DECIPHER will die Mechanismen von chronischem Schmerz bei Neuropathien entschlüsseln
Was genau liegt dem kaum zu ertragenden Nervenschmerz bei Neuropathien zugrunde? Und warum leiden manche Patientinnen und Patienten bei gleicher Ursache unter Schmerzen, während andere schmerzfrei bleiben? Mit diesen Fragen beschäftigt sich das europäische Konsortium DECIPHER, an dem die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Nurcan Üçeyler vom Uniklinikum Würzburg maßgeblich beteiligt ist. Für seine Forschung zur Entschlüsselung der Rolle von stromalen CD90⁺-Zellen erhält das Konsortium rund 1,5 Millionen Euro im Rahmen der Ausschreibung „Interdisciplinary Approaches to the Neuroscience of Pain“ des europäischen Netzwerks ERA-NET NEURON.
Würzburg. In Europa sind fast 40 Millionen Erwachsene von chronischen Nervenschmerzen betroffen. Dieser sogenannte neuropathische Schmerz fühlt sich meist brennend und elektrisierend an und ist für viele Betroffene kaum zu ertragen. Gewöhnliche Schmerzmittel helfen nicht und auch die Wirkung von Medikamenten gegen neuropathische Schmerzen, wie Ionenkanalblocker oder Antidepressiva, ist meist unzureichend. Abgesehen vom Leid der Betroffenen verursachen neuropathische Schmerzen jedes Jahr Kosten in Milliardenhöhe in den europäischen Gesundheitssystemen.
ERA-NET NEURON: Ausschreibung für interdisziplinäre Ansätze zur Untersuchung der Pathophysiologie des Schmerzes
ERA-NET NEURON, ein strukturiertes EU-Netzwerk zur Koordination der neurowissenschaftlichen Forschung in Europa, sucht nach Ursachen und neuen Behandlungsansätzen. Im sogenannten Joint Translational Call (JTC) „Interdisciplinary approaches to the neuroscience of pain“ wurden multidisziplinäre Projekte ausgeschrieben, in denen mindestens drei Partner aus mindestens drei unterschiedlichen europäischen Ländern sowohl neurologische, biologische als auch psychologische und soziale Komponenten von chronischem Schmerz untersuchen – von der Grundlagenforschung bis hin zu klinischen Studien.
Für Prof. Dr. Nurcan Üçeyler ist dies die perfekte Gelegenheit, ihre Forschung im Verbund eines schlagkräftigen EU-Konsortiums und gemeinsam mit ihrem Team vertieft fortzusetzen. Die Neurologin und leitende Oberärztin der Neurologischen Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) befasst sich seit Beginn ihrer wissenschaftlichen Laufbahn mit der Frage nach der Pathophysiologie von Neuropathien der groß- und kleinkalibrigen Nervenfasern sowie der Entstehung von neuropathischem Schmerz – im translationalen Ansatz sowohl klinisch als auch grundlagenwissenschaftlich. „Das Projekt unseres neuen Konsortiums DECIPHER ist der logische nächste Schritt meiner Arbeit“, sagt sie. Und diesen Schritt kann Nurcan Üçeyler nun gehen.
DECIPHER erhält 1,5 Millionen Euro, um die Rolle von stromalen CD90⁺-Zellen bei Neuropathien zu entschlüsseln
Das Konsortium, bestehend aus Prof. Nurcan Üçeyler, Prof. Franziska Denk (Wolfson Sensory, Pain and Regeneration Centre (SPaRC), School of Neuroscience, King’s College London, Großbritannien), Dr. Mateusz Kucharczyk (Łukasiewicz Research Network – PORT, Polish Center for Technology Development, Cancer Neurophysiology Group, Wrocław, Polen), Prof. Caroline Ospelt (Zentrum für Experimentelle Rheumatologie, Universitätsklinikum Zürich, Schweiz) und Prof. Fatma Yeşim Parman (Neurologische Klinik, Universität Istanbul, Türkei), konnte die Auswahlkommission überzeugen. DECIPHER erhält insgesamt rund 1,5 Millionen Euro, um die Rolle der stromalen Zellen mit dem Oberflächenprotein CD90+ bei neuropathischen Schmerzen zu entschlüsseln.
