schwangerschaftsvorsorge.
In Deutschland wird zwar von den Fachgesellschaften ein Screening hinsichtlich Früherkennung postpartaler Depressionen in den frauenärztlichen Praxen empfohlen, wie etwa der Edinburgh Postnatal Depression Scale (EPDS). Dies ist derzeit jedoch kein verbindlich vorgeschriebener Bestandteil der offiziellen Leitlinien für alle Frauenärzte und Frauenärztinnen. Darüber hinaus könnte der DERS-16 bereits frühzeitig eingesetzt werden, um Schwierigkeiten in der Emotionsregulierung zu messen, bevor überhaupt depressive Symptome auftreten, die durch den EPDS später erhoben werden.
Neue Chancen für Früherkennung und Prävention
Die Ergebnisse verdeutlichen, dass Risiken für perinatale Depression frühzeitig erkannt werden können, wenn die Emotionsregulation berücksichtigt wird. Das eröffnet neue Möglichkeiten für Prävention und gezielte Unterstützung werdender Mütter. „Wenn Schwierigkeiten im Umgang mit Emotionen schon während der Schwangerschaft erkannt werden, können wir frühzeitig handeln – etwa durch Beratungen oder Trainingsprogramme zur Emotionsregulation“, so Franziska Weinmar. „Das stärkt nicht nur die psychische Gesundheit der Mütter, sondern fördert auch das gesunde Aufwachsen der Kinder“, ergänzt Prof. Derntl.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Birgit Derntl
Franziska Weinmar
Originalpublikation:
https://www.nature.com/articles/s44220-025-00531-2
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