Stromale CD90⁺-Zellen können schmerzauslösende Substanzen hervorrufen
Stromale CD90⁺-Zellen sind eine bestimmte Art von Bindegewebszellen, die vor allem bei Verletzungen im Körper aktiv werden. Sie spielen eine wichtige Rolle bei neuropathischen Schmerzen, also Schmerzen, die durch geschädigte Nerven entstehen. So sind sie beispielsweise an der Bildung von Narbengewebe rund um den verletzten Nerv beteiligt. Dies kann dazu führen, dass der Nerv dauerhaft gereizt bleibt. Stromale CD90⁺-Zellen können nach einer Nervenschädigung aber auch entzündliche Stoffe freisetzen, die die Nerven empfindlicher machen. „In unserem Konsortium konzentrieren wir uns auf genau diese ausgeschütteten schmerzauslösenden Substanzen, die möglicherweise neuropathische Schmerzen bei Neuropathien verursachen beziehungsweise unterhalten“, erläutert Nurcan Üçeyler. Was genau liegt dem Nervenschmerz bei Neuropathien zugrunde? Warum leiden manche Patientinnen und Patienten bei gleicher Ursache unter Schmerzen, während andere schmerzfrei bleiben?
Translationaler Ansatz in der Neurologie und den Neurowissenschaften
Genau diese Fragen möchte das Konsortium unter Leitung von Franziska Denk mithilfe eines translationalen Ansatzes beantworten, bei dem die Bereiche Klinik, mehrdimensionale humane Zellkultursysteme und tierexperimentelle Forschung miteinander verzahnt werden. Ziel ist es, neue Ansatzpunkte für die Behandlung Neuropathie-assoziierter Schmerzen zu erarbeiten.
Wie sieht der Beitrag aus Würzburg aus? Die Arbeitsgruppe von Nurcan Üçeyler bringt auf der klinischen Seite Studienpatientinnen und -patienten ein und stellt die umfassenden Charakterisierungen des Krankheitsbildes sowie wertvolles Patienten-eigenes Biomaterial bereit. Dies bildet die Grundlage des Projekts. Parallel dazu entwickelt ihr grundlagenwissenschaftliches Team patienteneigene, stammzellbasierte 2D-Nervenzellkulturen. Diese werden mikroskopisch, elektrophysiologisch und molekularbiologisch analysiert. „Diese Zellmodelle und Methoden stellen wir allen Partnerinnen und Partnern im Konsortium zur gemeinsamen Erforschung zur Verfügung. „Durch die komplementäre Verknüpfung von klinischen Daten, humanen in vitro 2D / 3D Kulturen und Organoiden, sowie in vivo und in vitro tierexperimentellen Ansätzen bringen wir in unserem Konsortium alle nötigen Techniken auf höchstem Niveau zusammen. Die gewonnenen Erkenntnisse können wir auf Basis solider klinischer Charakterisierung sinnvoll interpretieren und für unsere Patientinnen und Patienten gewinnbringend einsetzen“, so Üçeyler. Zudem sei die Einbindung von Patientinnen und Patienten für das Konsortium sehr wichtig. So wird DECIPHER unter anderem von der Selbsthilfeorganisation SchmerzLOS e. V. unterstützt. Der Verein war bereits in die Projektplanung eingebunden und wird während der gesamten Projektlaufzeit beratend aktiv sein, um die Perspektive und Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten im Fokus zu behalten.
Über ERA-NET, NEURON und DECIPHER
ERA-NET ist ein Förderprogramm der Europäischen Union. Es stärkt die Zusammenarbeit nationaler und regionaler Forschungsförderorganisationen, um Forschungsaktivitäten in Europa besser zu koordinieren und gemeinsame wissenschaftliche Prioritäten zu verfolgen. Im Rahmen von ERA-NET bündelt das „Network of European Funding for Neuroscience Research“ (NEURON) die Förderinitiativen seiner Partnerländer und -regionen zu neurologischen, psychischen und sensorischen Erkrankungen. Ziel ist es, Ressourcen effizienter zu nutzen, Doppelstrukturen zu vermeiden und die europäische Forschung in den Neurowissenschaften nachhaltig zu stärken. Im Jahr 2025 veröffentlichte NEURON eine gemeinsame transnationale Ausschreibung (JTC 2025) zum Thema „Interdisciplinary Approaches to the Neuroscience of Pain“, um innovative, interdisziplinäre Forschung im Bereich der Schmerz-Neurowissenschaften gezielt zu fördern. Das Konsortium DECIPHER erhielt rund 1,5 Millionen Euro für sein Projekt „Deciphering the role of CD90+ stromal cells in neuropathic pain“.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Nurcan Üçeyler, Ueceyler_N@ukw.de
Weitere Informationen:
https://www.neuron-eranet.eu/joint-calls/bio-medical/2025-pain/
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